Die energiepolitische Lage und unsere Aktivitäten

Das Vereinsjahr 2006/2007 war gekennzeichnet von der Tatsache, dass die seit langem drohende Gefahr einer Klimakatastrophe von den Medien und damit der Öffentlichkeit endlich wahrgenommen wurde. Auch breitet sich zögerlich die Einsicht aus, dass der Emissionshandel das Problem nicht lösen kann. Die stimmungsmäßigen Voraussetzungen zum Umstieg auf 100 Prozent Erneuerbare Energien sind damit deutlich besser als in den vergangenen Jahren, werden aber von der Regierung nicht genutzt. Der Energiewirtschaft gelingt es vielmehr, zunehmend das Interesse der Bundesregierung auf zentrale Großprojekte - z.B. Offshore-Windparks oder Bau eines Solarthermischen Großkraftwerks in Jülich zu lenken. Dagegen wird bei den dezentralen Techniken (Windenergie im Binnenland besonders in Süddeutschland oder Solarstromanlagen auf und an Gebäuden) regierungsseitig die Bremse gezogen. Die Bundesregierung hält sich dabei an die bereits im Dezember 2005 veröffentlichte Studie zur vorgesehenen Entwicklung der Erneuerbaren Energien, deren Zielvorgaben wir bereits im Vorjahr scharf kritisiert hatten. (Solarbrief 1/06 und http://www.sfv.de/lokal/mails/wvf/zuwachsz.htm). Da das Wachstum bisher schneller war als in der Zielvorgabe, wird nun irrsinnigerweise nicht die Zielvorgabe erhöht, sondern das Wachstum gebremst.

Tragisch ist besonders die Entwicklung bei der Photovoltaik. Zwar ist diese Technik bei der Bevölkerung nach wie vor bestens angesehen, doch eine massive Neidkampagne gegenüber den Herstellern von Solarsilizium und ihren angeblich überhöhten Gewinnen, sowie eine irreführende Berichterstattung über den angeblichen PV-Boom hat sogar innerhalb der Solarszene die Forderung nach einer rascheren Senkung der Einspeisevergütung wachgerufen. Diese Forderung ist unseres Erachtens irrational, denn wer an erster Stelle darunter leiden wird, sind nicht die angefeindeten Hersteller von Solarsilizium und Wafern, sondern das Handwerk, die Installateure, die massiv Kunden verlieren, wenn sie die Preise für ihre Solaranlagen nicht im selben Tempo senken können wie die Vergütung sinkt. Leiden wird aber auch das Klima, d.h. wir alle. Und das Ausbautempo hat ohnehin bereits abgenommen. In einem vielfach beachteten ausführlichen Beitrag hat Jürgen Grahl dargelegt, dass die rasche Absenkung der Einspeisevergütung ein Fehler ist. Er hat insbesondere gezeigt, dass durch einen strikten Ausbau der Photovoltaik ein volkswirtschaftlicher Nutzen von 300 Milliarden Euro zu erwarten ist (Solarbrief 3/07, Seite 16 und http://www.sfv.de/artikel/2007/gravier3.htm)

Dreh- und Angelpunkt unserer Öffentlichkeitsarbeit blieb für uns die Forderung nach einer nationalen Vorreiterrolle beim Ausbau der Erneuerbaren Energien in Deutschland. Die Forderung findet immer weiter
Gehör, stellt aber nach unserem Eindruck noch lange nicht die Mehrheitsmeinung dar (auch nicht in der Politik). Nur die Grünen und die Linken, aber noch keine Regierungspartei hat unsere Forderung nach 100
Prozent aufgenommen. Hermann Scheer, der in Hessen den Landtagswahlkampf mit einer Forderung nach 100 Prozent Erneuerbaren unterstützt (und einige seiner Parteifreunde), vertreten in der SPD leider noch nicht die Mehrheitsmeinung. Umweltminister Gabriel fordert sogar den Neubau von effizienten Kohlekraftwerken, weil er und seine Berater nicht glauben, dass die Erneuerbaren Energien schneller vorankommen können. Der SFV hat sich deshalb gemeinsam mit 200 Umweltgruppen, Parteien und
Parteiunterorganisationen an Gabriel gewendet und ihn aufgefordert, das Ziel 100% ins Auge zu fassen. (Solarbrief 3/07 und http://www.sfv.de/artikel/2007/gemeinsa.htm).

Der SFV legt weiter den Schwerpunkt seiner Arbeit auf das Thema 100% Erneuerbare Energien. 39 Vorträg zum Thema 100% wurden nach unserer Zählung seit Februar gehalten. Das Interesse am Thema wächst. Zu einem Vortrag in Oberlahnstein im Rahmen einer Tagung der Gesellschaft für Gesundheitsberatung erschienen sogar fast 1200 Zuhörer. Besonders Eberhard Waffenschmidt ist mit seinem Vortrag 100 Prozent immer wieder unterwegs. Auf unserer Internetseite unter dem Link "Vorträge und Aktionen" kann man sich informieren, wo die nächsten Vorträge in Deutschland - auch von Nichtangehörigen des SFV - zum Thema 100% gehalten werden. In einem Seminar mit der Evangelischen Erwachsenenbildung erhielten wir rhetorisch nützliche Hinweise. Das Seminar soll - mit noch stärkerer Betonung auf den rhetorischen Teil - im Frühjahr wiederholt werden.

Der Energiewenderechner, den Georg Engelhard federführend erstellt, steht kurz vor der Veröffentlichung. Er wird es jedem Benutzer ermöglichen, die unterschiedlichsten Kombinationen von Sonnenenergie-
Windenergie, Wasserkraft, Biomasse und Geothermie auszuprobieren. So können Sie sich selber davon überzeugen, dass es eine Fülle von Variationsmöglichkeiten gibt, wie man die Aufgabe 100% für Deutschland lösen kann. Sie können zum Beispiel den Anteil der Windenergie verringern und dafür den der Biomassenutzung erhöhen. Sie können den Anteil der Geothermie verringern und zum Ausgleich mehr Flächen für die Solarthermie nutzen und zusätzlich Parkplätze und Innenstadtstraßen mit Überdachungen zur Aufnahme von Photovoltaik vorsehen. In jedem Fall zeigt Ihnen der Rechner in einer Bilanz an, ob die von Ihnen angenommene Lösungsvariante den von Ihnen angenommenen Energiebedarf einschließlich
der für unvermeidlich gehaltenen Speicherverluste decken kann.

Zur Abschätzung der Energieerträge bei der energetischen Biomassenutzung haben unsere Agrar-Diplom-Ingenieurinnen Susanne Jung und Petra Hörstmann-Jungemann umfangreiche Recherchen betrieben. Das Ergebnis steht inzwischen unter http://www.sfv.de/artikel/2007/Potentia.htm im Internet. Biomasse ist - besser noch als Wasserkraft - speicherbar. Darin besteht ihr besonderer Wert. Doch dieser Wert wird in der praktischen Anwendung zur Zeit noch nicht genutzt. Immer noch werden Biomassekraftwerke rund um die Uhr betrieben - bisweilen wird dies sogar in Verkennung der tatsächlichen Notwendigkeiten als großer Vorteil dargestellt und mit dem Wort "Grundlastfähigkeit" gelobt. Dabei wird nicht bedacht, dass schon im heutigen Strommarkt Grundlaststrom nur gering, Spitzenlaststrom hingegen hoch vergütet wird. Biomasse hat die Voraussetzung zur Lieferung von Spitzenlaststrom, doch nicht einmal im neuen EEG-Referentenentwurf findet man Anreize dafür, Strom aus Biomasse bedarfsgerecht einzuspeisen. Uns ist noch deutlicher als bisher geworden, dass das Potential der Biomassenutzung noch nicht einmal ausreicht, um bei einer 100% Versorgung aus Erneuerbaren Energien die wetterbedingten Angebotslücken bei Sonnen und Windenergie vollständig auszugleichen. Dieser Ausgleich muss durch Energiespeicher ergänzt
werden. Hierzu hat des SFV bereits mehrere Vorschläge erarbeitet. Insbesondere legen wir den Schwerpunkt auf eine Dezentralisierung der Speichertechnik. Als Anreiz fordern wir ein Gesetz, wonach der
Strompreis für Endverbraucher jederzeit das Verhältnis von Angebot und Nachfrage wiederspiegelt. Jeder in Deutschland soll das Recht haben, Strom zu beliebigen Zeiten gegen eine dem Strompreis entsprechende Vergütung ins Netz einzuspeisen. Bei der von EUROSOLAR organisierten 2. Internationalen Speicherkonferenz Erneuerbarer Energien, 19.-21. November 2007, Bonn werden auch unsere Vorschläge zur Sprache kommen.

In fast 100 Beiträgen auf unserer Internetseite machen wir Interessenten mit unseren Vorschlägen bekannt. Dass unsere Beiträge im Internet durchaus wahrgenommen und weiter verlinkt werden, zeigt sich bei der Google-Suche. Wer z.B. die beiden Stichworte "Arbeitsplätze" und "Gerechtigkeit" eingibt, findet unseren SFV-Beitrag unter den ersten Einträgen. Unser Vorschlag eines "Energiegeldes" findet sich ebenfalls bei Google ganz vorne. Wichtig ist, dass er auch von anderen Organisationen fast wörtlich übernommen wurde. Im Anhang finden Sie eine Aufstellung der im letzten Vereinsjahr neu erschienenen Solarbriefbeiträge.

Beratung von Solaranlagenbetreibern

Neben der politischen Arbeit, die das Ziel verfolgt, die Rahmenbedingungen in unserem Sinne zu verbessern, sehen wir die Betreiberberatung als unsere wichtige Aufgabe an. Hier liegt unser Schwerpunkt weiterhin bei Problemen mit dem Netzbetreiber. Auch hier hat sich gegenüber dem vorherigen Vereinsjahr nur wenig geändert. Immer noch sehen es die zuständigen Sachbearbeiter bei vielen Stromnetzbetreibern anscheinend als ihre Pflicht an, die Zahl der dezentralen Stromerzeuger
durch "Abschreckung" möglichst klein zu halten.

Fast täglich gehen Anrufe bei uns ein, in denen potentielle Anlagenbetreiber um Rat nachfragen. Häufig sind die Verstöße der Netzbetreiber gegen das EEG so offensichtlich, dass sie vom Netzbetreiber nach Hinweis auf die Rechtslage abgestellt werden. In den übrigen Fällen bleibt uns nur, den Betreibern die Telefonnummern von Rechtsanwälten zu nennen, die sich in der Materie auskennen. Wir haben inzwischen über 250 solcher hartnäckigen Streitfälle dokumentiert. Unsere immer noch aufrecht erhaltene Forderung nach Zahlung einer Bereitstellungsgebühr bei Nichtanschluss einer fertiggestellten Anlage
zeigt sich weiterhin als vordringlich und wird inzwischen auch von der Politik verstanden.

Solarbriefe

Im Vereinsjahr sind vier Solarbriefe (4/06 bis 3/07) erschienen.

Mitgliederzahlen (Stand 24.10.07)

Die Vorjahresstände zeigen das kontinuierliche Anwachsen des Vereins:
Persönliche Mitglieder: 2273 (In den Vorjahren 2232, 2194, 2076, 2010, 2147, 2040, 1738, 1597)
Fördermitglieder: 205 (192, 179, 171, 160, 155, 150, 106, 78)
Dauerspender: 269

Vereinsziel für das Jahr 2007/2008

Die Überzeugung von der Notwendigkeit und der Realisierbarkeit einer Energieautonomie auf der Basis von 100% Erneuerbaren Energien in der Öffentlichkeit weiter verfestigen und auf die entsprechenden Änderungen der wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen hinwirken.

Politische Forderungen für das neue Vereinsjahr

In den politischen Rahmenbedingungen hat es nur wenig Bewegung gegeben. Unsere Forderungen aus dem Vorjahr erhalten wir deswegen aufrecht:

  1. Wir fordern ein Genehmigungsverbot für den Neubau fossiler Kraftwerke.
  2. Eine Baupflicht für Solaranlagen - thermisch oder elektrisch - auf Neubauten und mit einer Übergangsfrist auch auf Altbauten muss ins Baugesetzbuch aufgenommen werden.
  3. Der Schutz von Solaranlagenbetreibern gegenüber nachträglicher Verschattung muss gesetzlich geregelt werden.
  4. Wir fordern eine Haftungsbegrenzung für Schäden, die von Anlagen Erneuerbarer Energien am öffentlichen Netz verursacht werden, entsprechend der Haftungsbegrenzung für die Stromwirtschaft.
  5. Paragraph 5 Absatz 2 des EEG besagt, "Der vorgelagerte Netzbetreiber ist zur Vergütung der von dem Netzbetreiber nach § 4 Abs. 6 abgenommenen Energiemenge ... verpflichtet. Von den Vergütungen sind die nach guter fachlicher Praxis vermiedenen Netznutzungsentgelte in Abzug zu bringen." Diese Bestimmung konterkariert jede vertragliche Einigung zwischen Versorgungsnetzbetreiber und Anlagenbetreiber über eine netzentlastende bedarfsgesteuerte Einspeisung, da jede Einsparung an Netzkosten weder dem Anlagenbetreiber noch dem Versorgungsnetzbetreiber zugute kommt. Hier wollen wir weiterhin eine Änderung anmahnen.
  6. Das EEG ist so zu ergänzen, dass die Bereitstellung von Strom aus Erneuerbaren Energien vergütet wird, auch dann, wenn ein Anschluss an das Netz - gleichgültig aus welchen Gründen - nicht erfolgt.
  7. Die Einspeisevergütungen im EEG müssen so weit erhöht werden, dass die Renditen bei den Erneuerbaren Energien mindestens so hoch sind wie bei den konventionellen Energien
  8. Ein Gesetz zur konsequenten Liberalisierung des Stromhandels auch für Kleinlieferanten soll - wie oben erläutert - die Stromspeicherkapazitäten bundesweit vergrößern.
  9. Nur durch eine Steigerung der Energiepreise kann die häufig beschworene Energieeffizienz gesteigert werden. Wir fordern - und diesgilt nicht nur für das EEG - jede Ausnahme bei der Besteuerung des Energieverbrauchs bei den energieintensiven Betrieben aufzuheben.

21 Jahre Unabhängigkeit - Dank an Mitglieder und Spender!

Unser Verein nimmt seit nunmehr 21 Jahren eine wichtige Funktion in der Energie- und Wirtschaftspolitik als Vordenker und Mitinitiator ein, indem er Grundsatzprobleme anpackt, sie leicht verständlich aufarbeitet
und in die öffentliche Diskussion hineinträgt. Wir können stolz darauf sein. Die Wahrnehmung dieser Aufgabe verlangt finanzielle und geistige Unabhängigkeit, die auf die treue Unterstützung von mehr als 2200 Mitgliedern zurückgeht und für die der Vorstand ausdrücklich dankt!

Der Vorstand bittet Sie um Entlastung und um Beauftragung für das nächste Vereinsjahr!