Besonderheiten bei der Anbindung von Stromspeichern an Solar- und Windanlagen

Solar- und Windanlagen erzeugen zu manchen Zeiten mehr und zu anderen Zeiten weniger Strom als die Stromverbraucher benötigen. Hierzu eine Überlegungsskizze:

Bild 1   Leistunggsschwankungen bei Solar- und Windstrom oder Verbrauchern

Leistungsschwankungen von Wind plus Sonne sowie des Verbraucherkollektivs

Zum Vergleich der Leistungsschwankungen ist im Bildteil links und rechts die gleiche Durchschnittsleistung vorausgesetzt.

Da nicht auszuschließen ist, dass zu manchen Stunden in ganz Europa gleichzeitig die Sonne scheint und der Wind günstig weht, wird es im Endausbauzustand (100 Prozent Erneuerbare Energien) bisweilen Stunden geben, in denen kein Verbraucher in ganz Europa bereitsteht, die überschüssige Energie sofort zu nutzen. Umgekehrt kann es - wie bereits im Beitrag Vollständige Energiewende ohne Stromspeicher? gesagt - vorkommen, dass in ganz Europa ein erhebliches Leistungsdefizit vorliegt, das selbst durch den vollständigsten Ausbau europaweiter Fernübertragungsleitungen nicht ausgeglichen werden kann. Damit wird der Ausbau von Speichern unumgänglich.
Im Idealfall würde man die Stromspeicher so dimensionieren, dass sie den Überschuss aufnehmen und bei Mangel wieder an die Verbraucher abgeben. Geht man in erster Näherung von verlustfreier Speicherung aus, dann muss die Jahresdurchschnittsleistung der Solar- und Windanlagen dem Jahresverbrauch der Stromverbraucher entsprechen. Bei genauerer Betrachtung muss sie wegen der unvermeidlichen Speicherverluste sogar deutlich größer sein. Bei den folgenden Überlegungen soll es vorerst allerdings noch nicht um die Energiemenge gehen, die die Speicher aufnehmen, speichern und wieder abgeben sollen, sondern "nur" um ihre Einspeicherleistung (Ladeleistung) und ihre Ausspeicherleistung (Entladeleistung).

Für die Auslegung der Energiespeicher ist dabei eine wichtige Eigenschaft der Erneuerbaren Energien aus Sonne und Wind zu beachten. Ihre Spitzenleistung liegt bei Solarenergie um den Faktor 10 und bei Windenergie um den Faktor 5 über der Jahresdurchschnittsleistung. D.h. beim Ausbau der Erneuerbaren Energien fallen Spitzenleistungen an, die je nach "Mischungsverhältnis" zwischen Sonne und Wind zwischen 10 oder 5 mal so groß sind, wie die im Jahresdurchschnitt bereitgestellte Leistung. Die Stromspeicher müssen deshalb eine Einspeicherleistung (Ladeleistung) aufnehmen können, die einem Mehrfachen der zu liefernden Ausspeicherleistung (Entladeleistung) entspricht. Das ist eine Herausforderung für die Ingenieurwissenschaften, denn bereits die Ausspeicherleistung der Speicher ist riesig. Wir haben sie im Beitrag<i>Vollständige Energiewende ohne Stromspeicher?</i> grob abgeschätzt. Die Speicher müssen - zählt man sie alle zusammen - die europäische Höchstleistung (abzüglich Wasserkraft-, Geothermie- und Bioreststoff-Energie) abgeben können.

Zu sonnig-windigen Stunden aber steht manchmal noch erheblich mehr, nämlich die fünf- bis zehnfache Höchstleistung der Solar- plus Windanlagen zur Verfügung (siehe Bild 1). Die muss von den Stromspeichern aufgenommen werden können. Nehmen wir statt fünf- bis zehnfach nur einen grob geschätzten Mittelwert von "siebenfach" an. Dann wird also von der erzeugten Höchstleistung nur etwa ein Siebtel direkt verbraucht. Die verbleibenden sechs Siebtel - also das Sechsfache des europäischen Leistungshöchstbedarfs (abzüglich Wasserkraft-, Geothermie- und Bioreststoff-Energie) müssen von den Speichern aufgenommen werden können.

Zwischen Einspeicher- und Ausspeicherleistung gibt es eine Unsymmetrie. Die Einspeicherleistung muss für Windstrom mindestens vier mal so groß sein wie die Ausspeicherleistung; bei Speichern für Solarstrom sogar neun mal so groß.

Konsequenzen für die Stromleitungen für Ein- und Ausspeicherung

Die maximal erforderliche Leistungsaufnahme ist sechs mal höher als die maximal geforderte Leistungsabgabe. Anders ausgedrückt: Die Verbindungsleitungen von den Wind und Solaranlagen zu den Speichern hin müssen sieben mal mehr Leistung übertragen können als die Leitungen von den Speichern zu den Verbrauchern (bei reiner Versorgung nur mit Solarstrom sogar zehnmal so viel). Würde man die höchsten Leistungsspitzen abregeln, wie bisweilen empfohlen wird, so ergäbe sich daraus kein wesentlicher Vorteil. Man könnte zwar die Leitungen zu den Speichern etwas schwächer auslegen, vielleicht nicht mit einem sieben-, sondern nur noch fünf- oder viermal so großen Querschnitt, hätte aber auch weniger Energie, um die Speicher aufzuladen. Dies würde die bisherigen Potentialberechnungen für Wind- und Sonnenenergie entwerten.

Bild 2   Speicher möglichst nahe bei den EE-Erzeugeranlagen

 Leitungsauslegung zwischen Erzeuger, Speicher und Verbraucher

 

Würde man ausschließlich nach den Kosten des Leitungsbaus optimieren, so müsste man die Speicher möglicht nahe bei den Erzeugern positionieren. Das spricht für eine Dezentralisierung der Speicher in gleichem Maße wie die Dezentralisierung der Erzeugeranlagen. Der Ausbau europaweiter Fernübertragungsleitungen zur Anbindung der Speicher könnte damit entfallen.
Damit ist allerdings nicht gesagt, dass es nicht andere Gründe geben kann, warum die Speicher dennoch zentral installiert werden müssen - z.B. in Norwegen.
Sollten wir uns für diese Lösung entscheiden, so müssten wir beachten: Die Anbindung außernationaler Speicher durch Stromleitungen an die Europäischen Solar- und Windanlagen müsste sieben mal mehr Leistung als die europäische Höchstleistung (abzüglich Wasserkraft-, Geothermie- und Bioreststoff-Energie) übertragen können.

Pumpspeicherkraftwerke in Norwegen als Speicher für deutschen Solar- und Windstrom?

Nach den Erläuterungen zu den Bildern Nr. 1 und 2 ist es zunächst selbstverständlich, dass die Stromspeicher so nahe bei den Erzeugern von Wind- und Sonnenstrom platziert werden sollen, wie nur irgend möglich - also möglichst dezentral. Großspeicher im Ausland, fern von den deutschen Erzeugern, wären hingegen eine Ausnahme, die besonders begründet werden müsste.

Vom Sachverständigenrat für Umweltfragen wird dennoch die Errichtung von großen Pumpspeicherkraftwerken (PSK) in Norwegen empfohlen. Dieser Vorschlag ergibt sich daraus, dass sich der Sachverständigenrat für die technische Lösung der Energiespeicherung in Pumpspeicherkraftwerken entschieden hat und diese Technik in Deutschland nicht unterzubringen ist. Wir werden Überlegungen zur besonderen Eignung in einem gesonderten Beitrag zu den Vor- und Nachteilen der verschiedenen Speichertechniken weiter ausführen. Pumpspeicherkraftwerke in der erforderlichen Größe können wegen der geologischen Besonderheiten nur in einer relativ unbewohnten, gebirgigen und wasserreichen Region Europas errichtet werden. Und ihr Vorteil muss so groß sein, dass man deshalb bereit ist, zusätzliche Fernübertragungsleitungen zu finanzieren, die sonst nicht erforderlich wären.

Zu bedenken ist, dass jede Verlegung von Seekabeln in HGÜ-Technik unabhängig von ihrer Übertragungsleistung bereits einen erheblichen Finanzierungsaufwand verlangt. Jede nachträgliche Verstärkung der Leitungen durch Parallelverlegung weiterer Kabel verlangt wieder den selben hohen Sockelbetrag. Insgesamt kommt es deshalb billiger, wenn man von vornherein gleich Kabel mit der endgültig notwendigen Übertragungsleistung verlegt. Es ist deswegen geraten, eine zuverlässige Abschätzung der in Norwegen möglichen Speicherkapazitäten vorzunehmen, bevor man beginnt, die norwegischen Speicher mit dem deutschen Übertragungsnetz zu verbinden. Hier kommt es nicht nur auf die notwendige Einspeicher- und Ausspeicherleistung an, sondern auch auf das Fassungsvermögen der Speicher (die speicherbare Energiemenge) an. Auch die speicherbare Energiemenge muss bedacht werden. Es wäre nämlich fatal, wenn sich erst im Verlauf späterer Jahre herausstellen würde, dass der Platz für die erhofften Pumpspeicherkraftwerke in Norwegen nicht ausreicht und man aber in der irrtümlichen Hoffnung auf diese Lösung die Entwicklung und den Bau anderer Speichertypen im eigenen Land vernachlässigt hätte. Damit darf man nicht so lange warten, bis sich schließlich die Begrenztheit der norwegischen Lösung in der Praxis erweist. Dass hier nicht die vollständige Lösung des Speicherproblems zu erwarten ist, möchten wir mit den folgenden Überlegungen plausibel machen:

Pumpspeicherkraftwerke benötigen viel Platz, ausreichende Höhenunterschiede, große Beckenvolumina, ökologische Toleranz gegen häufige drastische Wasserspiegeländerungen und genügend Wasser im Unterbecken. Diese Bedingungen lassen sich in Deutschland nicht erfüllen. Selbst das größte Pumpspeicherkraftwerk Deutschlands in Goldisthal ist erheblich zu klein. Es könnte Deutschland nur 8 Minuten lang mit Strom versorgen. Alle deutschen Pumpspeicherkraftwerke gemeinsam könnten Deutschland noch nicht einmal eine Stunde lang voll mit Strom versorgen.

Hier die theoretisch notwendigen Abmessungen [1] alleine für einen Ein-Tages-Energiespeicher für Deutschland. Zum Vergleich in Klammern die Werte von Goldisthal [2].

  • mittlere Fallhöhe 1000 m (Goldisthal 300 m)
  • Wasserspiegelschwankung 30 m (Goldisthal 20 m)
  • Fläche des Oberbeckens 50 km² (Goldisthal 0,55 km²)
  • Fläche des Unterbeckens 50 km² (Goldisthal 0.78 km²)

Damit ergibt sich ein Flächenbedarf von über 100 km² für einen Ein-Tages-Energiespeicher für Deutschland in PSK-Technik. Aber nicht nur deutsche Planer denken an Pumspeicherkraftwerke in Norwegen. Auch die Niederlande und Belgien haben keine Geländeformationen für größere Pumpspeicherkraftwerke.

Zu bedenken ist, dass man nicht nur für einen Tag, sondern für weit mehr als nur einen Tag ohne Wind- und Solarstrom vorsorgen muss. Schätzungen, wieviele Tage es sein müssen, liegen weit auseinander. Von Pessimisten werden sogar Werte von 40 Tagen ohne nennenswerte Erzeugung von Wind- und Sonnenstrom genannt.
Wer für diesen riesigen Speicherstrombedarf eine große Zahl solcher 100 km² Tagesspeicher in Norwegen errichten will, muss prüfen, ob sich dort dafür überhaupt genügend geeignete Geländeformationen anbieten. Ein Blick auf die Karte von Norwegen lässt Zweifel aufkommen, ob dort überhaupt eine große Zahl von großen Pumpspeicherkraftwerken unterzubringen sind. Auch sei in diesem Zusammenhang an die internationalen Proteste der Umweltschützer gegen alle bisherigen großen Staudamm-Projekte erinnert.

Solange keine Garantie dafür gegeben werden kann, dass die norwegische Lösung sämtliche deutschen Stromspeicherprobleme lösen wird, wäre es fahrlässig, die energische Entwicklung anderer Alternativen zu vernachlässigen.
In einem gesonderten Beitrag werden wir auf andere Alternativen eingehen.


 

Eine kurze Zusammenfassung aller Anfang Dezember 2010 zum Thema Ausbau von Netzen und Stromspeichern erschienenen Beiträge finden Sie hier.

 

Quellen:


[1]Die speicherbare Energiemenge eines Pumpspeicherkraftwerks lässt sich näherungsweise und ohne Berücksichtigung des Wirkungsgrades ermitteln aus folgendem Produkt:

Oberfläche des Oberbeckens bei halbgefülltem Zustand * Höhendifferenz zwischen Höchstwasserstand und Niedrigwasserstand * Höhendifferenz zwischen mittlerem Wasserstand und Wasserstand im Unterbecken * Dichte von Wasser * Erdbeschleunigung.


[2] Daten zum PSK Goldisthal