Derzeit überlegen viele Landwirte, ob sie mit dem Verkauf von Energie zusätzliches Geld verdienen können. Der Landwirt als „Energiewirt“ ist sogar ein regelrechter Werbe-Slogan geworden. 
Grundsätzlich bieten sich dazu zwei Möglichkeiten an: Der Landwirt stellt seine Ackerflächen auf den nachhaltigen Anbau von Energiepflanzen um, oder er investiert in einen Windpark und baut unter den Windanlagen weiter Nahrungsmittelpflanzen an - oder was er sonst für sinnvoll hält. Schließlich kann er auch beides tun.

Zur Zeit bevorzugen die gesetzlichen Rahmenbedingungen die Biomasse-Lösung. Für Energie aus Biomasse gibt es mehr oder weniger problemlos Einspeisevergütungen, oder den Landwirten wird Rapsöl in großem Maßstab abgekauft, um die Vorgaben für die Treibstoffbeimischungen zu erfüllen. Für Windanlagen hingegen gibt es keine Baugenehmigungen mehr, obwohl noch ein riesiges Potential windgünstiger Ackerflächen vorhanden ist. Vom ganzen Land Hessen z.B. sind durch den Landesentwicklungsplan sowie durch die Regionalpläne mehr als 99,5 % der Flächen für die Windenergie gesperrt - dazu z.B. Pressemitteilung des BUND Hessen vom 19.10.06

Zu unserer Vereinsarbeit gehört es, von der Politik die richtigen Rahmenbedingungen zu fordern, damit der weitere Ausbau der Erneuerbaren Energien möglichst effektiv und klimaschonend vorangeht und damit nicht Entwicklungen eingeleitet werden, die später neue Probleme bereiten.

Probleme können sich dadurch ergeben, dass bei der energetischen Nutzung der Biomasse CO2 emittiert wird, das den Treibhauseffekt verstärkt. Bei der Nutzung von Sonne, Wind, Wasserkraft und Geothermie wird hingegen kein klimaschädliches CO2 emittiert.
Der folgende Beitrag soll diese Problematik verständlicher machen und eine Reihe von Argumenten dafür bringen, dass aus Klimaschutzgründen ein Schwerpunktwechsel von der energetischen Nutzung der Biomasse zur intensiveren Nutzung der Windenergie dringend erforderlich ist.

Vorab: Die Tatsache, dass immer noch fossile Energien genutzt werden, ist der eigentliche Grund für das Klimaproblem, und der Ersatz der fossilen Energien durch CO2-freie Energien ist die wichtigste technologische Aufgabe der Menschheit.
Wenn die fossilen Energien nicht durch CO2-freie Energien (Sonne, Wind, Wasserkraft, Geothermie) ersetzt werden könnten, dann wäre der Ersatz fossiler Energie durch Biomasse immer noch besser als gar kein Ersatz – vorausgesetzt, der Anbau erfolgt nach den Prinzipien des ökologischen Landbaus ohne Dünger und Pestizideinsatz.

 

Das Klimaproblem ist ein Kohlenstoffproblem – Die Rolle der Biomasse im Kohlenstoffkreislauf

 

Gehen wir in Gedanken zurück bis zum Beginn der industriellen Revolution. Die Menschen haben seit damals in zunehmender Menge fossilen Kohlenstoff energetisch genutzt und den Kohlenstoff in Form von CO2 in die Atmosphäre entlassen.

Kohlenstoff trägt als Formelzeichen das große C. Wenn man Kohlenstoff C mit dem Sauerstoff der Luft – Formelzeichen O2 - verbrennt, entsteht CO2. Der Kohlenstoff ist dann in gasförmiger Form gebunden und erzeugt den Treibhauseffekt

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Soweit man sich überhaupt über diese Vorgänge Gedanken gemacht hat, ging man davon aus, dass die grünen Pflanzen mit Hilfe der Photosynthese das CO2 wohl irgendwie wieder aus der Atmosphäre herausholen und zu Biomasse verarbeiten würden. Versuche hatten gezeigt, dass das Pflanzenwachstum sich steigert, wenn den Pflanzen mehr CO2 zur Verfügung steht, sofern den Pflanzen alle sonstigen zum Aufwachsen notwendigen Stoffe einschließlich Wasser ausreichend zur Verfügung stehen.

Das Blattgrün der Pflanzen kann unter Zugabe von Wasser mit Hilfe der Sonnenenergie aus dem CO2 die sogenannte Biomasse - Holz, Stärke, Pflanzenöl usw. - erzeugen. Der Kohlenstoff ist dann in dieser Biomasse gebunden und nicht mehr klimaschädlich. Aber er verschwindet nicht.

 

Worüber man sich aber bis heute kaum Gedanken machte, war folgende, eigentlich naheliegende Frage: Wenn die Pflanzen tatsächlich immer mehr CO2 aus der Atmosphäre herausholen, wo eigentlich soll der aus der Atmosphäre herausgeholte zusätzliche Kohlenstoff dann untergebracht werden? Kohlenstoff verschwindet ja nicht heimlich, wie wir gesehen haben. Irgendwo muss er bleiben.

Die folgende Skizze zeigt seinen bisherigen Weg:

kohlenstoffspeicherbmp

Aus den fossilen Lagerstätten (1) kam und kommt der Kohlenstoff (in Form von CO2) in die Atmosphäre (3) und bedroht unser Klima. 
Von dort holen ihn die die Grünpflanzen durch Photosynthese in den "Bio-Speicher" (2). Unter "Bio-Speicher" ist hier alles Material in der Biosphäre zu verstehen, in dem Kohlenstoff in klimaunschädlicher Form gebunden ist: lebende und abgestorbene Pflanzen, Tiere, Menschen und ihre Produkte, insbesondere die Biomasse.

Es wäre fatal, wenn wir den Kohlenstoff dann sofort wieder durch energetische Nutzung der Biomasse als CO2 zurück in die Atmosphäre emittieren würden – aus der die Grünpflanzen ihn glücklicherweise gerade herausgeholt haben. Dem Klima täte das nicht gut.

Wenn die Biomasse verbrennt oder energetisch genutzt wird, entsteht wieder das klimaschädliche CO2.

 

Wir dürfen unsere Hoffnung nicht darauf setzen, dass die Biomasse unter die Erdoberfläche oder in die Tiefsee versinkt und sich dort in fossilen Kohlenstoff zurück verwandelt. Das ist zwar möglich, erfolgt aber etwa millionenfach langsamer als die Ausbeutung der fossilen Speicher. Diese Vorgänge können unser akutes Klimaproblem nicht lösen.

So lange im atmosphärischen Speicher zu viel CO2 vorhanden ist und erst recht, so lange immer noch durch die Nutzung von Erdöl, Erdgas und Kohle ständig noch mehr neuer Kohlenstoff in den atmosphärischen Speicher gelangt, müssen wir alles daran setzen, den überschüssigen Kohlenstoff aus der Atmosphäre zurückzuholen. Man ist sich z.B. darüber einig, dass zusätzlich Wälder angepflanzt werden müssen. 
Doch nun ergibt sich ein weiteres Problem: Wie soll der Biospeicher die immer weiter zunehmende Menge von Kohlenstoff aus der Atmosphäre aufnehmen und sicher aufbewahren? Schon jetzt gibt ja der Biospeicher durch Waldbrände und Verrottung der Biomasse gefährliche Mengen an CO2 ab.

 

Wo also soll der Kohlenstoff bleiben?

 

Die Lösung unseres Problems besteht in der stofflichen Verwertung der Biomasse. Durch stoffliche Verwertung wird die Verweildauer des Kohlenstoffs im Bio-Speicher verlängert. Dies kann hier nur in Form einiger Beispiele kurz angedeutet werden:

  • Am naheliegendsten ist es natürlich, die Baustoffe Beton oder Stahl durch den Baustoff Holz direkt zu ersetzen. Holz als Baustoff wird durch Anstrich und Imprägnierung vor dem Verrotten bewahrt. Eisenbahnschwellen aus Holz anstatt aus Beton, Fußgängerbrücken aus Holz statt aus Stahl oder Beton, Häuser aus Holz statt aus Beton.
  • Sodann ist es ein sehr wichtiges Ziel des ökologischen Landbaus, aus Pflanzenresten eine stabile Schicht von (kohlestoffhaltigem) Dauerhumus zu erzeugen.
  • Schließlich ergibt sich ein breites Anwendungsfeld in der organischen Chemie, bei der Erzeugung von Kunststoffen aller Art - vom Plastikeimer bis zum Kleidungsstoff oder als hochwertigen kohlefaserverstärkten Baustoff für die Flugzeug- oder Automobilindustrie. Ausgangsstoff der organischen Chemie ist derzeit noch das Erdöl. Pflanzenöl kann Erdöl ersetzen. Nicht nur die Verbrennung der fossilen Energien muss gestoppt werden, sondern auch die Förderung von Erdöl zur stofflichen Verwertung. Denn letztlich – allerdings erst nach Beendigung ihrer relativ langen Gebrauchszeit - werden die aus Erdöl hergestellten Produkte auch noch verbrannt.

Einen Ersatz für die stoffliche Verwertung von Erdöl kann nur die Biomasse anbieten!!!

Anstatt Biomasse zur energetischen Nutzung bereitzustellen, sollten Landwirte und Forstwirte die von ihnen erzeugte Biomasse zukünftig als Baustoff oder als Grundstoff für die chemische Industrie zur Verfügung stellen. Damit dabei die Böden nicht verarmen, ist darauf zu achten, dass nur solche Pflanzenteile verwertet werden, die keine wertvollen Mineralstoffe sondern ausschließlich Kohlenwasserstoffverbindungen enthalten - z.B. Pflanzenöl oder entrindete Stämme, Äste und Zweige.

 

Was hat es mit der CO2-Neutralität auf sich?

 

Die energetische Nutzung von Biomasse wird oft mit dem Hinweis verteidigt, sie sei CO2-neutral. Dieser Begriff ist höchst ungenau. Er besagt nämlich nur, dass das CO2, was bei der Verbrennung an die Atmosphäre abgegeben wird, vorher aus der Atmosphäre entnommen wurde. Doch das ist eine triviale Feststellung, denn sie trifft letztlich sogar für die fossilen Stoffe zu.
Für die Beurteilung der Klimawirkung ist der Zeitraum wichtig, den die Biomasse den Kohlenstoff gebunden hält. Die Verweildauer des Kohlenstoffs in der Biomasse wird oft vernachlässigt. Eine Nutzung der Biomasse zu energetischen Zwecken verkürzt in den meisten Fällen die Verweildauer und ist dann zwar immer noch CO2-neutral, aber längst nicht mehr klimaneutral!

Für solche Biomasse, deren Speicherung Probleme bereitet, wie z.B. Gülle, ist natürlich eine energetische Nutzung weiterhin die beste Lösung, denn diese Stoffe würden durch Verrottung etwa im gleichen Zeitraum ihren Kohlenstoff ohnehin als CO2 an die Atmosphäre abgeben.

 

Alternativen

 

Da Biomasse als Energielieferant durch andere Erneuerbare Energien (in Kombination mit technischen Energiespeichern) ersetzt werden kann, sollte man dies so weit wie möglich tun. Zu denken ist hier insbesondere an die Windenergie, die sogar in in Deutschland mit seinen begrenzten Flächen noch ein Potential besitzt, welches den gegenwärtigen Stromverbrauch um das Mehrfache übersteigt. Der Landwirt als Eigentümer der großen Ackerflächen braucht zur Energieversorgung keine Biomasse zu liefern, sondern kann aus Windanlagen direkt Energie liefern. Auch so tritt der Landwirt als Energiewirt auf.

Weniger geeignet als die Windenergie sind Photovoltaik-Freiflächenanlagen, weil in deren Schatten die Photosynthese der Pflanzen stark eingeschränkt ist.

Begrenzender Faktor für die Windenergie dagegen ist alleine die Akzeptanz in der Politik.

Hier ist ein Umdenken der Umweltbewegung angesagt.

 

Zusammenfassung:

 

  • Biomasse, die energetisch genutzt wird, erzeugt CO2 - dies kann das Klimaproblem verschärfen.
  • Biomasse, die stofflich genutzt wird, erzeugt KEIN CO2.
  • Als Kohlenstoffspeicher ist Biomasse zur Stabilisierung des Klimas unersetzlich.
  • In energetischer Hinsicht kann Biomasse durch Windenergie in Kombination mit Stromspeichern ersetzt werden. Die Aufgabe als Energiewirt sollte der Landwirt besser mit Windanlagen anstatt mit Anbau von Energiepflanzen erfüllen.
  • Wo es möglich ist, sollte Biomasse stofflich genutzt werden.