Worüber die Europäische Kommission brütet

Rundbrief von Hans-Josef Fell (MdB) zum Thema Stromeinspeisung

Nach nur einer Woche ein neuer Rundbrief. Er beschäftigt sich ausschließlich mit dem im letzten Rundbrief angekündigten Arbeitspapier der Kommission mit dem Titel „Towards a single market for electricity from renewable energy sources". Der Inhalt dieses Papiers gibt Anlaß zu großer Besorgnis. Sollte sein Inhalt Wirklichkeit werden, könnte das in spätestens fünf Jahren das Aus für das Stromeinspeisungsgesetz und die Kostendeckende Vergütung bedeuten. Wir müssen daher schnell und mit aller Entschiedenheit aktiv werden. Wir müssen der Kommission, dem Parlament und dem Ministerrat klar machen, daß hier dem einzigen Modell, das sich in Europa bewährt hat, der Garaus gemacht werden soll. Adressaten für eine entsprechende Einflußnahme sind die Kommissare selbst mit ihren Kabinetten, insbesondere Kommissionspräsident Jaques Santer und der für Energie zuständige Kommissar Christos Papoutsis und im Kabinett Santer Herr Matthias Mors (Tel. 0032-2-299 3389) sowie im Kabinett Papoutsis der Kabinettschef selbst (Tel. 0032-2-296 3748),

Sonnige Grüße! Hans-Josef Fell (MdB) Bonn, den 12. März 1999

1. Das Arbeitspapier der Kommission (Umfang 35 Seiten) ist noch nicht veröffentlicht. Es soll erst am 23. März im Kabinett verabschiedet werden.

2. Das Arbeitspapier hat keine rechtliche Qualität, zeigt aber, in welche Richtung die Kommission gehen will und dient der Vorbereitung des Richtlinienvorschlags der Kommission an das Parlament und den Rat.

3. Das Arbeitspapier knüpft an den Harmonisierungsbericht vom März vergangenen Jahres (KOM(98)176) an. Triebkraft des Richtlinienvorhabens ist es - insofern konsequent - nach wie vor „Handel und Wettbewerb unter den Erneuerbaren Energien in der EU zu erreichen".

4. Die Kommission vergleicht in dem Papier die in den Mitgliedstaaten praktizierten Modelle zur Förderung der Stromerzeugung aus Erneuerbaren Fnergien, insbesondere Regelungen mit festen Einspeisevergütungen wie in Deutschland, Spanien und Dänemark und wettbewerbs-basierte Regelungen. Eine Analyse und ein Vergleich der Kostendeckenden Vergütung, die von vornherein die von der Kommission an den festen Einspeiseregelungen bemängelten Elemente vermeidet, findet überhaupt nicht statt.

Damit verstößt die Kommission nicht nur gegen entsprechende Beschlüsse des Europäischen Parlaments, sie vernachlässigt auch das einzige Modell, das für sämtliche Erneuerbaren Energien gleichermaßen erfolgversprechend ist.

5. Das Kapitel Über feste Einspeiseregelungen liest sich in weiten Teilen wie ein Generalangriff auf das deutsche Stromeinspeisungsgesetz.

a. Zwar erkennt die Kommission an, daß sich dieses Modell sowohl in absoluten Zahlen, als auch was den prozentualen Zuwachs anbelangt, als das mit Abstand erfolgreichste Modell herausgestellt hat. Auch wird die Notwendigkeit anerkannt, den Erzeugern von Strom aus Erneuerbaren Energien den Marktauftritt zu erleichtern und ihnen zu ermöglichen, eine vernünftige Rendite zu erwirtschaften, wofür ein stabiles Preis-Umfeld erforderlich sei, das den Investoren langfristige Kalkulationen ermögliche.

b. Gleichzeitig wiederholt dieKommission alte Argumente gegen das Stromeinspeisungsgesetz, die auch durch mehrfache Wiederholungen im Text nicht stichhaltiger werden. Es folgt an dieser Stelle nur eine Auflistung der Argumente der Kommission, ohne daß auf sie eingegangen werden kann. Wir werden an einer Stellungnahme arbeiten und diese zu gegebener Zeit veröffentlichen. Die Argumente der Kommission:

- das Wahlrecht der Kunden, Elektrizität bei einem billigeren Anbieter zu erwerben, zwinge den Energieversorger, die bei festen Einspeisevergütungssätzen entstehenden Mehrkosten auf eine geringere Zahl von Kunden umzulegen, was wiederum - einem Teufelskreis gleich - einen Teil der Kunden zu einem Wechsel des Lieferanten bewege.

- die gezahlten Vergütungen orientierten sich nicht an Marktpreisen und berücksichtigten fallende Erzeugerkosten infolge technologischer Fortschritte nicht. Daher sei mittelfristig doch eine Preisangleichung durch den Gesetzgeber erforderlich, die dann doch wieder zu Unsicherheiten führe.

- Feste Einspeiseregelungen führten zu Monopolgewinnen (insbesondere weil die Vergütungsregelungen auf die schwächsten Erzeuger abgestimmt seien) und seien mittelfristig nicht vereinbar mit Wettbewerbsregelungen des EG-Vertrags.

- Der Handel mit Strom aus Erneuerbaren Energien zwischen den Mitgliedstaaten würde erschwert.

- Es finde kein Wettbewerb statt. Wettbewerbsvorteile wie Innovation und Preisreduktion würden sich deshalb nicht einstellen. Die Stromerzeuger hätten kein Interesse daran, in Wettbewerb zu treten oder Elektrizität unter dem garantierten Einspeisepreis anzubieten, auch wenn die Gestehungskosten niedriger lägen.

- Das System könne nicht flexibel schnell genug auf Preisreduktionen reagieren.

6, Dem Modell „feste Einspeisevergütungen" stellt die Kommission das sogenannte

wettbewerbsorientierte System" gegenüber, ohne dieses Modell kritisch zu hinterfragen.

a. Stichhaltige Argumente für die Einführung dieses Systems liefert die Kommission - abgesehen von dem stereotyp wiederholten Gedanken, der Wettbewerb werde alles richten - nicht. Sie beschränkt sich vielmehr hauptsächlich auf den Versuch, Einwände zu widerlegen. Im einzelnen schreibt die Kommission:

- Durch Wettbewerb würden Innovationen und sinkende Preise angeregt. Das hätten Erfahrungen in anderen Bereichen wie der Telekommunikation bewiesen.

- Es sei keine anhaltende regelnde Kontrolle nötig, der Markt regle alle Fragen selbst. Dieses System biete deshalb größere Sicherheit und Voraussehbarkeit als feste Einspeisevergütungen.

- Größere Sicherheit sei auch deshalb gegeben, weil die Vergütungen sich nach geschlossenen Verträgen richten würden und nicht von den Launen einer Regulierungsbehörde abhängig seien.

- Es gebe Möglichkeiten, die unterschiedliche Wettbewerbsfähigkeit verschiedener Arten der Stromerzeugung aus Erneuerbaren Energien zu integrieren.

- Der Mißerfolg in Großbritannien sei nur auf Schwierigkeiten bei der Plangenehmigung für Erzeugungsanlagen zurückzuführen, nicht auf Fehler im System.

b. Nachteile dieses Systems kann die Kommission offensichtlich nicht entdecken. Daß dieses Modell bislang in keinem Mitgliedstaat Erfolge hinsichtlich der installierten Leistung aufweisen kann, scheint die Kommission nicht anzufechten.

7. Die Kommission listet weiter den möglichen Inhalt eines Richtlinienvorschlags auf, der dem ersten Anschein nach weitestgehend den in den letzten Monaten kursierenden internen Entwürfen der Kommission entspricht. Allerdings will die Kommission die Übergangsfrist, in der etwa das Stromeinspeisungsgesetz oder die Kostendeckende Vergütung auslaufen müßten, auf drei oder fünf Jahre verkürzen. Zwar ist eine Verlängerung nicht ausgeschlossen, letztlich aber vom Wohlwollen der Kommission abhängig, das offensichtlich nicht besonders groß ist.

Über weitere Entwicklungen werden wir regelmäßig informieren.

Kommentar des Solarenergie-Fördervereins

Die in der Einleitung erwähnten Adressaten für Protestbriefe entfallen zwar infolge des Rücktritts der Kommission, jedoch bleibt die Sachbearbeiterebene von diesem Rücktritt unberührt. Das Thema ist keinesfalls vom Tisch.

Da einige Argumente gegen das Deutsche Stromeinspeisungsgesetz durchaus ihre Berechtigung haben, besteht die dringende Notwendigkeit einer sachlichen Auseinandersetzung.

Dazu sollte zunächst die Berechtigung der einzelnen Vorwürfe geprüft werden.

Wenn es den Verbänden der erneuerbaren Energien nicht gelingt, auf berechtigte Beanstandungen der Kommission angemessen durch eigene Vorschläge zu reagieren, braucht sich niemand zu wundern, wenn das Stromeinspeisungsgesetz gekippt wird. Die Alternative wäre eine Quotenregelung, die wir alle nicht wünschen.

Deswegen:

Mitarbeit ist gefragt!!!