Musterprozeß wegen Stop and Go
beim 100.000 Dächerprogramm?

Müssen sich Solarfreunde alles gefallen lassen? Der SFV bittet um Mithilfe bei der „Beweissicherung" für eine eventuelle Schadenersatzklage

Wolf von Fabeck

Zur Vorgeschichte

Als im Entwurf des Gesetzes für den Vorrang Erneuerbarer Energien (EEG) eine Einspeisevergütung von 99 Pf/kWh festgelegt wurde, kam gleichzeitig die Frage auf, ob und wie die parallel laufende Förderung durch das 100.000 Dächerprogramm weitergeführt werden würde. Die Abgeordneten der rot-grünen Koalition gingen davon aus, daß das Programm beibehalten werden würde. Sie haben an ihrem Willen keinen Zweifel gelassen und sogar in der Gesetzesbegründung des EEG auf das 100.000 Dächerprogramm ausdrücklich hingewiesen.

Leider läuft das 100.000-Dächerprogramm aber nicht unter der Regie der rot/grünen Abgeordneten, sondern unter der des Bundeswirtschaftsministeriums, welches an einer effektiven Förderung der Solarstromgewinnung noch niemals besonderes Interesse gezeigt hat. Es war deshalb zu befürchten, daß das 100.000 Dächerprogramm nach Inkrafttreten des neuen EEG verschlechtert werden würde. Fraglich war nur, ab wann die Verschlechterung eintreten würde.

Zunächst hieß es noch von Seiten des Ministeriums und der von ihm beauftragten Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW), es würden alle vor Inkrafttreten des EEG bei der KfW eingehenden Kredit-Anträge noch nach den alten Bedingungen genehmigt:

- Kredit in Höhe von 100% der Investitionssumme

- Zinssatz von null Prozent

- Erlaß der letzten Jahrestilgung

- Möglichkeit der Auszahlung des Barwerts.

Daraufhin gab es einen Run auf die 100.000 Dächerkredite. Das ursprünglich geplante Kreditvolumen wurde weit überreizt. Tausende von bauwilligen Solarfreunden versuchten noch vor dem 1. April ihre Anträge vollständig bei der KfW abzugeben, teilweise sogar per Telefax.

Entgegen seiner Zusage stoppte dann aber das Bundeswirtschaftsministerium am 1. April (dem Tag des Inkrafttretens des EEG) die Bearbeitung aller Kreditanträge. Seitdem liegen viele tausend bis dahin eingegangene und außerdem alle darauf folgend weiter eingehenden Anträge unbearbeitet bei der KfW.

Finanzieller Schaden?

Für Tausende von Solarfreunden ist erheblicher finanzieller Schaden entstanden.

Wer mit dem Bau seiner Anlage bereits begonnen hat, muß sich das fehlende Geld bei steigenden Zinsen auf dem Kreditmarkt leihen.

Wer den Bau seiner Anlage zurückstellen mußte, wird nun wegen steigender Solarmodulpreise mehr bezahlen müssen.

Wer den Bau einer großen Anlage zurückstellen muß, hat möglicherweise einige Planungskosten in den Sand gesetzt.

Wer als Installateur einen lukrativen Vertrag abgeschlossen hatte, dem entgeht der Gewinn.

Sicher gibt es noch weitere nachweisliche finanzielle Schäden.

Musterprozeß

Eine derart massive Behinderung der Markteinführung sollte von der Solarszene nicht ohne Gegenwehr hingenommen werden. Vielleicht wäre ein Musterprozeß ein angemessenes Signal.

Der SFV kann einen solchen Prozeß nicht selber führen, da wir keinen 100.000 Dächer-Antrag gestellt haben und deshalb nicht direkt geschädigt sind. Nur wer einen finanziell bezifferbaren Schaden erlitten hat, kann Schadenersatz verlangen. Wir stehen jedoch in Kontakt zu einem Rechtsanwalt, der Vorbereitungen für einen solchen Prozeß trifft. Gesucht werden Geschädigte und Beweise.

Kein Rechtsanspruch auf Förderung?

Auf die Förderung nach dem 100.000 Dächerprogramm besteht kein Rechtsanspruch. Mit dieser Feststellung wurden bisher alleFragen nach Schadenersatzanspruch zurückgewiesen.

Doch ganz so einfach kann es sich eine staatliche Diensstelle nun doch nicht machen. Die Bürger haben Anspruch auf Einhaltung gegebener Versprechen.

Außerdem, in einer Situation, in der der plötzliche Übergang zu ungünstigeren Förderbedingungen zu erwarten ist, in der die Reihenfolge des Eingangs also eine wesentliche Rolle spielt, darf es nicht vorkommen, daß Antragsteller vorgezogen oder zurückgestellt werden.

 

„Beweissicherung" für Nichteinhaltung eines Versprechens

Gesucht werden schriftliche Zusagen des Bundesministeriums für Wirtschaft oder der KfW, wonach bei Eingang der Anträge bis zum 31.3.00 noch eine Bearbeitung nach den alten Richtlinien erfolgen würde.

 

„Beweissicherung" für Nichteinhaltung der Bearbeitungsreihenfolge

Gesucht werden Belege dafür, daß später eingegangene Kreditanträge bewilligt wurden, während früher eingehende Anträge unbearbeitet blieben. Dazu haben wir vor, eine Statistik zu erstellen, die wir bei Gelegenheit auch veröffentlichen wollen. Eine solche Übersicht können wir allerdings nur erstellen, wenn sich viele Antragsteller melden.

Damit diese Statistik möglichst vollständig wird, sind natürlich gerade auch diejenigen um Mithilfe gebeten, deren Anträge zügig bearbeitet wurden.

 

Auswahl der Geschädigten

Es geht nicht um einen Sammelprozeß, sondern um einen Musterprozeß, den Prozeß eines einzelnen Geschädigten. Der mit der Vorbereitung betraute Rechtsanwalt wird aus der Zahl ihm bekanntwerdender Fälle diejenigen mit der höchsten Schadenssumme und der eindeutigsten Beweislage heraussuchen, um - bei Einverständnis des Betroffenen - Schadenersatzklage zu erheben. Wenn gute Aussichten auf Erfolg bestehen, können mögliche Prozeßkosten von einem Prozeßkostenfonds übernommen werden. Auf jeden Fall ist es dann immer noch die Entscheidung der Angeschriebenen, ob sie sich auf einen solchen (Muster)prozeß einlassen.

 

Nutzen für alle

Auch diejenigen, die „nur" zur ,Beweissicherung’ beigetragen haben, werden davon profitieren. Möglicherweise ergibt sich ein Präzedenzfall, der ihnen den Weg ebnet. Wie die vielen übrigen Betroffenen sich dann entscheiden - ob statsächlich den Klageweg beschreiten, bleibt ihnen weiterhin überlassen.

Im übrigen aber halten wir das Vorgehen insgesamt für geeignet, das Problem der Behinderung in die Öffentlichkeit zu tragen.

 


Bitte nicht verwechseln!

Dem Gesetz für den Vorrang Erneuerbarere Energien (EEG) der rot/grünen Regierungskoalition gebührt die volle Zustimmung aller Umweltfreunde!
Dagegen erweist sich das 100.000-Dächer-Programm des Bundesministers für Wirtschaft als wahrer Bremsklotz.


 Richtlinien im 100.000 Dächerprogramm noch immer unvollständig !!

Vorab: Bis Redaktionsschluß am 27.06.00 gab es immer noch keine endgültigen Richtlinien für die Bewilligung von 100.000 Dächer-Krediten.

Teilnehmer an der [sfv-betreibermail] werden auch zukünftig von uns umgehend über neue Entwicklungen des Förderprogramms informiert. Anmeldung für diesen Rundmaildienst unter zentrale@sfv.de

Folgende Änderungen gegenüber der bis 1. April geltenden Regelung sind am 10. Mai bekannt gemacht worden:

-Gefördert werden sollen Solarstromanlagen von Privatpersonen bis 5 kWp bis zu einer Förderobergrenze von 13.500 DM/kWp; der darüber hinausgehende Leistungsanteil bis zu 6.750 DM je kWp.

-Für Gewerbetreibende und freiberuflich Tätige soll eine Fördergrenze von 6.750 DM/kWpangesetzt werden.

-Der Erlaß der letzten beiden Halbjahresraten soll wegfallen.

-Ab sofort wird der Kredit nicht mehr zinslos gewährt. Der Zinssatz wird zum Zeitpunkt der Kreditzusage festgelegt und gilt für die gesamte Kreditlaufzeit. Er soll (voraussichtlich) 4,5 Prozent unter den marktüblichen Kapitalzinsen liegen.

-Eine Auszahlung des Barwertes des Kredites ist nicht (mehr) möglich.

-Anträge, für die bisher keine Bewilligung erteilt wurde - unabhängig davon, ob sie vor dem 01.04.00 bei der KfW eingegangen sind - sollen nach den neuen Konditionen bearbeitet werden.

Wann die Bearbeitung der Kreditanträge weiterlaufen soll, ist unklar. Es fehlt noch eine verbindliche Angabe der Zinshöhe und es war unbekannt, ob die vorgesehene Förderobergrenze mit oder ohne MWSt. zu verstehen ist. Auch war unbekannt, ob für Betreiber, die einen Totalgewinn erzielen würden, nur die für Gewerbetreibende geltende Förderobergrenze von 6.750 DM/kWp gelten soll.