Datum: 08.04.2004

DER SPIEGEL - Vorurteile statt Hintergrundbericht


Einseitigkeit in der Berichterstattung des SPIEGEL

Zwei SPIEGEL-Berichte haben für Wirbel gesorgt. Eine Geschichte, die erschienen ist - und eine Geschichte die nicht erscheinen durfte.

Die Spiegel-Titelgeschichte "Windmühlenwahn" verbreitete die von der Energiewirtschaft genährten Vorurteile gegen die Windenergie.
Nicht erscheinen hingegen durfte ein Hintergrundbericht über die deutsche Energiepolitik, den die Spiegel-Redakteure Harald Schumann und Gerd Rosenkranz geschrieben hatten. Anders als beim "Windmühlenwahn" ging es um die großen Zusammenhänge und die unterschiedlichen Interessen der Akteure, insbesondere der Stromwirtschaft.

Auch in der Spiegel-Redaktion wurde diskutiert. Etliche Redakteure bemängelten, mit der inneren Pressefreiheit des Magazins sei es nicht mehr weit her. Redakteur Schumann sorgte für einen Eklat und kündigte - nach 17 Jahren als Spiegel-Redakteur. Der Familienvater, bekannt auch als Autor des Bestsellers "Die Globalisierungsfalle", hat ECOreporter.de den Abdruck seines nicht veröffentlichten Spiegel-Beitrags erlaubt (bitte beachten: auch diese ECOreporter.de-Veröffentlichung ist Copyright-geschützt! Sie können aber gerne auf ECOreporter.de verlinken.)

Es folgt ein kurzer Auszug. Der Beitrag ist vollständig und mit Bildmaterial zu finden bei Ecoreporter (kostenpflichtig)

Machtkampf um den Energiemix
Von Gerd Rosenkranz und Harald Schumann

Die Stromwirtschaft steht vor gewaltigen Umwälzungen: Ein Drittel des Kraftwerksparks muss erneuert werden - die ideale Gelegenheit für mehr Wettbewerb und Klimaschutz. Doch das Duopol von RWE und E.on blockiert mit aller Macht neue Konkurrenten aus der Wind- und Gaskraftbranche.

Ein Parkplatz, ein zweistöckiger Plattenbau, ringsum Felder und Strommasten - das Gebäude am Ende der Straße «Vor dem Nordwald« in Lehrte bei Hannover macht nicht viel her; doch der Schein trügt.

Denn hier, in der »Hauptschaltleitung« der Firma E.on Netz, hat eine Handvoll Ingenieure die Macht über Chaos und Ordnung in Deutschland. Abgeschirmt hinter Sicherheitsschleusen und schusssicherem Glas steuern sie rund um die Uhr ein technisches Wunderwerk für 30 Millionen Stromkunden zwischen Flensburg und München: Die Stabilität der Stromversorgung.

Weil Elektrizität nicht speicherbar ist, muss jederzeit genau so viel ins Netz eingespeist werden, wie auch nachgefragt wird - für Techniker wie Markus Wallura, 36, »ein toller Job«. Im Takt von Millisekunden liefern über hundert Kraftwerke, Überlandleitungen und Unterverteiler die notwendigen Daten auf die fünf Bildschirme an seinem Arbeitsplatz. Gleich ob ein Atomkraftwerk abgeschaltet wird, ob in der Halbzeitpause eines Länderspiels Millionen Kühlschränke anspringen oder ob auffrischender Wind ein paar tausend Windgeneratoren in Gang setzt: Die E.on-Techniker und ihre Mitstreiter in den anderen drei deutschen Stromleitstellen müssen die Schwankung ausgleichen. Mal fahren sie per Mausklick Wasserkraftturbinen binnen Sekunden hoch- und wieder runter, mal muss der Reservedampf eines Kohlemeilers schnell zu Strom gemacht werden, dann wieder erhält der Leiter des konzerneigenen Kraftwerksparks die Aufforderung, eines seiner Atomkraftwerke zu drosseln.

Noch vor drei Jahren, so berichtet der Meister der Strombalance, »war das eher langweilig«. Fast alles lief nach Plan, der Elektrizitätsbedarf der Massengesellschaft ist vorhersagbar und den Saft lieferten die E.on-Kraftwerke. Doch seitdem Strom europaweit wie eine Ware gehandelt wird und Wind-, Wasserkraft- oder Biogasanlagen Vorfahrt bei der Stromlieferung haben, ist alles anders. »Jetzt toben sich in unserm Netz alle möglichen Leute aus«, freut sich Wallura. »Nun ist immer was los, das macht es interessant.« [...]

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Weitere Auszüge:

Das Oligopol der Konzerne steht in Frage

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«Marktbeherrschendes Duopol»

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Die Mär von der teuren Regelenergie

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Abzocke mit der Kraft-Wärme-Koppelung

Emissionshandel: Milliarden-Poker um heiße Luft