Datum: 10.11.05

Endspiel   -   Erneuerbare gegen Kohle

Überlegungen zum strategischen Einsatz der Bioenergie
Von Wolf von Fabeck

Im Folgenden werden die Begriffe "Biomasse" und "Bioenergie" als gleichwertige Synonyme verwendet. Gemeint ist jeweils der Oberbegriff zu fester, flüssiger und gasförmiger Biomasse

Wir stehen vor dem "Endspiel": Erneuerbare gegen Kohlekraft

Was für Kraftwerke werden gebaut werden, wenn in wenigen Jahren etwa ein Drittel der deutschen Kohlekraftwerke wegen Überalterung vom Netz gehen müssen? Wir ahnen es schon.
 
Die Stromwirtschaft will ein Drittel ihrer Kohlekraftwerke durch neue Kohlekraftwerke ersetzen.

Wenn dieser Plan umgesetzt wird, ist die Energiewende auf den St. Nimmerleinstag verschoben. Wir dürfen es nicht dazu kommen lassen!
 
Wir brauchen stattdessen einen Energiemix aus Wind-, Solar-, Bioenergie- und Speicherkraftwerken.

Die Argumentationslage ist gut, denn die bisherigen Argumente unserer Gegner wenden sich jetzt gegen sie. Denken wir nur an das Geschrei, welches die Stromwirtschaft und ihre Großkunden seit drei Jahren wegen der lächerlichen EEG-Umlage veranstalten! Es müsste dann eigentlich ein viel, viel größeres Lärmen ausbrechen, wenn die Strompreiserhöhungen zum Bau der neuen Kohlekraftwerke angekündigt werden. Doch bisher spricht noch niemand davon. Wir sollten aber davon sprechen!
 
Neue Kohlekraftwerke, das bedeutet erhebliche Strompreissteigerungen, denn die Kosten der Neubauten müssen auf die Stromkunden umgelegt werden (was bei den alten Kraftwerken nicht mehr nötig war, denn die sind längst abbezahlt).

Die Stromverbraucher mit dem Bau einer längst überholten Technik finanziell zu belasten, ist volkswirtschaftlicher Irrwitz!


Gefährdung der Versorungssicherheit?

Aber die Stromwirtschaft wird damit argumentieren, dass die Versorgungssicherheit gefährdet sei, weil Solar- und Windanlagen Strom nicht immer erzeugen können und dass deswegen neue Kohle- und Gaskraftwerke unverzichtbar seien.

Ausgleich zwischen Stromangebot und Stromnachfrage

Analysieren wir das Problem genauer, dann zeigt sich, dass es aus zwei Anteilen besteht.
  1. Die Unregelmäßigkeit der Stromnachfrage im Verlauf eines Tages, die besonders durch die Mittagsspitze und die Abendspitze charakterisiert wird, die insgesamt aber einem regelmäßigen Tagesgang folgt.
  2. Die Unregelmäßigkeit des Dargebots an Sonne und Wind, die zum einen einen Tagesgang, zum anderen einen Jahresgang und schließlich noch einen vom Wettergeschehen abhängigen Verlauf aufweist.

Beide Anteile brauchen zum Ausgleich Kraftwerke, die Strom auf zeitlichen Abruf liefern können. Bisher wurde der Ausgleich durch die konventionellen Mittellast- und Spitzenlastkraftwerke (einschließlich Speicherkraftwerke) der Stromwirtschaft geleistet. Die bisher von den Erneuerbaren Energien eher unabsichtlich geleisteten Beiträge - Solarstrom zur Zeit der mittäglichen Spitzenlast und Windenergie mit einem höheren Stromangebot am Tage als des Nachts - wurden in der Öffentlichkeit nicht wahrgenommen. Zukünftig müssen die Erneuerbaren Energien diesen Anteil nicht nur bewusster darstellen, sondern vor allem ihn zielbewusst ausbauen.

Für den ersten Anteil kommen Biomassekraftwerke in Frage, die sowohl wegen der kontinuierlichen Nachlieferung des Brennstoffs als auch wegen der von ihnen in KWK zu liefernden Wärme auf eine gewisse zeitliche Regelmäßigkeit angewiesen sind.

Für den zweitgenannten Anteil, der in Zukunft immer größer werden wird, kommen außer den Biomassekraftwerken zukünftig zentrale und dezentrale Speicherkraftwerke in Frage, die den zu erwartenden Wind- und Solarstromüberschuss speichern und bei Bedarf wieder abgeben. Dieses Thema werden wir in einer späteren Arbeit eingehender behandeln.

Außerdem ist auf mittlere Sicht auf der Verbrauchsseite ein Lastmanagement unumgänglich. Dazu gehört eine ständige preisliche Bewertung des Stroms nach Angebot und Nachfrage sowie die ständige Mitteilung des aktuellen Strompreises über ein Rundsteuersignal entsprechen den Vorschlägen von Dr. Jan Tönnies, Kiel. Mailto: boehmert@foni.net

Biomasse nutzt ihre Stärke nicht

Der Ausgleich der wechselnden Stromnachfrage im 24-Stundenverlauf ist ein seit langem existierendes Problem, dessen Lösung schon längst von der Bioenergie hätte übernommen werden sollen.

Biomasse KANN zeitlich gezielt eingesetzt werden (genauer gesagt - KÖNNTE), aber sie wird es bisher nicht.

Hier liegt ein strategisches Versäumnis vor, das so rasch wie möglich ausgeglichen werden müsste! Das Versäumnis ist nicht den Betreibern der Biomasse-Anlagen anzulasten. Es liegt vielmehr bereits im EEG verborgen, welches die Bioenergie mit den anderen Erneuerbaren Energien über einen Kamm scheert, indem es eine Mindestvergütung pro gelieferter Kilowattstunde vorsieht, unabhängig davon, wann die Stromlieferung erfolgt.

Eine Anlage zur Biomasseverstromung kann intelligentere Dinge tun, als rund um die Uhr Strom zu liefern (wie ein dummes Atomkraftwerk); sie kann vielmehr genau dann einspringen, wenn Sonne und Wind nicht ausreichen.

Noch einmal: Bioenergie kann genau dann einspringen, wenn Spitzenlastbedarf im Netz herrscht.

Diese Aufgabe ist von überragender Wichtigkeit; sie wurde aber ohne Notwendigkeit bisher der konventionellen Stromwirtschaft überlassen.

Wer kostbare Bioenergie zu solchen Tageszeiten verstromt, in denen ohnehin genügend Strom im Netz vorhanden ist, verschleudert wichtige Ressourcen!
Ein Anreiz zum Verstromen von Biomasse rund um die Uhr ist nicht mehr zeitgemäß.
Stattdessen brauchen wir einen massiven Anreiz zum Verstromen von Biomasse genau zu den Tageszeiten, an denen im Netz Strommangel herrscht. Dies sollte rasch in einem Biomasse-Vorschaltgesetz zum EEG nachgeholt werden.

Diskussionsentwurf für ein Biomasse-Vorschaltgesetz zum EEG