Die Energy Watch Group (EWG) ist ein internationales Netzwerk von Wissenschaftlern und Parlamentariern, das sich nach eigenen Angaben mit der Verknappung fossiler und nuklearer Energieträger befasst, Szenarien zur Einführung regenerativer Energieträger entwickelt und Strategien zur langfristigen Sicherung einer stabilen Energieversorgung zu annehmbaren Preisen entwirft. Das Motto dazu lautet: „Energiepolitik braucht objektive Informationen.“ Ziel der EWG ist es, mit ihren Studien nicht nur Expertenkreise sondern auch die interessierte Öffentlichkeit zu erreichen. Sie merken dazu weiter an: „Objektive Information braucht eine unabhängige Finanzierung.“(1)

Die EWG hat in ihrem jüngsten Bericht (a) die Situation der fossilen und nuklearen Energieträger vor dem Hintergrund aktueller Daten bewertet. Bereits im Jahr 2008 veröffentlichte die EWG einen Bericht, in dem sie aufzeigte, dass nach ihrer Einschätzung beim Erdöl das Fördermaximum bereits erreicht sei, der sog. Peak-Oil.

Die vorliegende kurze Zusammenfassung gibt die wesentlichen Aussagen des neuen Berichts der Energy Watch Group wieder. Sie stehen in bemerkenswertem Gegensatz zu Angaben der Internationalen Energie Agentur (IEA)(2) und den darauf aufbauenden Darstellungen in der Presse(3), in denen – speziell mit Blick auf die Entwicklung der Gewinnung von unkonventionellem Erdöl und Erdgas in den USA – sogar von einer Erdgasschwemme in einigen Jahren die Rede ist und davon, dass die USA zum größten Erdölförderstaat noch vor Saudi-Arabien aufsteigen könnten.

Erdöl

Im Bericht der EWG zum Erdöl heißt es, das Fördermaximum (der Peak-Oil) sei nach heute übereinstimmender Meinung (auch von von der IEA bestätigt) bereits überschritten. Man befinde sich auf einem relativ konstanten hohen Wert der jährlichen Erdölförderung und die Erdölindustrie sei bestrebt, dieses hohe Förderniveau noch eine möglichst lange Zeit zu halten, z.B. durch die Erschließung von unkonventionellen Erdölvorkommen (USA, Kanada) als Ausgleich für sinkende Förderraten der konventionellen Erzeugung. Neuere Erdölfelder seien jedoch mehrheitlich von schlechter Qualität, sodass dieser Wettlauf immer schwieriger würde.

Die Erschließung der „großen Potentiale an unkonventionellen Kohlenwasserstoffvorkommen in Gegenden mit sehr geringer
Bevölkerungsdichte“ in den USA sei maßgeblich auf die stark gestiegenen Ölpreise seit 2005 zurückzuführen. Dies sei jedoch nur möglich gewesen, indem der Staat Ausnahmeregelungen für die Bohraktivitäten der Öl- und Gasindustrie erlassen habe und die Umweltauflagen gesenkt wurden.

Der Bericht hebt hervor, dass nach Einschätzung der EWG und im Gegensatz zu den Szenarien der IEA der hohe Anteil unkonventioneller Erdöl- und Erdgasförderung in den USA nicht sehr lange aufrechterhalten werden kann. Die EWG geht davon aus, dass mit hoher Wahrscheinlichkeit das Fördermaximum von leichtem „tight-oil“ in den USA zwischen 2015 und 2017 erreicht würde und die optimistischen Annahmen der IEA sich als „deutlich überschätzte Blase“ herausstellen könnten.

Nach Berechnungen der EWG – so heißt es im Bericht – sei es sehr wahrscheinlich, dass bis etwa um das Jahr 2030 die weltweite Erdölförderung um etwa 40 Prozent gegenüber 2012 zurückgehen werde. Nur durch den Verbrauchrückgang in den OECD-Staaten sei es in den letzten Jahren möglich gewesen, dass der Verbrauch in den Nicht-OECD-Staaten bei etwa konstanter weltweiter Förderung noch ausgeweitet werden konnte.

Erdgas

Zum Energieträger Erdgas macht der EWG-Bericht ebenfalls beunruhigende Aussagen. So sei die konventionelle Erdgasförderung in Europa und Nordamerika bereits im deutlichen Förderrückgang. Das Fördermaximum der Schiefergasgewinnung in den USA (aus dem sog. Fracking) erwarten die Experten der EWG in Kürze.

In Europa – so heißt es – steige der Importbedarf an Erdgas zunehmend, da die heimische Förderung schnell zurückgehe. Dass Russland keine Probleme haben werde, die Gasförderung (bei steigendem eigenen Verbrauch) noch auszuweiten, wird im Bericht bezweifelt. Vor dem Hintergrund großer Nachfrage (nach russischem Erdgas) auch in Asien werde Europa – so schlussfolgert die EWG – seinen Erdgasbezug nicht im heutigen Maß aufrechterhalten können.

Ob Iran und Katar, denen große Gasreserven zugeschrieben werden, diese Lücke durch LNG (liquified natural gas) ausgleichen könnten, wird im Bericht bezweifelt. Vielmehr sei wahrscheinlich, dass die Reserven in den genannten Ländern deutlich zu hoch bewertet wären.

Kohle

Zur Situation der Kohle heißt es im EWG-Bericht: „Die weltweiten Kohlevorkommen sind reichlich. Die meisten Beobachter ziehen daraus den Schluss, dass die Versorgung mit Kohle auf mehrere Jahrhunderte gesichert und unproblematisch sei. Umweltprobleme mit der Förderung und dem Verbrennen von Kohle würden deren Förderung wesentlich früher beschränken als geologische Restriktionen.“ Die Autoren der EWG kommen jedoch zu der Erkenntnis, dass bei genauer Analyse die Indizien für eine in wenigen Jahren angespannte Versorgungslage mit Kohle größer seinen als bei nur oberflächlicher Betrachtung.

Als maßgeblich für diese Folgerung hält die EWG die Tatsache, dass „China vor wenigen Jahren von einem Exporteur zum neben Japan größten Importeur von Kohle“ geworden sei. Daneben besitze zwar auch Indien große Reserven, diese seien jedoch von ausgesprochen schlechter Qualität (bis zu 70 Prozent Ascheanteil). Das interkontinental gehandelte Kohlevolumen habe sich in den letzten 10 Jahren verdoppelt und dies sei praktisch nur von Australien (Kokskohle für die Stahlerzeugung) und Indonesien (hochwertige Kraftwerkskohle) abgedeckt worden. Eine Ausweitung des Exports in Indonesien und auch Indien wird für nicht
möglich gehalten. In Anbetracht einer in einigen Regionen (z.B.Südafrika) bereits spürbar schlechter werdenden Kohlequalität vermuten die EWG-Experten das Fördermaximum bei Kohle (den sog. Peak-Coal) bereits um das Jahr 2020.

Uran

Mit Blick auf das weit zurückliegende Fördermaximum bei Uran (1980) und die Tatsache, dass der vorübergehende Anstieg seit 2000 nur auf die Gewinnung in Kasachstan zurückzuführen ist, schlussfolgert die EWG, dass – auch wegen des höheren Energieaufwands bei der Ausbeutung von immer geringerwertigen Erzen – ein hohes Risiko bestehe, dass bereits in diesem Jahrzehnt die Versorgung der Kernkraftwerke auf Engpässe zulaufe und „neu gebaute Reaktoren nicht mit einer gesicherten Uranversorgung über die gesamte Lebensdauer von 40 Jahren rechnen“ könnten.

Zusammenfassung der Energy Watch Group

In der zusammenfassenden Betrachtung kommt die EWG zu dem Schluss, dass der bald erwartete Rückgang der weltweiten Erdölförderung zu deutlichen Versorgungsproblemen führen werde und höchstens noch über zwei Jahrzehnte durch Substitution mit Erdgas und Kohle ausgeglichen werden könne.

Der Anteil der nuklearen Energieträger sei zu gering, als dass diese beim Übergang auf Erneuerbare Energien eine weltweit bedeutende Rolle spielen könnte. In einer Grafik der EWG werden alle vorgenannt beschriebenen fossilen Energieträger und der nukleare Energieträger Uran überlagert angezeigt. Danach liegt das Fördermaximum (Peak fossil & nuclear) um das Jahr 2020.

Bewertung des EWG-Berichts durch den SFV

Interessant sind insbesondere die Unterschiede gegenüber den Prognosen der IEA. Letztere haben sich in der Vergangenheit oftmals als zu optimistisch und letztlich unrealistisch erwiesen. Insbesondere gingen die vergangenen IEA-Prognosen über niedrige Weltmarktpreise des Energieträgers Erdöl weit an der heutigen Realität vorbei. Die menschliche Zivilisation in der heutigen Form ist – das zeigt der EWG-Bericht sehr anschaulich – neben dem Klimawandel gleich mehrfach bedroht. Vor dem Hintergrund vorgenannter kritischer Bewertung durch die Experten der Energy Watch Group erscheint es uns dringender denn je, nicht nur aus Gründen des Klimaschutzes, sondern auch zur Abwehr einer drohenden Energiekrise, die Umstellung auf Erneuerbare Energien in Deutschland und weltweit so schnell wie möglich voranzutreiben. Eine überregionale Energiekrise würde auch Konflikte um Energieressourden eskalieren lassen. In diesem Sinne wünschen wir, dass dieser Bericht von der Politik angenommen wird und die entsprechenden Schlussfolgerungen gezogen werden.

Ein wesentlicher Aspekt dabei kann sein, dass durch hohe Energiepreise und gesetzliche Regelungen endlich die dringend erforderlichen Impulse entstehen, die die Energieeffizienz verbessern, und Energiesparen anreizen helfen. Daneben müssen jedoch die gesetzlichen Rahmenbedingungen so geändert werden, dass es zu einem deutlich schnelleren Ausbau der Erneuerbaren Energien kommt. Eine Erhöhung der Energiesteuer und die dadurch hervorgehobenen Energiepreissteigerungen bei gleichzeitiger Gewährung eines Energiegeldes und Entlastung der Sozialabgaben (b) können dabei wie eine „Schutzimpfung“ wirken, die zu einem gewissen Teil zu einer „Immunisierung“ gegen die zu erwartenden Preissteigerungen auf den Weltenergiemärkten führen wird.

Quellenangaben

(a) Den Bericht der EWG finden Sie unter der folgenden Adresse:
http://www.energywatchgroup.org/fileadmin/global/pdf/EWG-update3012_kurz-dt_22_03_2013.pdf

(b) „Arbeitsplätze und Soziale Gerechtigkeit - Aber wie?“ von Wolf von
Fabeck, http://www.sfv.de/lokal/mails/wvf/arbeitun.htm

Fußnoten

(1 )Das Projekt wird nach Angaben der EWG unterstützt von der
Ludwig-Bölkow-Stiftung (http://www.ludwig-boelkow-stiftung.org/) und der
Reiner-Lemoine-Stiftung (http://www.reiner-lemoine-stiftung.de/).
(2) Der „2012 Annual Report“ der IEA vom 12.11.2012 kann heruntergeladen
werden unter
http://www.iea.org/publications/freepublications/publication/IEA_Annual_Report_publicversion.pdf.
Der Bericht ist käuflich erwerbar unter:
http://www.iea.org/W/bookshop/add.aspx?id=433
(3) siehe z.B. Publikation in bei Zeit-Online vom 12.11.2012:
http://www.zeit.de/wirtschaft/2012-11/usa-erdoel-iae oder z.B. bei Die
Presse vom 12.11.2012:
http://diepresse.com/home/wirtschaft/international/1311642/IEA_USA-bis-2020-NettoExporteur-von-Erdgas