Der brave Mann denkt an sich selbst zuletzt

Warum Solarfreunde unbedingt draufzahlen wollen.
Wolf von Fabeck

100.000 Dächer sind ein guter Anfang, aber sie reichen nicht für die Energiewende. Ich will hier nicht vorrechnen, wieviel Millionen Dachbesitzer darüberhinaus überzeugt werden müssen. Doch kommen erste Zweifel auf, ob das Potential an Idealisten überhaupt ausreichen wird.

Aber Renditen für Solaranlagen? Da sehen sogar viele Grüne rot! Selbst bekannte Vorkämpfer für die Photovoltaik, z.B. Dr. Joachim Nitsch von der DLR, gehen davon aus, daß den Betreibern von Photovoltaikanlagen ein „Selbstbehalt" (so umschreibt man dezent ein finanzielles Opfer) zugemutet werden müsse. Wer eine Solaranlage baut, muß draufzahlen. Wer dagegen sein Geld mit dem Spalten von Atomen oder mit dem Verbrennen von Kohle verdient, darf Gewinne machen; eigentlich „verkehrte Welt".

Viele Solarfreunde genieren sich offenbar, marktwirtschaftliche Regeln bei der Werbung zukünftiger Anlagenbetreiber anzuwenden. Sie fühlen sich wohl einer Elite zugehörig und erbauen sich an der Mär vom braven Mann, der das Notwendige tut und nicht nach dem Lohn fragt. Doch sei hier die Anmerkung erlaubt, daß bereits zu Friedrich Schillers Zeiten der „brave Mann" die rühmliche - bedichtenswerte - Ausnahme war.

Andere Energietechniken haben mit der Renditefrage weniger Probleme: Bei Wasserkraft, Windenergie und Biomasse-Nutzung ist unter Umweltfreunden anerkannt. daß die Anlagen wirtschaftlich betrieben werden müssen, doch bei PV wird eine Ausnahme gemacht und das - wie schon gesagt - auch von den Solarfreunden selber.

Die Begründungen, die man zu hören bekommt, sind hochgradig emotional, aber kaum logisch. Einige davon möchte ich deshalb unter die Lupe nehmen:

Es sei verfehlt, Solaranlagen unter dem Gesichtspunkt der Wirtschaftlichkeit zu betrachten, heißt es zum Beispiel. Bei einer Leder-Couch-Garnitur oder beim schnittigen Sportauto würde man ja auch nicht fragen, ob sie sich „rechnen". Wer so spricht, besitzt und besaß vermutlich weder Leder-Couch noch Sportwagen, sonst würde er etwas mehr über deren Verwendungszweck und Unterhaltungswert wissen: Leder-Couch und Sportwagen dienen der Befriedigung persönlicher Vorlieben. Solaranlagen dagegen dienen dem Allgemeinwohl, etwa wie eine Spende für Misereor.

So gilt es als völlig normal, daß jemand mit seinem Sportwagen angibt. Wer aber mit seiner Spende für Misereor oder mit seinem finanziellen Opfer für eine Solaranlage protzt, der wird milde belächelt und unter „Heilsarmee und so" eingeordnet, mal davon abgesehen, daß es als peinlich gilt, mit guten Taten zu protzen! Erst, wer darauf hinweisen kann, daß er „echt Cash" mit seiner Anlage macht, kann sich der wohlwollenden Aufmerksamkeit einer ganzen Abendgesellschaft sicher sein.

Betrachten wir weitere Argumente:

PV sei so extrem teuer, daß die Netzeinspeiser unmöglich verlangen könnten, 100 % ihrer Ausgaben bezahlt zu bekommen. Gegenfrage: Gilt diese „Regel" eigentlich auch beim Verkauf von Früh-Kartoffeln?

Oder ähnlich wie das „Sportwagenargument": Wer eine Solaranlage betreibt, habe davon einen hohen Imagegewinn. Das müsse ihm einen gewissen Eigenanteil wert sein. Hier liegt die Frage nahe, wie das denn mit dem Imagegewinn bei Betreibern von Kernkraftwerken gesehen wird. Deren Ansehen ist inzwischen wohl so ramponiert, daß sie nur noch mit hohen Gewinnen bei der Stange gehalten werden können, oder?

Die PV-Technik sei noch so unausgereift, heißt es weiterhin. Sie nutze trotz hohen finanziellen Aufwandes die Kraft der Sonne nur sehr unvollständig aus. Deshalb müßten ihre Betreiber doch bitte sehr einen Teil der Ausgaben selber tragen. Man spürt geradezu den stillen Vorwurf gegenüber den unbelehrbaren Betreibern, die bedenkenlos das gute Geld der Stromkunden für eine unsinnige Spielerei verschwenden, anstatt abzuwarten, bis das erbärmliche Preis-Leistungsverhältnis irgendwie von selbst (?) günstiger geworden sein wird.

Die PV-Technik sei noch so störanfällig, besagt ein ähnliches Argument, deshalb müßten ihre Anwender einen Teil des finanziellen Risikos selber tragen und nicht alles den Stromkunden aufbürden. Sonderbar, in anderen Bereichen der Wirtschaft wird dem, der sein Geld anlegen soll, ein Risikozuschlag, z.B. eine höhere Verzinsung, angeboten, nicht aber ein finanzieller Abzug.

Die Solarenergie wäre unter allen erneuerbaren Energien noch am weitesten entfernt von der Wirtschaftlichkeit, deshalb dürfe Solarstrom nicht kostendeckend vergütet werden. Diese Behauptung bekommt man oft zu hören. Doch ist die Überlegung genauso unsinnig, als würden die Eltern einer Kinderschar ihr Jüngstes nur mit Wassersuppe füttern, „weil die Kleine doch noch nicht ihre Kartoffeln selber schälen kann".

Nur die Wohlhabenden können sich PV-Anlagen leisten, heißt es weiter. Von denen aber könne mit Fug und Recht verlangt werden, daß sie einen Eigenanteil übernehmen. Dieses Argument klingt so edel, als stamme es direkt aus dem Grundgesetz, Artikel 14, soziale Verpflichtung des Eigentums. Doch Grundgesetzartikel lassen sich meist nicht unmittelbar anwenden. (Mein Grundrecht auf Leben und unversehrte Gesundheit z.B. verbietet dem Nachbarn das Autofahren noch lange nicht.) Der Appell an die Wohlhabenden bewirkt also nichts. Erst müssen Ausführungsbestimmungen erlassen werden, z.B. „Jeder Hauseigentümer ist verpflichtet zur Errichtung einer Solaranlage" etc. Ich bezweifle allerdings, daß diejenigen, die ein finanzielles Opfer der Anlagenbetreiber verlangen, an eine gesetzliche Bestimmung denken. Ihnen bereitet wahrscheinlich eher der Sozialneid gewisse Probleme. Würden sie genauer nachdenken, so würde Ihnen auffallen, wie unsozial ihre Forderung ist. Denn gerade die Forderung, daß die Anlagenbetreiber draufzahlen sollen, macht es dem Durchschnittsverdiener schwer, eine Anlage zu errichten.

Die genannten Beispiele sollten eigentlich genügen, um die Dürftigkeit der verwendeten Argumente zu verdeutlichen. Doch ein weiteres, taktisches Argument, genauso unsinnig wie alle vorhergehenden und nur hinter vorgehaltener Hand verbreitet, will ich Ihnen nicht vorenthalten:

Das Bundeswirtschaftsministerium würde eine kostendeckende Vergütung von Solarstrom ohnehin nicht akzeptieren und deshalb wären wir gut beraten, unsere Forderungen zurückzunehmen. Was soll man dazu sagen? Teppichhändler können vermutlich geschickter verhandeln, und selbst die beginnen üblicherweise nicht mit einem Kompromißangebot. Hier geht es aber um mehr als um Teppiche, es geht um den Erhalt der Umwelt! Und wieso eigentlich läßt sich die Regierungskoalition vom Wirtschaftsminister vorschreiben, was im Gesetz stehen soll?

Um die künftige Stromversorgung zu sichern, brauchen wir Millionen von Bürgern, die für etwa 30 Mio. Kilowatt Solaranlagen Dächer und Kapital zur Verfügung stellen. Wenn die Gesellschaft ernsthaft daran interessiert ist, auf umweltfreundliche Energie umzustellen, muß sie den erforderlichen Anreiz bereitstellen und der heißt: Kostendeckende Vergütung auch für Solarstrom.