Die auch in diesem Jahr gut besuchte Tagung bildete wieder ein ansprechendes Rahmenprogramm für die Mitgliederversammlung des SFV.

Dr. Souvignier wies in seiner Begrüßung darauf hin, dass aufgrund von Krankheiten von zwei Referenten Veränderungen im Programm vorgenommen werden mussten.

So hielt Herr Grüger (im Namen von Eurosolar) stellvertretend den ersten Vortrag. Er setzte sich gleich zu Beginn kritisch mit der Verwendung der Sprache auseinander. So suggeriere der Begriff „Strommarktdesign“ doch in weiten Teilen der Öffentlichkeit über die positiv besetzten Begriffe Markt und Design eine positive Einstellung, doch in Wahrheit stecke hinter der Formulierung nichts anderes als eine alte Energiemarktordnung, deren Grundzüge schon vor der Mitte des letzten Jahrhunderts geschaffen worden sei und die letztlich nur dazu diene, das Oligopol der Stromerzeuger und neuerdings einiger weiterer Partner (z.B. Netzbetreiber) zu zementieren.

Herr Grüger, Mitglied im hessischen Landtag, ist selbst seit Jahren im Energiehandel tätig. Er stellte heraus, dass die vorliegende Marktordnung und die im EEG eingebrachten Instrumente den Ausbau der Erneuerbaren Energien behinderten und das Oligopol der Erzeuger und Netzbetreiber stabilisierten. Er sprach im Zusammenhang mit den letzten Änderungen des EEG von „erstickenden Deckeln“ für die Wind- und Solarenergie.

Herr Grüger stellte der bestehenden Marktordnung das Konzept von Hermann Scheer mit dezentralen Erneuerbaren Energien gegenüber. Dezentrale, autonome (nicht autarke) Strukturen mit Speichern seien am ehesten in der Lage, die Energiewende bürgernah umzusetzen. Dazu wäre auch der Bau der HGÜ-Trassen von Nord nach Süd überflüssig, ja kontraproduktiv, denn diese wären maßgeschneidert für das Weiterbestehen des Oligopols.

Er beschrieb die aktuelle Situation, in der der Ausbau der Erneuerbaren nicht mehr besonders schnell vorankommt und die etablierte Stromwirtschaft ihre Pfründe heftig verteidigt so, wie dies Hermann Scheer bereits vorhergesehen habe: „The empire strikes back.“

Man stehe also im Kampf für eine neue Marktordnung, die den Erneuerbaren angemessen sei, erst am Beginn der harten Auseinandersetzungen.

Abschließend kritisierte Herr Grüger die oftmals voreingenommene und oft manipulierte Presseberichterstattung in Energiefragen. Dies würde maßgeblich dazu beitragen, die Öffentlichkeit zu beeinflussen. Als Beispiel nannte er die Presseberichte über die Agora-Speicherstudie genannt, die nicht den Sinn und Wesensgehalt des maßgeblichen Verfassers widerspiegelten.

Die zweite Vortragende war Frau Dr. Stenglein vom Büro für Energiewirtschaft und technische Planung (BET). Sie befasste sich in ihrem Vortrag mit möglichen Strukturelementen, die für einen weiteren Ausbau der Erneuerbaren im Strommarkt nützlich sein könnten.

Zu Beginn legte sie dar, dass viele Punkte schon jetzt darauf hindeuten, dass der existierende Energy-only-Market (EOM) wenig zukunftsfähig sei. Sie machte das daran fest, dass über Verordnungen schon jetzt Reservekraftwerke „völlig intransparent“, also am Markt vorbei, vorgehalten würden und das Redispatch der Übertragungsnetzbetreiber ebenfalls zu „intransparenten und verdeckten“ Mehrkosten führe. Zudem führe das System aufgrund von Überkapazitäten bei hohem Anteil Erneuerbarer dazu, dass massenhaft Strom ins Ausland zu Niedrigpreisen verramscht würde.

Frau Dr. Stenglein betonte, die Strombörse sichere keine Kapazität (womit vielleicht auf die Schaffung eines Kapazitätsmarkts verwiesen werden sollte). Als mögliche Verbesserungen regte sie an, die Ausschreibungen für Regelenergie nicht mehr wöchentlich sondern täglich vorzunehmen, damit aufgrund der mittlerweile guten Prognosegenauigkeit auch Erneuerbare-Energien-(EE)-Anlagen mit volatiler Erzeugung (aus Wind und Sonne) an diesem Markt teilnehmen könnten.

Das mögliche Potential von Laststeuerung (DSM = demand side management) hielt sie für beschränkt, den in einigen Veröffentlichungen genannten Wert von 11 GW Verlagerungspotential bezeichnete sie als „theoretischen Wert“.
Sie plädierte für einen verstärkten Netzausbau (Verteilung) und die Nutzung eines „Mix unterschiedlicher Bausteine“ zur Integration eines höheren Prozentsatzes Erneuerbarer Energien im deutschen Markt.

Der Sonntagmorgen begann mit einem kurzen Vortrag von Wolf von Fabeck (SFV), der das Konzept des SFV erläuterte, das auf eine Abschaffung des Terminmarkts (und von OTC-Geschäften) abzielt.

Er erläuterte, wie in der jetzigen Vermarktung der Erneuerbaren Energien Probleme entstehen.

Aufgrund von bestehenden Verträgen (OTC bzw. Termingeschäfte) sind Kapazitäten im Leitungsnetz bereits durch fossil erzeugte Strommengen blockiert. Es kommt – ganz besonders zu Zeiten mit hohem Anfall von Wind- und/oder Solarstrom zu Preisverfall. Dadurch wird der Stromexport befördert und Energie zu Schleuderpreisen verramscht. Zudem führt es letztlich zur Abregelung von EE-Anlagen, obwohl noch genügend fossile Kraftwerke in Netz laufen, deren Strommenge durch Erneuerbare ersetzt werden könnte.

Der gesetzlich vorgesehene Vorrang der Erneuerbaren in Stromnetz wird durch Termingeschäfte somit wirkungsvoll ausgehebelt. Würden alle Teilnehmer nur am Spotmarkt handeln, so ließe sich der Vorrang von EE einfacher wirksam umsetzen, denn unflexible (Braun-)Kohlekraftwerke müssten sukzessive vom Netz gehen, weil sie der Dynamik der Erneuerbaren nicht schnell genug folgen können ohne Schaden zu nehmen.

Auch wenn der Vorschlag zur Abschaffung von OTC- und Terminmärkten rechtlich vielleicht schwierig umzusetzen sei so zeigt er doch klar auf, wo die heutigen Probleme stecken und wie sie überwunden werden können.

Im zweiten Vortrag am Sonntagvormittag vertrat Prof. Eberhard Waffenschmidt den erkrankte Prof. Ingo Stadler (beide FH Köln und Mitglieder des CIRE, Cologne Institute for Renewable Energies). Prof. Waffenschmidt begann mit einer Darstellung, die erläuterte, dass seit etwa zwei Jahren die EEG-Kernumlage (=Auszahlungen an die Betreiber von EE-Anlagen) gar nicht mehr ansteigt. Der jüngste Anstieg der EEG-Umlage sei vielmehr den Ausnahmen für die Industrie und dem verfallenden Marktpreis anzulasten. So komme es aber, dass die Erneuerbaren Energien oftmals als Preistreiber diskreditiert würden.
Dann erläuterte er, wie die bestehende Marktordnung für Strom quasi als alternativlos hingenommen würde. Dabei führe eine Übertragung der Handelsmechanismen auf andere Produkte (in seinem Beispiel Aktien) sofort jedermann zu der Erkenntnis, dass man nicht unterschiedliche Dinge in einen Topf (einen Markt) werfen dürfe.

Prof. Waffenschmidt zählte maßgebliche Anforderungen an eine Strom-Ordnung auf: angemessene Vergütungen der Akteure, Lenkungswirkung (z.B. CO2-Vermeidung, Ressourcenschonung), Berücksichtigung physikalischer Grundsätze (Gleichzeitigkeit von Generation und Verbrauch, Volatilität). Daraus folge, dass ein marktwirtschaftliches Modell eine Lösung sein könne, aber nicht notwendigerweise sein müsse. Er führte außerdem aus, dass die Instrumente Eigenverbrauchsbonus, Eigenverbrauchsmalus bzw. die „Marktintegration“ von Erneuerbaren vollkommen am Ziel einer Vollversorgung mit EE vorbei führten. Auch müsse kritisch hinterfragt werden, wie „Bilanzkreise“, in denen ein Ausgleich von Angebot und Nachfrage vorgenommen würde, aussehen sollten. Das einzelne Haus sei es sicher nicht, aber auch ein pan-europäisches Netz müsse dies nicht notwendigerweise sein. Aus Sicht von Prof. Stadler spricht vieles für eine Bilanzierung über Deutschland, die aber einem europäischen Stromaustausch nicht zwingend im Wege stünde. Darauf aufbauend stellte Prof. Waffenschmidt sein Konzept von „zellularen Netzen“ vor, die mit Speichern ausgestattet weitgehend autonom die Versorgung sichern könnten.
Als notwendige dritte Komponente seien Speicher unverzichtbar, da nur mit ihnen zukünftig Versorgungssicherheit möglich sei. Als mögliches Vorgehen biete sich hierfür ein Kapazitätsmarkt für Speicher an, der technologie-offen zu einem Wettbewerb der Anbieter führen könne. Zur Langzeitspeicherung plädieren beide Professoren für eine gesetzlich vorgeschriebene „strategische Stromreserve“, analog zu einer strategischen Öl- und Gasreserve für 90 Tage.

Der Vortrag endete mit den drei Feststellungen, eine Vollversorgung mit Erneuerbaren Energien benötige Planung und dann Markt, Speicher seien systemrelevant und mit Kapazitätsmärkten abbildbar und der Notwendigkeit einer „strategischen Stromreserve“ für die langzeitgesicherte Versorgung des Landes.

In der abschließenden Podiumsdiskussion, an der neben Dr. Souvignier als Moderator Frau Dr. Stenglein, Prof. Waffenschmidt und Herr von Fabeck teilnahmen, wurden unterschiedliche Aspekte und Fragestellungen rund um die Strommarktordnung diskutiert. Die Teilnehmer konnten sich ein umfassendes Bild der komplexen Materie machen und erhielten wertvolle Anregungen für eine weitergehende kritische Diskussion von Strommarktthemen.
Alle Vorträge liegen dem SFV als pdf-Datei vor und können auf Anfrage zugesandt werden.