Stromfernleitungen sind Teil des zentralistischen Systems

Es geht hier nicht, wie man meinen könnte, um den Bau von Stromleitungen, mit denen Binnenland-Windparks ans öffentliche Stromnetz angeschlossen werden. Es geht auch nicht darum, dass eine Großstadt wie Berlin zukünftig über Hochspannungsleitungen aus dem weiteren Umland, z.B. aus der Mark Brandenburg oder dem südlichen Mecklenburg-Vorpommern mit Strom aus Windparks und Stromspeichern versorgt werden muss. Es geht hier vielmehr um den Bau von Hoch- oder Höchstspannungs-Fernleitungen über tausende von Kilometern, der in der Bevölkerung auf erhebliche Widerstände trifft.
Eine angemessene Beurteilung solcher Fernleitungen darf nicht nur deren technologische Vor- und Nachteile berücksichtigen, sondern muss diese Fernleitungen auch als Teil eines Systems verstehen. Zu diesem System gehören nicht nur die Anlagen und Stromleitungen, sondern auch ihre Betreiber und deren Interessen. Nennen wir dieses System das zentralistische System.

Das zentralistische System will den Umstieg verzögern

Dieses System ist im Wesentlichen das gegenwärtige Energiesystem.
Geführt wird es in wirtschaftlicher und ideologischer Hinsicht von den Stromkonzernen. Deren Interessen bestehen darin, den bestehenden Großkraftwerkspark, die Ferngasleitungen, das bestehende Stromnetz und die Braunkohlegruben zur Erzielung möglichst hoher Gewinne möglichst lange zu betreiben. Solarstromanlagen auf Dächern oder Windanlagen auf Ackerfl ächen kommen dafür zu früh. Sie werden deshalb nur als unerwünschte Konkurrenz gesehen und möglichst ausgeblendet. Im Gegensatz dazu befasst man sich planerisch mit Großprojekten, die schon wegen ihres räumlichen aber auch wegen ihres finanziellen Umfanges ausschließlich den Stromkonzernen vorbehalten sind. Zu den Projekten der
Zentralisten gehören: Solar- und Windkraftwerke in Nordafrika (Desertec), Pumpspeicherkraftwerke in Norwegen, Offshore-Windparks in Nord- und Ostsee.

Eine der Voraussetzung für alle diese Projekte ist der Bau von Fernleitungen.

Die Begründung der Zentralisten für ihre Großprojekte sind bekannt: Man solle die Sonne dort nutzen, wo sie richtig scheint und den Wind dort, wo er richtig weht, denn das sei billiger. Diese Preisbegründung ist vermutlich nicht zutreffend, denn Großprojekte kommen erfahrungsgemäß in der Umsetzung immer auf ein Mehrfaches des ursprünglichen Preises.

Viel wichtiger aber, und in der Öffentlichkeit kaum diskutiert ist der Zeitfaktor. Zunächst einmal verlangen diese Großprojekte erhebliche Planungszeit. Es sind die Interessen vieler Länder und Regierungen zu berücksichtigen. In Bezug auf Desertec muss sogar erst noch die politische Beruhigung von ganz Nordafrika abgewartet werden.

Vor diesem Hintergrund wird mit einem Male die Aussage der Zentralisten verständlich, man brauche noch eine Brücke ins Zeitalter der Erneuerbaren Energien.

Das dezentrale System ist an schnellem Wachstum interessiert

Das dezentrale System wird betrieben durch Privatpersonen und mittelständische Unternehmen. Zunehmend kommen auch hier wirtschaftliche Interessen ins Spiel. Den neu gegründeten Unternehmen geht es um Wachstum und rasche Vergrößerung des Anteils der Erneuerbaren Energien. Es zeigt sich dabei, dass Solar- und Windanlagen verteilt im ganzen Land - d.h. gleichzeitig in der Nähe der Verbraucher - hierfür das größte Entwicklungspotential bieten.

Das dezentrale System integriert die Solar- und Windanlagen im Wesentlichen in die Verteilnetze

Die Nähe der Erzeuger zu den Verbrauchern minimiert außerdem den Bedarf an Stromleitungen.

Das dezentrale System braucht dezentrale Stromspeicher in den Verteilnetzen

Damit das dezentrale System auch bei Windstille und bedecktem Himmel funktioniert, benötigt es Energiespeicher. Diese können - dem Grundgedanken der Dezentralisierung und Eigenverantwortung folgend - dezentral in der Nähe der Erzeuger bzw. der Verbraucher angeordnet werden. Wichtig ist auch, dass diese Speicher in der Kontrolle der Verbraucher stehen, die so selber entscheiden, wieviel Energie sie zu ihrer eigenen Versorgungssicherheit speichern und bezahlen müssen.

Den Verfechtern des dezentralen Systems geht es um eine schnelle Umsetzung. Ein Warten auf den ungewissen Ausbau der Fernleitungen ist deshalb nicht angeraten. Wir beim Solarenergie-Förderverein Deutschland setzen uns deshalb für das dezentrale System ein.

Da das dezentrale System prinzipiell auch ohne Fernleitungen auskommt und da es ohnehin einen beklagenswerten Rückstand beim Speicherausbau gibt, sollten wir uns ganz auf den raschen Ausbau der dezentralen Speicher konzentrieren.

Zusammenfassung:

Technisch gesehen ist sowohl ein zentrales als auch ein dezentrales System der Energieversorgung mit Erneuerbaren Energien denkbar.

Beim zentralen System werden große Energieerzeugungsanlagen und große Speicheranlagen über europaweite Fernübertragungsleitungen mit den Verbrauchern verbunden.

Beim dezentralen System werden viele kleine Energieerzeugungsanlagen und dezentrale Stromspeicher in die Verteilnetze integriert.

Da das dezentrale System die schnellere Verwirklichung verspricht, setzen wir uns für die dezentrale Energieversorgung aus heimischer Erneuerbarer Energie ein.

Dazu konzentrieren wir uns auf den Bau von Stromspeichern anstatt auf den Bau von Fernleitungen.