Wussten Sie, dass der Bundestag über einen Redaktionsstab verfügt, der Gesetzentwürfe auf sprachliche Richtigkeit und Verständlichkeit prüft? Festgeschrieben ist dies in § 80 a der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages. Wenn man bedenkt, dass Gesetze verstanden und eingehalten werden sollen, ist dies zunächst eine ausgesprochen gute Idee. Der Haken? Der Redaktionsstab im Deutschen Bundestag wird nur tätig, wenn der für den Gesetzesentwurf federführende Ausschuss einen entsprechenden Beschluss zur Überprüfung fasst.

Die Vermutung liegt nahe, dass ein Überprüfungs-Beschluss zum Erneuerbaren-Energien-Gesetz (EEG) schon lange nicht mehr getroffen wurde. Vor allem das aktuelle EEG ist in seiner Unverständlichkeit kaum zu überbieten. In 104 Paragraphen und dazugehörenden Verordnungen findet man eine monströse Anhäufung an Vorschriften und Bürokratievorgaben, die bestens dafür geeignet sind, rechtliche Auseinandersetzungen anzustoßen oder geplante Investitionen zu beerdigen.

Viele dieser Regelungen erfordern Nachweise oder Überwachungsmechanismen. Ungenügend aufeinander abgestimmte Details und Änderungen führen zu einem reinen Irrgarten. Vor allem unbestimmte Rechtsbegriffe wie „unverzüglich“, „unmittelbar“, „angemessen“, „räumliche Nähe“, „notwendig“ sind besonders dann problematisch, wenn Investitionen in Techniken angestoßen werden sollen, die im absoluten Widerstreit zur etablierten Wirtschaftsstruktur stehen. Sprachbarrieren in Gesetzen sind das Ergebnis von (partei-)politischen Interessen, Kompromissen sowie von Lobbyisten-Tätigkeiten.

In den letzten Jahre mussten wir erfahren, wie eine EEG-Novelle die andere jagte; was im vorangegangenen Jahr noch galt, war bald schon wieder Vergangenheit. Im Schweinsgalopp wurden - je nach politischer Stimmungslage in der Regierung - Förder- und Hemmungsregeln geschaffen und wieder zurückgenommen.

Auch Verordnungsermächtigungen nehmen zu. Sie implizieren weiteren Regelungszwang und rechtliche Grauzonen. Folgt darauf eine Verordnung, so ergeben sich - diesmal ohne Zustimmung des Bundestags - weitere bürokratische Regeln, die ihrerseits ebenso zu Irritationen und Hemmnissen führen können. Man denke da z.B. an die Freiflächenausschreibungsverordnung oder die Ausgleichsmechanismusverordnung mit umfassenden Meldepflichten für Anlagenbetreiber.

Wer glaubt, mit einem deutlichen „Stopp“ zumindest jetzt Einhalt in die Regelungswut bringen zu können, kommt zu spät. Auch in diesem Jahr wird es wieder eine EEG-Novelle geben, von der wenig Erfreuliches zu erwarten ist. Dass diese Version des EEG dann zumindest verständlicher wird, ist kaum zu erwarten.

Der Einwand, dass Gesetze eben Fachtexte seien, deren Materie oftmals sehr komplex und damit in der Terminologie schwer zu verstehen seien, überzeugt wenig. Zwar ist die unumgängliche Regelungstiefe, welche der Umbau der Energiewirtschaft erfordert, beträchtlich. Maßgeblicher jedoch ist der Konflikt zwischen etablierter Energiewirtschaft und EE-Branche. Auch heute, nach mehr als 15 Jahren EEG, ist ein zügiger Umstieg auf Erneuerbare „im Konsens“ illusorisch. Bereits 2010 analysierte der - leider frühzeitig verstorbene - SPD-Politiker Hermann Scheer in seinem Buch „Der energethische Imperativ“: (Seite 15)

„Der suggerierte Konsens über erneuerbare Energien lenkt davon ab, dass die eigentlichen Konflikte erste begonnen haben, allerdings in veränderter Gemengelage. (...) Diese Konflikte unterscheiden sich zwar von den früheren um erneuerbare Energien, sind jedoch auch tiefgreifender geworden. Wo der Wechsel zu erneuerbaren Energien praktisch eingeleitet ist, geht es jetzt ans „Eingemachte“: Die praktische Ablösung atomarer und fossiler Energien betrifft unmittelbar die Struktur des etablierten Energiesystems, die eng mit den herrschenden Produktions- und Konsumbedingungen, Wirtschaftsordnungen und politischen Institutionen verwoben ist. Sie rührt unmittelbar an die Existenzinteressen der etablierten Energiewirtschaft, die der größte und vor allem politisch einflussreichste Sektor der Weltwirtschaft ist.“

Das heutige EEG ist das Ergebnis dieser tiefgreifenden Auseinandersetzung. Es ist zum Investoren-Schreckgespenst mutiert. Der perfide Plan zur Verstümmelung des EEG ist aufgegangen, das „Bravo“ der konventionellen Energiewirtschaft quasi zu hören.

Wenn alles so bleibt, wird die Energiewende weiterhin nur im Schneckentempo vorankommen. Denn neben den Sprachbarrieren stören auch so grundsätzliche Festlegungen wie Ausbaubegrenzungen, Ausschreibungen, Vermarktungspflichten, monatliche Vergütungskürzungen und das sog. Lastmanagement bei EE-Anlagen - um nur einige Hürden zu nennen - den Ausbau der Erneuerbaren empfindlich.

In § 2 (1) „Grundsätze des Gesetzes“ des EEG 2014 liest man: „Strom aus erneuerbaren Energien und Grubengas soll in das Elektrizitätsversorgungsystem integriert werden.“ Diese Logik müsste längst umgekehrt werden: Fossile und atomare Stromerzeugung müssen daran gemessen werden, inwiefern sie in das neue, auf Erneuerbare Energien basierende Elektrizitätsversorgungssystem „integriert“ werden können. Ansonsten gehören sie schleunigst abgeschafft.