Freund oder Feind?

Sind alle Ökostrom-Handelsgesellschaften Agenturen der Stromwirtschaft mit dem geheimen Ziel, StrEG und KV auszuhebeln, oder gibt es auch Gesellschaften, die den erneuerbaren Energien zum Durchbruch, zumindest aber zum weiteren Vorankommen verhelfen wollen?
Wolf von Fabeck

Ökostrom-Handelsgesellschaften wurden sowohl aus dem Kreis der Stromwirtschaft heraus als auch aus Kreisen der Umweltbewegung gegründet

Die Tatsache, daß die die Elektrizitätswerke Schönau (Stromverkauf unter dem Slogan "Watt ihr Volt") oder die Naturstrom AG (nicht zu verwechseln mit der Naturstrom Rheinland Pfalz AG oder der Naturenergie AG) von engagierten Mitgliedern der Umweltbewegung gegründet wurden, die Naturenergie AG dagegen eine Ausgründung des stromwirtschaftlichen Hardliners, Kraftwerke Rheinfelden (KWR) ist, legt zwar die Vermutung nahe, daß die erstgenannten Handelsgesellschaften als Freunde, letztere als Gegner der Energiewende anzusehen seien. Doch wir sollten unser Urteil auf weitere Indizien stützen.

Aktiengesellschaften sind dem Eigeninteresse ihrer Aktionäre verpflichtet

Die beste Absicht wird - wie die Erfahrung mit den konventionellen großen Energieversorgern zeigt - auf Dauer korrumpiert durch Eigeninteressen. Keine Aktiengesellschaft kann gegen ihre Geschäftsinteressen handeln, wenn es um ihr Wachstum und ihren Gewinn geht. Deshalb können wir dauerhafte Unterstützung unseres primären Ziels, der KV, nur von solchen Ökostromhändlern erwarten, für die aus strukturellen Gründen die KV im eigenen Interesse liegt. Und da sieht es bei den beiden erstgenannten Gesellschaften günstig aus. Das soll hier genauer erläutert werden.

Wie würde sich die Einführung der kostendeckenden Vergütung auf die verschiedenen Ökohandelsgesellschaften auswirken?

Die Naturstrom AG z.B. zahlt den Einspeisern von Solarstrom nur die Differenz zwischen der Mindestvergütung (16 Pfennig pro kWh) nach Stromeinspeisungsgesetz und der vollen kostendeckenden Vergütung (z.Zt. 1,76 DM/kWh). Je höher die Mindestvergütung wird, desto weniger muß die Naturstrom AG für den Einkauf von Solarstrom entrichten und desto billiger kann sie ihren Strom anbieten, oder desto höher kann sie den Anteil an Solarstrom in ihrem Strommix wählen. Wenn gesetzlich volle KV gezahlt würde, kann die Naturstrom AG den Erzeugern sogar noch einen Aufschlag anbieten und so aus der KV eine "GV" (gewinnbringende Vergütung) machen.

Andere Ökostromhändler aber, z.B. die Naturenergie AG, die bisher den Solarstromeinspeisern weniger als die KV zahlen, würden bei gesetzlicher Einführung der KV mehr zahlen müssen, um nicht ihre Lieferanten zu verlieren. Ihr Strom würde sich also verteuern. Ihr Interesse kann also die gesetzliche Einführung der KV nicht sein. Vielmehr sind die Chancen dieser Handelsgesellschaften umso größer, je schlechter die offizielle Vergütung für Solarstrom, Windstrom, Biomasse- und Wasserkraftstrom ist.

Der hier angesprochene entscheidende Unterschied zwischen den verschiedenenen Ökohandelsgesellschaften ergibt sich daraus, ob sie mit Strom handeln wie ein konventionelles EVU, oder aber ob sie mit einer Dienstleistung handeln, wie die Elektrizitätswerke Schönau oder die Naturstrom AG.

Die einen handeln mit Strom, die anderen handeln mit einer Dienstleistung

Die Dienstleistung, die die Naturstrom AG ihren Kunden anbietet, läßt sich umständlich, präzise am besten wie folgt beschreiben: "Ermöglichung des Neubaus(!) von Windanlagen, Solaranlagen und Biomasseanlagen". Die Elektrizitätswerke Schönau bieten die Dienstleistung an: "Ausbau eines atomstromfreien Stromnetzes in Bürgerhand". Was den Elektrizitätswerken Schönau oder der Naturstrom AG von Seiten der Stromwirtschaft höhnisch vorgeworfen wird, daß sie nämlich keine "echten Stromhändler", sondern "Spendensammler" seien, genau das macht sie uns zum Freund.

Entscheidend für den umweltbewußten Stromkunden ist nur eine Frage: Werden neue Anlagen gebaut?

Die Elektrizitätswerke Schönau und die Naturstrom AG verzichten auf das unsinnige Ritual der Durchleitung und beschränken sich auf das ökologisch Wesentliche, nämlich den Neubau(!) von Anlagen der erneuerbaren Energien. Wer bei diesen Gesellschaften Strom kauft, kann davon ausgehen, daß seine Mehrzahlungen zum Neubau von Anlagen beitragen, die sonst nicht gebaut würden.