Die energiepolitische Lage und unsere Aktivitäten

Im Rückblick auf das Vereinsjahr 2009/2010 überragen drei Ereignisse in ihrer energiepolitischen Bedeutung alle übrigen:

  • Die mit falschen Argumenten begründeten drastischen außerordentlichen Absenkungen der Solarstromvergütung zum 01.07.2010, zum 01.10.2010 und zum 01.01.2011,
  • der unerwartet hohe Zubau von Solarstromanlagen,
  • der peinliche Verzicht der Bundesregierung auf rationale Begründungen für die lange geplante Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke.

Mit Blick auf die außerordentliche Vergütungsabsenkung hat der SFV geduldig darauf hingewiesen, dass Gewinnanreize zum weiteren Ausbau der Solarenergie unabdingbar sind. Gemeinsam mit dem Bund der Energieverbraucher konnten wir nachweisen, dass die Kosten eines verstärkten Zubaus bei der Photovoltaik die Verbraucher nicht überlasten. Wir konnten aufzeigen, dass gerade die Solarenergie teuren Spitzenlaststrom verdrängt und damit über den Merit-Order-Effekt kostensenkend auf den Börsenpreis wirkt. Damit wurde sichtbar, dass die angebliche Überlastung der Verbraucher nur eine vorgeschobene Begründung ist.

Der unerwartet hohe Zubau an Solarstromanlagen bis Juni 2009 ist ein nicht mehr zu widerlegender Beleg dafür, was die deutschen Solarinstallateure zu leisten im Stande gewesen wären, wenn die Politik diese Technik nicht bewusst am Wachstum hindern würde.

Wir sehen schon jetzt, dass die außerordentliche Vergütungsabsenkung die Neuinstallationen im Juli und noch mehr im August 2010 erheblich reduziert hat und befürchten, dass mit der weiteren starken Degression zu Beginn 2011 der Ausbau – insbesondere bei kleineren Anlagen auf Hausdächern – nahezu vollständig zum Erliegen kommt.

Auch beim dritten Thema, der Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke, hat der SFV in den vergangenen Monaten Position bezogen: Die Atomenergie ist eine Hochrisikotechnologie und muss schnellstmöglich durch Erneuerbare Energien abgelöst werden. Neben einer Verschärfung der Endlagerfrage würde die Laufzeitverlängerung den politischen Druck auf die Erneuerbaren Energien massiv verstärken, da schon jetzt an sonnigen Tagen um die Mittagszeit Solarstrom mit einer Leistung von gleich mehreren Atomkraftwerksblöcken eingespeist wird. So wird es schon bald häufiger zu politischen Konflikten zwischen der vorrangigen Einspeisung Erneuerbarer Energien und einer praktisch nicht regelbaren Kernenergie kommen. Der SFV wird argumentativ alle Bemühungen unterstützen, die Laufzeitverlängerung zu stoppen.

Zwei weitere Schwerpunkte der diesjährigen Vereinsarbeit sollen ebenfalls herausgestellt werden:

  • Das Gutachten "Menschenrechte und Klimapolitik" sowie
  • unser Einsatz für einen verstärkten Ausbau von dezentralen Stromspeichern.

Das vom SFV bei Prof. Dr. Felix Ekardt in Auftrag gegebene Gutachten über die Verfassungsmäßigkeit der aktuellen Klimaschutzpolitik kommt – kurz gesagt – zu dem Ergebnis, dass durch die Menschenrechte eine internationale, europäische und nationale Klimapolitik, die über die kümmerlichen bisherigen Ansätze deutlich hinausgeht, zwingend geboten sei. Wir fühlen uns durch die Studie in unserer Auffassung bestärkt, dass die aktuelle Energiepolitik Deutschlands und auch Europas die Lebensgrundlagen und damit die Menschenrechte weiter Teile der Weltbevölkerung aufs Spiel setzt und daher auch gerichtlich angegriffen werden kann. Dieses Gutachten erlangt gerade durch die klimafeindliche rücksichtslose Interessenpolitik der Bundesregierung immer höhere Bedeutung. Ironischerweise steigen gerade dadurch die Chancen auf einen gerichtlichen Erfolg. Wir werden weiterhin sorgfältig prüfen, inwieweit eine konkrete Beschwerdemöglichkeit gegeben ist.

Das Thema dezentrale Stromspeicherung stellt eine der großen technische Herausforderungen bei der Umstellung auf Erneuerbare Energien dar und wird zum Schwerpunktthema. Dementsprechend lautete ein Transparent des SFV auf der zentralen Kundgebung gegen die Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke am 18. September "Speicher, Wind- und Sonnenstrom ersetzen Kohle und Atom".

Unser Energiewenderechner im Internet wurde weiterhin verbessert. Auch hier wurde die Speicherung von Energie berücksichtigt. Ein Einführungsvideo soll Interessenten den Energiewenderechner nahebringen.
Über 25 Vorträge zum Thema 100 % wurden nach unserer Zählung im letzten Vereinsjahr gehalten. Auf unserer Internetseite unter dem Link "Vorträge und Aktionen" kann man sich informieren, wo die nächsten Vorträge in Deutschland - auch von Nichtangehörigen des SFV - zum Thema 100 % gehalten werden.
Auf kommunalem Gebiet haben wir uns weiterhin für die Ausweisung neuer Windvorranggebiete eingesetzt und in Aachen unterstützt der SFV eine Bürgerinitiative, die sich für einen Ausstieg des örtlichen Stadtwerks (STAWAG) aus Beteiligungen an neuen Kohlekraftwerken einsetzt.

Global denken - national handeln

Wenn wir uns konkret für die deutschlandweite Umstellung auf Erneuerbare Energien einsetzen, so verfolgen wir damit das Ziel, diese Energien durch Markteinführung soweit zu verbilligen, dass sie in naher Zukunft aus wirtschaftlichen Gründen europa- und weltweit die Energien aus Kohle, Erdöl, Erdgas und Atom ersetzen.

Die Energiefrage ist DIE zentrale Zukunftsfrage. Von ihrer Lösung hängt der Fortbestand der menschlichen Zivilisation ab. In diesem Sinne möchten wir das Lebenswerk von Hermann Scheer weiterführen, um dessen Tod wir trauern.

Beratung von Solaranlagenbetreibern

Neben der politischen Arbeit, die das Ziel verfolgt, die Rahmenbedingungen in unserem Sinne zu verbessern, sehen wir die Betreiberberatung als wichtige Aufgabe an. Hier liegt unser Schwerpunkt weiterhin bei Problemen mit dem Netzbetreiber. Offensichtlich soll die Zahl der dezentralen Stromerzeuger durch "Abschreckung" möglichst klein gehalten werden. Täglich gehen Anrufe bei uns ein, in denen potentielle Anlagenbetreiber um Rat nachfragen. Manchmal sind die Verstöße der Netzbetreiber gegen das EEG so offensichtlich, dass sie vom Netzbetreiber nach Hinweis auf die Rechtslage abgestellt werden. In den übrigen Fällen bleibt uns nur, die Betreiber an Fachanwälte für Energierecht zu verweisen.
Mit einem nichtständigen Vertreter sind wir in der Clearingstelle EEG vertreten. Dort besteht der Wille, die berechtigten Interessen der Anlagenbetreiber gegen Angriffe durch die Stromnetzbetreiber zu schützen. Allerdings ist angesichts der fortschreitenden Verkomplizierung des EEG davon auszugehen, dass die Zahl der Streitfälle zunehmen wird, so dass auch eine gut organisierte Clearingstelle nur einen geringen Anteil der Fälle wird abarbeiten können. Unsere immer noch aufrecht erhaltene Forderung nach Zahlung einer Bereitstellungsgebühr bei Nichtanschluss einer fertiggestellten Anlage zeigt sich somit weiterhin als vordringlich.

Solarbriefe

Im Vereinsjahr sind vier Solarbriefe (4/09 bis 3/10) erschienen.

Ertragsdatenbank für Solarstromanlagen

Der SFV betreibt die weitaus größte öffentliche Datenbank mit Erträgen von über 10.000 Solarstromanlagen. Die statistischen Auswertungen dieser Erträge werden auch von der Arbeitsgruppe Statistik des BMU genutzt. Sie geben Anlagenbetreibern einen ungeschminkten Anhalt darüber, wieviel Strom man in den verschiedenen PLZ-Bereichen und in den verschiedenen Monaten aus Solaranlagen gewinnen konnte.

Mitgliederzahlen (Stand 27.10.10)

Die Vorjahresstände zeigen das kontinuierliche Anwachsen des Vereins:
Persönliche Mitglieder: 2745 (In den Vorjahren 2589, 2402, 2273, 2232, 2194, 2076, 2010, 2147, 2040, 1738, 1597)
Fördermitglieder: 333 (265, 210, 205, 192, 179, 171, 160, 155, 150, 106, 78)

Vereinsziel für das Jahr 2010/2011

Nachdem die Notwendigkeit Energieautonomie auf der Basis von 100 % Erneuerbaren Energien von praktisch allen maßgeblichen politischen Parteien in Deutschland als akzeptiert gelten kann, müssen wir den Blick jetzt auf die konkrete Umsetzung, insbesondere auf die Austragung von Konflikten mit der etablierten Energiewirtschaft richten.

Politische Forderungen für das neue Vereinsjahr

  • Anhebung der Vergütung für Solaranlagen, insbesondere für kleine Anlagen (< 30kWp), damit ein Wachstum im Ausbau der PV sichergestellt ist;
  • Besondere Vergütungen für gebäudeintegrierte PV-Anlagen;
  • Verpflichtung der Endkundenversorger, auf den Stromrechnungen die Senkung des Strombeschaffungspreises durch die Erneuerbaren Energien zu nennen;
  • Keine Genehmigungen für neue fossile Kraftwerke mit oder ohne CCS;
  • Abschaltung der Atomkraftwerke;
  • Abschaffung aller Privilegien für die Erschließung neuer Braunkohlegruben, Erdöl- und Erdgasfelder sowie den Abbau von Kernbrennstoffen;
  • Ausweitung der Endlagersuche für hochradioaktive Abfälle auf alle geologisch geeigneten Standorte;
  • Schnellstmöglicher Ausstieg aus dem Emissionshandel;
  • Ein Gesetz zur konsequenten Liberalisierung des Stromhandels und Berücksichtigung des marktwirtschaftlichen Preises bis zum letzten Anschlussnehmer;
  • Anreize zum Bau dezentraler Stromspeicher;
  • Nicht der HANDEL mit "grünem Strom", sondern die ERZEUGUNG von Strom aus Erneuerbaren Energien muss vorangetrieben werden;
  • Gewinnbringende (mehr als kostendeckende) Einspeisevergütung im EEG. Zur Vermeidung von Missverständnissen: Die Vergütung soll (unabhängig von den möglichen Gewinnen der Hersteller) den Betreibern der Anlagen Gewinne ermöglichen, die denen in der Energiewirtschaft entsprechen. Damit soll die Nachfrage nach neuen Anlagen schneller steigen als bisher.
  • Beseitigung der administrativen und gesetzlichen Hemmnisse für den Ausbau der Windenergie im Binnenland;
  • Verstaatlichung der Strom- und Gasnetze;
  • Verpflichtung für die Netzbetreiber zur Erschließung weiterer Regionen mit hohem Potential Erneuerbarer Energien durch Neubau entsprechender Stromleitungen;
  • Verpflichtung der Netzbetreiber zum Erstellen aller Anschlussleitungen für Anlagen zur Nutzung der Erneuerbaren Energien;
  • Verpflichtung der Netzbetreiber zur Zahlung einer Bereitstellungsgebühr für betriebsfertige Anlagen der Erneuerbaren Energien, deren Strom - aus welchen Gründen auch immer - nicht abgenommen werden kann;
  • Baupflicht für Neubauten und Nachrüstpflicht für Altbauten zur Vollwärmedämmung und zur Errichtung von Solaranlagen (Photovoltaik oder Solarthermie).
  • Der Schutz von Solaranlagenbetreibern gegenüber nachträglicher - nicht vorhersehbarer - Verschattung muss gesetzlich geregelt werden.
  • Durch eine Verlagerung der Steuerlast von der menschlichen Arbeit auf den Einsatz von Energie kann die häufig beschworene Energieeffizienz gesteigert werden.
  • Wir fordern - und dies gilt nicht nur für das EEG - jede Ausnahme bei der Besteuerung des Energieverbrauchs bei den energieintensiven Betrieben aufzuheben.

24 Jahre Unabhängigkeit - Dank an Mitglieder und Spender!

Unser Verein nimmt seit nunmehr 24 Jahren eine wichtige Funktion in der Energie- und Wirtschaftspolitik als Vordenker und Mitinitiator ein, indem er Grundsatzprobleme anpackt, sie verständlich aufarbeitet und in die öffentliche Diskussion hineinträgt. Wir können stolz darauf sein. Die Wahrnehmung dieser Aufgabe verlangt finanzielle und geistige Unabhängigkeit, die auf die treue Unterstützung von mehr als 2700 Mitgliedern zurückgeht und für die der Vorstand ausdrücklich dankt!

Ebenfalls danken wir den Infostellen des SFV und vielen Mitgliedern, die uns mit neuen Ideen und Vorschlägen, sowie konstruktiver Kritik bei der Weiterentwicklung unserer Forderungen und bei unseren Veröffentlichungen helfen.

Schließlich sprechen wir einen besonderen Dank an unsere vier hauptamtlichen Mitarbeiterinnen aus, die den täglichen Betrieb in der Geschäftsstelle des SFV "am Laufen" halten.

Der bisherige Vorstand bittet Sie um Entlastung und der sich zur Wahl stellende neue Vorstand bittet um Beauftragung für das nächste Vereinsjahr!