Rezension zum Buch "Abschalten!"

Abschalten! ist ein sehr empfehlenswertes Buch. Wer noch daran glaubt, dass die Atomenergie eine saubere und preiswerte Lösung zur Stromversorgung sei, der nehme sich die Zeit, den Teil 1 des Buchs zu lesen.
Zum Zeitpunkt der Drucklegung im Frühsommer 2011 waren die Entscheidungen von Bundesregierung und Bundestag zur Energiewende noch nicht abgeschlossen. Wer vermutet, dass sich hinter dem Titel „Abschalten!“ ein polemisches oder gar propagandistisches Buch verbirgt, sieht sich getäuscht: In einem sachlichen und leicht verständlichen Stil beschreiben die Autoren des Kampagnenetzwerks Campact auf ca. 270 Seiten ausführlich die ungelösten und unlösbaren Probleme der Atomenergienutzung, ausgehend vom allein schon sehr umweltschädlichen Uranbergbau, über die Aufbereitung, die Nutzung in immer älter und damit störanfälliger werdenden Kraftwerken bis hin zur ungelösten – ja unlösbaren – Endlagerfrage. Auf weiteren ca. 100 Seiten werden Alternativen zur Atom- und Kohlenutzung behandelt: Energieeffizienz und der Umstieg auf Erneuerbare Energien und was jeder einzelne dazu tun kann.

In seinem Hauptteil behandelt das Buch die Umweltzerstörung und die (sicherheits-)technischen Aspekte der Atomenergienutzung. Sehr erschreckend aber dennoch überzeugend sind die vorgestellten Studien zu den Auswirkungen eines möglichen Atomunfalls im Atomkraftwerk Biblis (Rhein-Main-Gebiet). Ein Super-Gau dort würde womöglich bei der vorherrschenden Süd-West-Windrichtung weite Landstriche über Kassel und Berlin hinweg bis hinein nach Polen unbewohnbar machen.

Die Autoren des Buchs befassen sich aber nicht nur mit den immensen Sicherheitsrisiken. Sie hinterleuchten auch die Strukturen der Energiewirtschaft, ohne deren Verständnis die politische Entscheidungen nicht richtig eingeordnet werden können. Der Leser erhält darüber hinaus aber auch umfassende Informationen über die Wirtschafts- und Entscheidungsstruktur der Stromwirtschaft („Die Entstehung des Stromkartells“), so wird nachvollziehbar , warum sie so vehement auf der vorgeblich unverzichtbaren Brückentechnologie Atomenergienutzung beharrt. Nur vor diesem Hintergrund ist der Atomdeal verständlich, der unter der schwarz-gelben Bundesregierung im Herbst 2010 zu einer Laufzeitverlängerung der deutschen Atomkraftwerke geführt hatte.

Im Kontext eines Umstiegs auf Erneuerbare Energien verdeutlichen die Autoren aber auch, dass die Atomenergienutzung mit dem fluktuierenden Angebot der Erneuerbaren Energien nicht kompatibel ist, weil allein schon die ständig notwendige Leistungsregelung der Atomkraftwerke bei wechselndem Solar- und Windenergieangebot mit wesentlich erhöhten Sicherheitsrisiken an sich schon verbunden ist.
Im Anhang findet der Leser Informationen über die Lage, Alter, Technik und Gefährdung aller deutschen Atomkraftwerke. Darüber hinaus Literaturhinweise und ein ausführliches Register, die das Buch auch als Nachschlagewerk nutzbar macht.

Zusammenfassend: Auch wenn die vorgestellten Ratschläge zur persönlichen Energiewende durch Wechsel zu einem „guten Ökostromanbieter“ von den Lesern womöglich unterschiedlich beurteilt werden, so bietet doch dieses preiswerte Buch eine sehr gute Grundlage, sich umfassend über die Risiken und negativen Umweltauswirkungen der Atomenergienutzung zu informieren. Sicher werden viele Leser, – auch wenn sie zu Beginn skeptisch sein mögen – nach der Lektüre dieses Buches sich ungleich kritischer mit der Atomenergienutzung und der Energiewirtschaft an sich auseinandersetzen.