Netzanschluss oder Netzverstärkung -
Kurzgutachten, Dr. Bönning:
vom 05.02.2001
Rechtsanwältin Dr. Christina Bönning
I. Gesetzliche Grundlagen
Mit dem Gesetz für den Vorrang erneuerbarer Energien hat der Gesetzgeber in den §§ 3 und 10 eine ausdrückliche Regelung über die Abnahme- und Vergütungspflichten der Netzbetreiber als auch über die Netzkosten für den Anschluß von Anlagen zur Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien getroffen.
"§ 3 Abnahme- und Vergütungspflicht (1) Netzbetreiber sind verpflichtet, Anlagen zur Erzeugung von Strom nach § 2 an ihr Netz anzuschließen. Die Verpflichtung trifft den Netzbetreiber, zu dessen technisch für die Aufnahme geeigneten Netz die kürzeste Entfernung zum Standort der Anlage besteht. Ein Netz gilt auch dann als technisch geeignet, wenn die Abnahme des Stroms unbeschadet des Vorrangs nach Satz 1 erst durch einen wirtschaftlich zumutbaren Ausbau des Netzes möglich wird; in diesem Fall ist der Netzbetreiber auf Verlangen des Einspeisewilligen zu dem unverzüglichen Ausbau verpflichtet."
Somit verpflichtet § 3 Abs. 1 EEG den Netzbetreiber, Anlagen zur Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien an ihr Netz anzuschließen. Diese Verpflichtung trifft den Netzbetreiber, dessen Netz technisch geeignet ist und bei mehreren technisch geeigneten Netzen ist entscheidend, zu welchem Netz die kürzeste Entfernung zwischen Anlage und Netz besteht. Falls das Netz nicht technisch geeignet ist, so bedeutet dies nicht, daß damit die Verpflichtung entfällt und ein anderes Netz den Strom aufnehmen muß. Vielmehr verpflichtet das Gesetz den Netzbetreiber auch zu einem wirtschaftlich zumutbaren Ausbau.
"§ 10 Netzkosten
(1) Die notwendigen Kosten des Anschlusses von Anlagen nach § 2 an den technisch und wirtschaftlich günstigsten Verknüpfungspunkt des Netzes trägt der Anlagenbetreiber. Die Ausführungen des Anschlusses muß den im Einzelfall notwendigen technischen Anforderungen des Netzbetreibers und dem § 16 des Energiewirtschaftsgesetzes vom 24.04.1998 (BGBl.IS.730) entsprechen. Der Anlagenbetreiber kann den Anschluß von dem Netzbetreiber oder einem fachkundigen Dritten vornehmen lassen.
(2) Die notwendigen Kosten eines nur in Folge neu anzuschließender Anlagen nach § 2 erforderlichen Ausbaus des Netzes für die allgemeine Versorgung zur Aufnahme und Weiterleitung der eingespeisten Energie trägt der Netzbetreiber. Der Netzbetreiber muß die konkret erforderlichen Investitionen unter Angabe ihrer Kosten im einzelnen darlegen. Die Netzbetreiber können den auf sie entfallenden Kostenanteil bei der Ermittlung des Netznutzungsentgeltes in Ansatz bringen. "
Entsprechend der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes werden Kosten, die durch den Anschluß entstehen, dem Anlagenbetreiber auferlegt. Wird durch den Anschluß der Anlage ein Netzausbau notwendig, muß der Netzbetreiber diese Kosten tragen.
II. Europarechtliche Vorgaben
Konkrete europarechtliche Vorgaben etwa in Form einer Richtlinie für den Vorrang erneuerbarer Energien, welche bei der Auslegung des EEG in diesem Zusammenhang herangezogen werden könnten, bestehen nicht. Zwar gibt es auch seitens der europäischen Union Bestrebungen zur Erhöhung des Anteils erneuerbarer Energien insbesondere zur Reduzierung der Emissionen von Treibhausgasen, doch sind diese bisher nicht weiter konkretisiert worden. Ein Verstoß der deutschen Regelung gegen besonderes Recht der europäischen Union kommt daher nicht in Betracht.
Auch im Hinblick auf die grundsätzliche Vereinbarkeit mit dem allgemeinen Primärrecht der europäischen Union bestehen wegen der Anschluß- und Kostentragungspflichten des EEG keine Bedenken.
III. Abgrenzung von Netzausbau und Netzanschluß - Grundsatz
Maßgeblicher Bezugspunkt für die Abgrenzung, wer welche Kosten für die Verbindung einer Anlage zur Produktion von Strom aus erneuerbaren Energie zu tragen hat, ist nach der gesetzlichen Regelung, inwieweit es sich dabei um einen Netzanschluß oder um einen Netzausbau handelt. Den Anschluß zahlt der Anlagenbetreiber; die Kosten des Netzausbaus trägt der Netzbetreiber. Diese grundsätzlich erfreulich klare Regelung ist im Einzelfall unklar. Wann ein Netzausbau oder -anschluß vorliegt, wird im Gesetz nämlich nicht definiert und bedarf damit der Auslegung.
Auch die Gesetzesbegründung ist in diesem Zusammenhang äußerst spärlich. Die Regelung der Anschlußkosten soll der Vermeidung von Rechtsstreitigkeiten und damit der Transparenz und Rechtssicherheit dienen. Die von mehreren Gerichten getroffene Kostenverteilung wurde Gesetz. Aus dem Umstand, daß der Gesetzgeber sich hier an der vorhergehenden Rechtsprechung orientiert hat, kann aber kein Rückschluß auf die Definition "Netzausbau" und "Netzanschluß gezogen werden. Die Gerichte haben nämlich nur entschieden, daß der Anlagenbetreiber die Kosten des Anschlusses tragen muß. Mehr wurde nicht entschieden.
Des weiteren ist zur Klarstellung in der Gesetzesbegründung eine Regelung hinsichtlich der Nutzung eines Netzes, das zwischen der Anlage und einem Netz für die allgemeine Versorgung liegt, getroffen worden. Aus diesem Teil der Gesetzesbegründung läßt sich hier für die aufgeworfene Frage nichts ableiten.
Darüber hinaus nimmt der Gesetzgeber Bezug auf die mit Zustimmung der europäischen Kommission seit 1997 in Dänemark geltender Regelung, nach der der Netzbetreiber die Kosten für den Netzausbau zu tragen hat. Aus der Gesetzesbegründung kann damit keine Definition für Netzausbau und -anschluß abgeleitet werden.
Den Wortlaut zugrunde gelegt handelt es sich bei Netzanschlußkosten um Kosten für die erforderliche Verbindung zwischen Anlage und Verknüpfungspunkt. Bei den Netzausbaukosten handelt es sich um Kosten für die erforderliche Maßnahme ab Verknüpungspunkt. Entscheidend ist dabei die Festlegung des Verknüpfungspunktes.
Verknüpfungspunkt ist die Schnittstelle zwischen vorhandenem Netz und Netz für die Anlage.
IV. Grenzfälle
Diese grundsätzliche Kostenverteilung wird im Einzelfall problematisch und bedarf einer Konkretisierung. Diese Konkretisierung erfolgt am besten anhand verschiedener Grenzfälle.
1.
Erster Grenzfall: Verknüpfungspunkt ist unstreitig; das Netz muß entweder nicht ausgebaut werden oder es besteht kein Streit darüber, daß der Netzbetreiber das Netz ausbaut; problematisch ist jedoch die Ausführung des Netzanschlusses.
In solchen Fällen konkretisiert § 10 Abs. 1 S. 1 EEG die Kostenpflicht des Anlagenbetreibers weiter. Auch wenn der jeweilige Netzbetreiber die technischen Anforderungen an den Anschluß an sein Netz vorgibt, darf er über das technische Notwendige nicht hinausgehen. Nach § 10 Abs. 1 S. 1 EEG hat der Anlagenbetreiber nämlich nur die notwendigen Kosten für den Anschluß an den technisch und wirtschaftlich günstigen Verknüpfungspunkt des Netzes zu tragen.
Entscheidend ist dabei das Wort "notwendig" und daß sich der Anschluß an den im Einzelfall notwendigen technischen Anforderungen des Netzbetreibers und § 16 EnWG orientieren muß. Damit ist wiederum ein objektiver Maßstab vorgegeben. Bestehen verschiedene kostenintensive Anschlußmöglichkeiten, die jedoch sämtlich den technischen Anforderungen genügen, ist der Anlagenbetreiber demnach nur zur Erstellung des günstigsten Anschlusses verpflichtet. Dies ergibt sich aus der allgemeinen Bedeutung des Wortes notwendig (nur das, was auch notwendig ist, hat zu erfolgen) und des weiteren daraus, daß bei der Auslegung des EEG die Zielbestimmung gemäß § 1 EEG zu berücksichtigen ist. Ziel des Gesetzes ist gemäß § 1 EEG die deutliche Erhöhung des Beitrages erneuerbarer Energien an der Stromversorgung und mindestens einer Verdoppelung bis zum Jahr 2010. Diese Zielbestimmung hat für sich genommen keine unmittelbare Rechtsfolge, kann aber bei der Auslegung der Vorschriften herangezogen werden.
Anschlußkosten, die nicht notwendig sind, gefährden die Wirtschaftlichkeit des Anlagenbetriebes und sind damit mit dem EEG nicht zu vereinbaren.
Möchte der Netzbetreiber dennoch den teureren Anschluß (z.B.: weil er die Anschlußleitung noch anderweitig nutzen möchte), so kann er selbstverständlich mit dem Anlagenbetreiber vereinbaren, daß dieser Anschluß durchgeführt wird. In diesem Falle muß der Anlagenbetreiber die Kosten nur in der Höhe tragen, die entstanden wären, wenn der andere (preiswerte) Anschluß durchgeführt worden wäre. Die weiteren Anschlußkosten müssen in einer vertraglichen Regelung vom Netzbetreiber übernommen werden. Darüber hinaus sollte auch das Eigentum, die Wartung und eine Haftung nicht zu Lasten des Anlagenbetreibers geregelt werden.
2.
Zweiter Grenzfall: Verlegung des Verknüpfungspunkts auf Wunsch des Netzbetreibers
Der zweite Grenzfall ist dadurch gekennzeichnet, daß in der wünschenswerten Nähe der Anlage (beurteilt vom Anlagenbetreiber) sich ein Netz befindet. Dieses Netz ist nach der Ansicht des Netzbetreibers aus von ihm bezeichneten Gründen nicht zur Aufnahme des Stromes geeignet. Der Netzanschluß soll deshalb an einem weiteren Verknüpfungspunkt liegen, der jedoch zu höheren Anschlußkosten führt.
a) Nur technische Bedenken
Bei diesen Fällen ist zunächst zu berücksichtigen, daß nur technische Gründe eine Rolle spielen können. § 3 begrenzt die Verpflichtung des Netzbetreibers nur dadurch, daß das Netz technisch für die Aufnahme geeignet sein muß.
Wirtschaftliche Erwägungen in der Weise, daß bei einer Einspeisung an dem vom Anlagenbetreiber gewählten Verknüpfungspunkt wirtschaftliche Interessen des Netzbetreibers negativ berührt sind, spielen hierbei keine Rolle. Wenn das Netz aus technischen Gründen zur Aufnahme geeignet ist, ist der Netzbetreiber, zu dessen Netz die kürzeste Entfernung zum Standort der Anlage besteht, zur Aufnahme verpflichtet. Dies hat der Gesetzgeber in § 3 Abs. 1 EEG ausdrücklich geregelt.
Der Gesetzgeber hat darüber hinaus durch seinen Wortlaut klargestellt, daß die technische Eignung nicht deshalb in Frage gestellt werden darf, weil das Netz mit Strom aus konventionellen Energien ausgelastet ist. Dies ist logische Konsequenz des in § 3 Abs. 1 S. 1 EEG normierten Prinzips, nach dem Strom aus erneuerbaren Energien vorrangig abzunehmen ist.
b) Beseitigung der Bedenken durch einen Netzausbau
Wenn der Netzbetreiber seine Bedenken auf technische Gründe stützt, so muß weiter gefragt werden, ob diese Bedenken durch einen Ausbau beseitigt werden können. Sollte es tatsächlich so sein, daß auch bei einem Ausbau des Netzes die Probleme nicht beseitigt werden können, so ist der Netzbetreiber von seiner Verpflichtung befreit. Sollte ein Ausbau grundsätzlich geeignet sein, die Bedenken auszuräumen, so ist weiter zu fragen, ob der Ausbau wirtschaftlich zumutbar ist. Wenn dies der Fall ist, so kann der Anlagenbetreiber an diesem Verknüpfungspunkt anschließen und die Kosten des Netzausbaus sind vom Netzbetreiber zu tragen.
c) Ausbau muß wirtschaftlich zumutbar sein
Es stellt sich hierbei die Frage, wann der Ausbau noch wirtschaftlich zumutbar ist. Auch in diesem Fall ist der Gesetzesbegründung nicht zu entnehmen, in welchen Fällen von einer wirtschaftlichen Unzumutbarkeit auszugehen ist.
aa) Ausbau nur in Ausnahmefällen
Insbesondere ist der Gesetzesbegründung auch nicht zu entnehmen, daß nur in Ausnahmefällen der Netzbetreiber zum Ausbau verpflichtet sein soll und deshalb die Norm möglichst eng auszulegen ist. Es ist zwar richtig, daß in der Gesetzesbegründung die Notwendigkeit eines Ausbaus als Ausnahmefall geschildert wurde, jedoch beziehen sich diese Ausführungen des Gesetzgebers nur auf die Situation, in der wegen einer vollständigen Auslastung des Netzes mit Strom aus erneuerbaren Energien nur dann weiterer Strom aus erneuerbaren Energien aufgenommen werden kann, wenn das Netz ausgebaut wird. Dies erklärt sich daraus, daß der Gesetzgeber eine vorrangige Abnahme von Strom aus erneuerbaren Energien festlegte. Die Auslastung des Netzes durch konventionell erzeugten Strom sollte darf deshalb ohnehin kein Grund sein, die Abnahme des Stromes abzulehnen. Es entspricht den tatsächlichen Gegebenheiten, daß nur in ganz wenigen Fällen tatsächlich das Netz bereits vollständig durch Strom aus erneuerbaren Energien ausgelastet sein wird.
Insoweit ist es folgerichtig, nur in Ausnahmefällen von der Pflicht zum Netzausbau auszugehen. Der Gesetzgeber hat bei dieser Regelung gar nicht an andere Gründe gedacht, die einen Ausbau notwendig machen. Es ist deshalb schon zweifelhaft, ob der Gesetzgeber die Ausbaupflicht in anderen Fällen begrenzen wollte. Die Gesetzesbegründung läßt damit sogar den Schluß zu, daß wenn der Gesetzgeber die Ausbaupflicht des Netzbetreibers in einem solchen Zusammenhang nur begrenzen wollte, daß in allen anderen Fällen der Gesetzgeber eher davon ausging, daß eine unbegrenzte Ausbaupflicht angenommen werden kann.
bb) Gesamtwirtschaftliche Erwägung
Es kann auch nicht der Ansicht gefolgt werden, daß die wirtschaftliche Zumutbarkeit des Netzausbaus von der eingespeisten Energiemenge abhängt oder die Netzausbaukosten zu den Gesamtprojektinvestitionskosten in Verhältnis gesetzt werden müssen. Für eine solche Auffassung findet sich in den Gesetzesmaterialen keine Grundlage. Insbesondere hat der Gesetzgeber auch nicht von einem wirtschaftlich sinnvollen oder weniger sinnvollen Ausbau gesprochen, was eine Auslegung wie vorher geschildert, gerechtfertigt hätte. Der Wortlaut des Gesetzes spricht eher dafür, die Ausbaupflicht nur dann zu begrenzen, wenn bei Berücksichtigung wirtschaftlicher Interessen der Ausbau nicht mehr zumutbar ist.
Im übrigen dürfte es dem Netzbetreiber auch gleichgültig sein, welche Energiemenge eingespeist wird. Er würde diese auf jeden Fall nach § 11 EEG weitergeben. Er selber kann durch eine hohe eingespeiste Energiemenge auch keinen wirtschaftlichen Erfolg erzielen, da er nicht als Stromlieferer auftritt.
Eine hohe oder geringe Einspeisemenge hat auf die wirtschaftliche Belastung des Verpflichteten keinen Einfluß.
cc) Zu große wirtschaftliche Belastung
Entscheidend ist vielmehr, ob erhebliche Kosten bei einem Netzausbau zu einer starken Belastung führen, so daß im Rahmen der verfassungsgemäßen Auslegung der §§ 3, 10 EEG unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes eine Begrenzung der Ausbaupflicht notwendig wird.
Da der Netzbetreiber die Kosten des Ausbaus nach § 10 Abs. 2 Satz 3 EEG über das Netznutzungsentgelt an Dritte weitergeben kann, stellt sich mit Recht die Frage, ob es je zu einer solchen Unzumutbarkeit bei ihm kommen kann. Dies bedeutete jedoch nicht, daß deshalb die oben angegebene gesamtwirtschaftliche Betrachtung gerechtfertigt ist. Wenn der Netzbetreiber aufgrund anderer Vorschriften nie unzumutbar belastet werden kann, so ist damit nicht eine gesamtwirtschaftliche Betrachtung geboten, die ansonsten weder aus dem Wortlaut noch aus den Gesetzesbegründung abgeleitet werden kann. § 3 Abs. 1 EEG muß auch nicht unbedingt die wirtschaftliche Zumutbarkeit des Ausbaus desjenigen meinen, der den Netzausbau vorzunehmen hat. § 3 Abs. 1 EEG nimmt nicht auf den Netzbetreiber explizit Bezug. Wer nur auf die wirtschaftliche Zumutbarkeit des Netzbetreibers abstellt, verkürzt § 3 Abs. 1 EEG ohne Grund. Wenn der Netzbetreiber nicht die Kosten des Ausbaus zu tragen hat, ist vielmehr zu fragen, für wen sonst der Ausbau wirtschaftlich zumutbar bzw. unzumutbar werden kann. Wenn die Kosten auf die Netznutzer umgelegt werden können, so kann ein Ausbau für diese unzumutbar werden. Der Netzbetreiber tritt somit als Sachwalter fremder Interessen auf. In Ausnahmefällen kann der Ausbau für Netznutzer wirtschaftlich unzumutbar werden.
Eine Rolle spielen hierbei die Kosten des Netzausbaus, die Anzahl derjenigen, auf die das Netznutzungsentgelt umgelegt wird, die Vorbelastung dieser Betroffenen sowie Vorteile der Betroffenen. Die Kosten des Netzausbaus sind für die Frage wesentlich, da damit entschieden wird, wieviel auf die verschiedenen Netznutzer insgesamt umgelegt wird. Die Anzahl der Netznutzer ist genauso entscheidend, da eine kleine Anzahl von Netznutzer empfindlicher getroffen wird bei hohen Ausbaukosten, als eine große Anzahl von Netznutzern. Die Vorbelastung kann deshalb eine Rolle spielen, weil die Belastung der Netznutzer bereits vorher an der Schwelle zur Unzumutbarkeit stehen kann und durch zusätzliche Kosten dann schneller die Grenze überschritten wird. Die Vorteile der Netznutzer sind insoweit zu berücksichtigen, als möglicherweise durch einen Ausbau ein ansonsten notwendiger Ausbau umgangen wird und vielleicht so sogar Kosten gespart werden können. Diese (Sowieso-) Kosten dann im Rahmen der wirtschaftlichen Unzumutbarkeit heranzuziehen, erscheint nicht gerechtfertigt.
3.
Dritter Grenzfall: Der Verknüpfungspunkt ist in diesem Fall klar, jedoch führt der Netzanschluss zu einer Veränderung oder sogar Verbesserung des Netzes.
Dieser Grenzfall ist dadurch gekennzeichnet, daß in den meisten Fällen das technisch zum Anschluß geeignete Netz in einer großen Entfernung liegt und zum Beispiel weitere Private durch diesen Netzanschluß angeschlossen werden können.
Nach der oben angegebenen grundsätzlichen Definition der Anschlußkosten müßten die Kosten eigentlich vom Anlagenbetreiber zu tragen sein.
Dennoch ist unstreitig, daß es sich bei diesen Anschlußkosten in bestimmten Fällen um Netzausbaukosten in der Form von Netzverstärkungskosten gemäß § 10 Abs.
2 EEG handelt.
Die Beurteilung des hier gegebenen Falls ist unproblematisch, soweit der Netzbetreiber ohnehin anstehende Aufwendungen an seinem Netz erspart. Eine solche Situation ist zum Beispiel dann gegeben, wenn er das Netz ohnehin ausbauen wollte und die hierzu notwendige Planung bereits konkret geworden ist.
Doch auch wenn keine konkreten Investitionen geplant waren, wird es sich bei der Verbesserung des Netzes um Netzausbaukosten handeln. Nach der gesetzlichen Regelung in § 10 Abs. 1, 2 EEG kommt es auf den konkreten Willen des Netzbetreibers oder des Anlagenbetreibers nicht an. Abzustellen ist folglich auf einen objektiven Maßstab. Liegt danach eine objektive Verbesserung des Netzes zur allgemeinen Versorgung vor, sind die dafür anfallenden Kosten vom Netzbetreiber zu tragen.
Dieser Schluß ergibt sich auch bei einer funktionellen Betrachtung. So kann man zwischen Netzausbau und -anschluß auch danach abgrenzen, ob die fraglichen Netzteile funktionell vom Versorgungsnetz getrennt sind. Ist dies der Fall, gehören sie zum Anschluß und nicht zum Netz. Wenn aber durch die Maßnahmen objektiv auch das Netz zur allgemeinen Versorgung vergrößert wird, haben die Anlagenteile auch eine Funktion im Hinblick auf dieses Netz und sind diesem daher zuzuordnen. Würde man in solchen Fällen Netzanschlußkosten annehmen, so könnte selbstverständlich auch der Anlagenbetreiber verweigern, daß private Nutzer an dieses Netz angeschlossen würden. Private Versorger müßten dann mit einem zusätzlichen Netz des Netzbetreibers versorgt werden. Dies führt zur volkswirtschaftlich unsinnigen Kosten. Als Indiz - nicht allein letztentscheidend kann so auch herangezogen werden, ob der in Frage stehende Teil des Netzes in das Eigentum des Netzbetreibers übergeht. Ist das Netz Eigentum des Netzbetreibers, so liegen Netzausbaukosten vor. Geht die Leitung nicht in das Eigentum des Netzbetreibers über, so schließt dies aber noch nicht aus, daß ein Netzausbau vorliegt. Hier wird der Unterschied zur Regelung in der AVBEltV besonders deutlich. In der AVBEltV ist es nach Ansicht des Verordnungsgebers gerechtfertigt, daß ein Netz, das in das Eigentum des Netzbetreibers übergeht (Hausanschlußleitung) von dem Angeschlossenen mit einem Baukostenzuschuß bezahlt wird. Der Verordnungsgeber vertrat die Ansicht, daß die Anschlußkosten im jeweiligen Einzelfall sehr unterschiedlich hoch sein können. Die Allgemeinheit sollte die Kosten des Einzelfalls nicht tragen. Vielmehr sollte derjenige, der durch den Anschluß einen Vorteil hat, auch die Kosten tragen. Das EEG als lex specialis enthält eine solche vergleichbare Regelung ausdrücklich nicht. Dies ist dem § 10 EEG auch nicht indirekt zu entnehmen. Im Fall des Betriebes einer Anlage zur Erzeugung erneuerbarer Energien geschieht der Anschluß zum Wohle der Allgemeinheit. Der Gesetzgeber hat auch ausdrücklich geregelt, daß die Netzausbaukosten auf die Allgemeinheit umgelegt werden können, indem er klarstellt, daß diese Kosten bei der Berechnung des Netznutzungsentgelts berücksichtigt werden können.
Darüber hinaus ist auch zu berücksichtigen, daß die Verteilung nach § 10 EEG nicht zu Konsequenz haben kann, daß durch den Anschluß von Anlagen zur Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien durch den Anlagenbetreiber ein ohnehin notwendiger Ausbau des Netzes für die allgemeine Versorgung übernommen wird.
Ansonsten würde die originäre Aufgabe des Netzbetreibers auf den Einspeiser unzulässig abgewälzt werden. Durch die Regelung des § 10 EEG sollte mit Sicherheit nicht das EVU, das ein Netz für die allgemeine Versorgung betreibt, entlastet werden. Hierdurch würde § 10 EEG auch entgegen der Zweckbestimmung des Gesetzes ausgelegt.