Energieeffizienz-Maßnahmen bei städtebaulichen Vorhaben sowie Erneuerbare-Energien-Techniken in der Bauleitplanung wurden im Baugesetzbuch 2004 ein besonderer Stellenwert eingeräumt. Dies ermutigte uns, im Sommer 2005 einen Bürgerantrag zur Solaren Baupflicht in Aachen zu stellen (Solarbrief 2/05, Seite 12). Leider wurde unser Antrag bis zum heutigen Zeitpunkt nicht abschließend behandelt. Wir erhielten allerdings den Hinweis, dass die im BauGB formulierten Regelungen rechtlich umstritten seien. Fraglich wäre, ob der allgemeine Klimaschutz in der örtlichen Bauleitplanung zu verpflichtenden Maßnahmen führen dürfte. Auch sei unklar, welche Vorgaben zur Nutzung Erneuerbarer Energien und Energieeffizienz-Maßnahmen im Einzelnen zulässig wären.

Parallel zu unserem Bürgerantrag zur solaren Baupflicht initiierte die europäische Klimaschutzorganisation „Klima Bündnis/Alianza del Clima e.V“ im Auftrag der Städte Aachen, Berlin, Frankfurt am Main, Freiburg (Breisgau), Hannover, Heidelberg und München bei der Firma Ecofys ein Rechts- und Fachgutachten, dass von Dr. Dagmar Everding, Prof. Dr. Alexander Schmidt und Gerd Apfelstedt bearbeitet wurde. Im März diesen Jahres wurden die Ergebnisse der Öffentlichkeit vorgestellt.

Im folgenden werden wesentliche Schlussfolgerungen des Gutachtens (in Auszügen) dargestellt. Sie sollen kommunalen Akteuren nicht nur die derzeit im BauGB 2004 unstrittig formulierten Möglichkeiten der Nutzung von Klimaschutzmaßnahmen in der Bauleitplanung vor Augen halten. Vor allem sollen sie jedoch Kommunen motivieren, in eigener Initiative strittige Regelungen des BauGB 2004 vor den Verwaltungsgerichten zu klären.

Der SFV plädiert allerdings für eine Gesetzesinitiative zur Präzisierung des BauGB. Umfassende Klimaschutzmaßnahmen im Städtebau müssen unstrittig verpflichtend sein.

Schlussfolgerungen des Gutachtens (Auszüge)

1. In der Bauleitplanung ist es grundsätzlich zulässig, auf den allgemeinen Klimaschutz zielende Regelungen zu treffen: Durch die Aufnahme des „Allgemeinen Klimaschutzes“ und der Energieeffizienz in die Zielvorgaben des § 1 Abs. 5 und 6 BauGB 2004 haben die Gemeinden grundsätzlich die Befugnis erhalten, klimaschutzbezogene Regelungen zu treffen.

2. Welche Regelungsmöglichkeiten für den allgemeinen Klimaschutz und für eine effiziente Energienutzung bestehen und umsetzbar sind, ist für Flächennutzungspläne sowie für Festsetzungen in
Bebauungsplänen teilweise geklärt: In Flächennutzungsplänen sind alle klimaschutzbezogenen Darstellungen zulässig, die in den daraus zu entwickelnden Bebauungsplänen umgesetzt werden können.

Anerkannt und erprobt sind:

  • Festsetzungen zur Stellung und zur Höhe von Gebäuden nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 und 2 BauGB 2004 um Verschattungen zu vermeiden.
  • Außerdem geht die juristische Literatur überwiegend davon aus, dass nur nach § 9 Abs. 1 Nr. 23 b BauGB als „bauliche Maßnahmen zum Einsatz erneuerbarer Energien wie insbesondere Solarenergie“ nur Vorgaben z.B. für die Dachform, sondern auch eine Verpflichtung zur Installation bestimmter Anlagen zur Energieerzeugung festgesetzt werden können. Möglich ist ferner eine Kombination mit Verbrennungsverboten nach § 9 Abs. 1 Nr. 23 a BauGB 2004. In der Abwägung ist jedoch insbesondere bei einer Verpflichtung zur Installation von Solaranlagen besonders auf die Verhältnismäßigkeit zu achten.“

(Anm. des SFV: Bei der Festlegung der Verhältnismäßigkeit der eingesetzten Techniken muss darauf geachtet werden, dass Maßnahmen zur Nutzung von Energieeffizienz und Erneuerbaren Energien auf Grund der steigenden Energiepreise mittel- und langfristig die kostengünstigste Variante bleiben wird)

„Diese neuen Festsetzungsmöglichkeiten sind in der Praxis allerdings noch nicht umgesetzt worden.

  • Darüber hinaus gibt es in einigen Bundesländern landesrechtliche Vorschriften, nach denen ein Anschluss- und Benutzungszwang an die Fernwärmeversorgung aus Gründen des Klimaschutzes angeordnet werden kann; in § 9 Abs. 1 BauGB 2004 findet sich dafür keine Regelungsmöglichkeit, es ist aber meist die Verknüpfung der nach Landesrecht möglichen Regelungen mit einem Bebauungsplan möglich.

Klärungsbedürftig, da nicht eindeutig geregelt sind:

  • Zulässigkeit von Festsetzungen zur Wärmedämmung an Gebäuden sowie „Zielwerte“ für die CO2-Minderung in Bebauungsplänen. Eine speziell dafür vorgesehene Festsetzungsmöglichkeit fehlt bisher. In Betracht kommt zwar die Anwendung von § 9 Abs. 1 Nr. 24 BauGB 2004, denn es spricht einiges dafür, dass Maßnahmen zur Wärmedämmung danach als „bauliche Vorkehrungen“ ... „zur Vermeidung .. von schädlichen Umwelteinwirkungen im Sinne des Bundesimmissionsschutz-Gesetzes“ festgelegt werden können. Es ist aber umstritten, ob mit solchen Festsetzungen über die Standards der Energieeinsparverordnung hinausgegangen werden darf (SFV: gemeint ist hier: z.B. Passivhausstandard) und ob sie auf den Klimaschutz zielen können. Solche Festsetzungen gibt es daher kaum und eine Klärung durch die Rechtsprechung steht noch aus. Außerdem wird in der juristischen Literatur, ob ergänzend zu „Vorkehrungen“ nach § 9 Abs. 1 Nr. 24 oder auch zu „Maßnahmen“ nach § 9 Abs. 1 Nr 23b BauGB 2004 sogenannte „konkretisierende Zielwerte“ festgelegt werden können, die das bei der CO2-Minderung durch die in Betracht kommenden „Vorkehrungen“ oder „Maßnahmen“ zu erreichende Ziel vorgeben. Auch hier ist die Zulässigkeit durch die Rechtsprechung noch nicht abschließend geklärt.

Der Abschluss von städtebaulichen Verträgen bietet ergänzende Ansatzpunkte für klimaschutzbezogene Regelungen:
Hierfür eröffnet § 11 Abs. 1 Nr. 4 BauGB 2004 erheblich weiter gehende Gestaltungsmöglichkeiten, als es sie - wie gezeigt - bei Bebauungsplänen gibt. Das gilt z.B. für Vereinbarungen über die Nutzung von Solaranlagen und von Anlagen zur Kraft-Wärme-Kopplung sowie auch für Anforderungen an die Wärmedämmung von Gebäuden. Es ist jedoch nicht immer möglich, entsprechende Vereinbarungen zu treffen, wenn es z.B. um ein Baugebiet mit einer Vielzahl von einzelnen Grundstückseigentümern geht.

Außerdem wird ein Bebauungsplan durch solche Vereinbarungen in der Regel nicht ersetzt, sondern nur ergänzt, so dass sich meistens vor deren Abschluss schon die Frage nach den Festsetzungsmöglichkeiten stellt.

Die Reichweite der planerischen Festsetzungsmöglichkeiten in Bebauungsplänen bleibt trotzdem teilweise noch klärungsbedürftig:
Die Darlegung hat zwar gezeigt, dass es einige Ansatzpunkte für klimaschutzbezogene Festsetzungen in Bebauungsplänen und für städtebauliche Verträge gibt. Aus Sicht der Praxis wird aber trotzdem eine Klärung bestimmter Fragen für notwendig gehalten. Das betrifft insbesondere die für eine effiziente Energienutzung wichtige Möglichkeit, in Bebauungsplänen auch Festsetzungen für die Wärmedämmung von Gebäuden treffen zu können. Darüber hinaus wird vielfach wohl auch die in der juristischen Literatur und in der Planungspraxis bisher noch unterschiedlich beurteilte Frage, ob klimaschutzbezogene Regelungen überhaupt zulässig sind, als klärungsbedürftig angesehen.

Die Verwaltungsgerichte können die offenen Fragen erst klären, wenn sich die Kommunen entschließen, auch umstrittene Festsetzungen auszuprobieren. Daran fehlt es bisher, weil regelmäßig Bedenken aufgrund der rechtlichen Risiken bei einer Klage bestehen. Sofern es dabei bleibt kommt nur eine Klarstellung durch den Gesetzgeber in Betracht. Dies würde eine Gesetzesinitiative voraussetzen, die auf eine Ausweitung oder Ergänzung der Festsetzungsmöglichkeiten in § 9 Abs. 1 Nr. 23 und / oder 24 BauGB 2004 z.B. im Hinblick auf Maßnahmen zur Wärmedämmung ausgerichtet sein müsste.“

Die ungekürzte Zusammenfassung des Rechtsgutachtens steht im Internet unter http://www.klimabuendnis.org/aktuell/ klima.htm zum pdf-Download bereit.

Auszüge aus dem BauGB 2004


§ 1 Abs. 5
„Die Bauleitpläne sollen eine nachhaltige städtebauliche Entwicklung, die die sozialen, wirtschaftlichen und umweltschützenden Anforderungen auch in Verantwortung gegenüber künftigen Generationen miteinander in Einklang bringt, und eine dem Wohl der Allgemeinheit dienende sozialgerechte Bodennutzung gewährleisten. Sie sollen dazu beitragen, eine menschenwürdige Umwelt zu sichern und die natürlichen Lebensgrundlagen zu schützen und zu entwickeln, auch in Verantwortung für den allgemeinen Klimaschutz, sowie die städtebauliche Gestalt und das Orts- und Landschaftsbild baukulturell zu erhalten und zu entwickeln.“

§ 1 Abs. 6
„Bei der Aufstellung der Bauleitpläne sind insbesondere zu berücksichtigen:
... 7. die Belange des Umweltschutzes, einschließlich des Naturschutzes und der Landschaftspflege, insbesondere ... f) die Nutzung erneuerbarer Energien sowie die sparsame und effiziente Nutzung von Energie ..“

§ 9 Abs. 1 Nr. 1, 23 a, 23 b, 24
(1) Im Bebauungsplan können aus städtebaulichen Gründen festgesetzt werden:
1. die Art und das Maß der baulichen Nutzung (...)

23. Gebiete, in denen
a) zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen im Sinne des Bundes-Immissionsschutzgesetzes bestimmte Luft verunreinigende Stoffe nicht oder nur beschränkt verwendet werden dürfen,

b) bei der Errichtung von Gebäuden bestimmte bauliche Maßnahmen für den Einsatz erneuerbarer Energien wie insbesondere Solarenergie getroffen werden müssen;

24. die von der Bebauung freizuhaltenden Schutzflächen und ihre Nutzung, die Flächen für besondere Anlagen und Vorkehrungen zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen und sonstigen Gefahren im Sinne des Bundes-Immissionsschutzgesetzes sowie die zum Schutz vor solchen Einwirkungen oder zur Vermeidung oder Minderung solcher Einwirkungen zu treffenden baulichen und sonstigen technischen Vorkehrungen (...)

§ 11 Abs. 1 Nr. 4
(1) Die Gemeinde kann städtebauliche Verträge schließen. Gegenstände eines städtebaulichen Vertrages können insbesondere sein: (...)

4. entsprechend den mit den städtebaulichen Planungen und Maßnahmen verfolgten Zielen und Zwecken die Nutzung von Netzen und Anlagen der Kraft-Wärme-Kopplung sowie von Solaranlagen für die Wärme-, Kälte- und Elektrizitätsversorgung.