Die Preise für Erneuerbare Energien fallen und machen sie als Energiequelle attraktiver als die Verbrennung von Kohle. Das Abkommen von Paris sieht eine Begrenzung der Erderwärmung auf deutlich unter 2° Celsius vor, eher auf 1,5° Celsius. Wenn dieses Ziel erreicht werden soll, muss die Nutzung von Kohle massiv zurückgehen. In Industrieländern bedeutet dies nicht nur, dass keine neuen Kohlekraftwerke mehr gebaut werden dürfen, sondern auch, dass existierende Kohlekraftwerke geschlossen werden müssen und zwar in großem Stil. Mehr und mehr öffentliche und private Banken schließen die Finanzierung von Kohlekraftwerken in unterschiedlichem Maße aus. Hinzu kommt, dass große institutionelle Investoren wie der Norwegische Pensionsfonds, Versicherungen wie Allianz, AXA oder Generali, Kirchen, Universitäten und Städte ihre Anlagen von Kohleunternehmen befreien.

Dieses sogenannte Divestment hat in den vergangenen Jahren enorm an Fahrt gewonnen. 350.org, eine vom amerikanischen Umweltaktivisten Bill McKibben ins Leben gerufene Bewegung, setzte sich zunächst in den USA dafür ein, dass Universitäten und Stadtverwaltungen ihre Anlagen in fossilen Unternehmen abstoßen. Dabei geht es sowohl darum, der Industrie Finanzen abzuschneiden, als auch darum, die Industrie unter Legitimationsdruck zu setzen und so ihre Macht zu beschneiden. Von den USA aus verbreitete sich die Bewegung weltweit und in verschiedenen Ländern haben dortige Umweltorganisationen oder -initiativen die Idee aufgenommen. urgewald z.B. hat mit norwegischen Partnern den Norwegischen Pensionsfonds dazu bewegt, Kohleunternehmen aus seinen Anlagen auszuschließen. Im Jahr 2015 hat er sich dazu verpflichtet. Die Versicherer AXA und Allianz machten im gleichen Jahr bedeutende Divestment-Ankündigungen.

Kohleunternehmen spüren dies, darauf haben etwa RWE und E.ON bei der Aufspaltung 2016 hingewiesen: eine der Begründungen für die Aufspaltung in einen fossilen und einen „sauberen“ Teil war, dass letzterer den Zugang zu neuen Investoren ermögliche. Denn Kapitalaufnahme am Markt werde für sehr kohlelastige Unternehmen immer schwieriger.
 

Positive Schritte beim Divestment

Die Divestment-Entscheidungen der Versicherer sind sehr positiv, denn Versicherungen gehören zu den größten institutionellen Anlegern. Allianz und
AXA stehen zudem nicht alleine da: auch Generali, Swiss Re und Zürich haben Divestmentbeschlüsse, der französische Rückversicherer SCOR verkündete im September 2017 den Ausstieg aus seinen Kohleanlagen, auch der englische Versicherer Aviva sowie die Versicherungsplattform Lloyds of London haben sich für fossiles Divestment entschieden.

So weit so gut. Bis vor relativ kurzer Zeit wurde jedoch ein weiterer Geschäftsbereich der Versicherungen wenig beachtet: das eigentliche Versicherungsgeschäft. Denn der Bau eines neuen Kohlekraftwerkes braucht ebenso eine Versicherung wie der Kraftwerksbestand eines Energieversorgers. Um den Neubau von Kohlekraftwerken zu verhindern und die Abschaltung existierender Kohlekraftwerke zu beschleunigen, fordert die Unfriend Coal Kampagne deshalb von Versicherern, nicht nur aus Kohleunternehmen zu divestieren, sondern auch keine Kohlekraftwerke mehr zu versichern.

 

Versicherungen für polnische Kohle

Recherchen von Unfriend Coal vom Februar 2018 zu polnischen Kohleunternehmen zeigen wie notwendig dieser Schritt ist. Polen hat die aggressivsten Kohle-Expansionspläne in Europa, polnische Energieunternehmen planen und realisieren neue Kohlekraftwerke und Kohleminen, obwohl die Luftverschmutzung in vielen polnischen Städten bereits heute gesundheitsgefährdend hoch ist. Dabei werden sie neben dem staatlichen polnischen Versicherer PZU u.a. von Töchtern der Allianz, der Munich Re/Ergo und von Generali abgesichert. Allianz und Munich Re Töchter haben seit 2013 mindestens elf Versicherungsverträge für polnische Kohlefirmen abgeschlossen. Solche Unterstützung seitens der Versicherer ist für Kohlefirmen, die in vielen Fällen mit finanziellen Schwierigkeiten kämpfen, überlebenswichtig.

Die Allianz zum Beispiel steht an der Spitze eines Konsortiums von Versicherern für den derzeit größten Kohlekraftwerks-Neubau innerhalb der EU im polnischen Opole. Dieser wird vom Staatskonzern PGE geplant. Er soll eine Leistung von 1.800 Megawatt haben und den Betrieb im nächsten Jahr aufnehmen. Schon jetzt liegen die klimaschädlichen CO2-Emissionen des Kraftwerks bei rund 5,8 Millionen Tonnen pro Jahr. Zum Konsortium gehört auch die Munich-Re-Tochter Ergo Hestia. PGE hatte das milliardenschwere Projekt wegen finanzieller Risiken 2013 auf Eis gelegt, das Bauprojekt jedoch auf Druck der polnischen Regierung wieder aufgenommen. (1)

Außerdem haben Allianz- und Munich Re-Töchter zusammen mit zwei weiteren Versicherern 2016 die Absicherung der Kraftwerke und Minen des polnischen Konzerns ZE PAK bis 2019 verlängert: Sie bieten somit einem Konzern finanzielle Planungssicherheit, der drei neue Tagebaue mit insgesamt mehr als 1 Milliarde Tonnen Braunkohle für die Verfeuerung in Kraftwerken eröffnen will (in etwa so viel wie im deutschen Braunkohletagebau Garzweiler lagert). Gegen den Widerstand der Bevölkerung vor Ort.

Kuba Gogolewski, von der polnischen NGO-Stiftung „Development YES Open-Pit Mines NO“ fordert Konsequenzen von den Versicherern: „Polnische Kohleunternehmen gefährden mit ihren aggressiven Wachstumsplänen die globalen Anstrengungen zur Bekämpfung des Klimawandels. Unternehmen, die sie versichern und finanzieren, können sich nicht länger wegducken und müssen jetzt handeln, wenn sie ihren Ruf wahren wollen.“

Einige Versicherer sind diesen Schritt bereits gegangen: AXA und SCOR schließen die Versicherung von Kohleprojekten aus (SCOR zumindest für Braunkohlekraftwerke) und auch Zürich und Swiss Re planen den Ausschluss von Kohleversicherungen. Allianz und Munich Re lassen mit ähnlichen Aktionen auf sich warten. urgewald hat deshalb einen Aufruf an die Chefs beider Versicherer gestartet, zukünftig keine Kohlekraftwerke und –minen mehr zu versichern.


Quelle: (1) „Dirty Business – Insurance companies supporting the growth of Polish coal“ Unfriend Coal Campaign 2/2018

Information zur Autorin
Regine Richter arbeitet seit 2001 bei der Umwelt- und Menschenrechtsorganisation urgewald zu Energiethemen. Sie beschäftigt sich mit öffentlichen und privaten Banken und staatlichen (Hermesbürgschaften) sowie privaten Versicherungen.