Solarstrom und Windstrom aus Nordafrika kann in sehr großen Mengen erzeugt werden. Bereits ein Prozent der Saharafläche würde ausreichen, um den Weltstrombedarf vollständig mit Solarkraftwerken zu decken. Dies ist natürlich nicht das Ziel, zeigt aber das riesige Potential. Europa braucht eigentlich keinen DESERTEC Strom aus Nordafrika, weil Europa das Potential hat, sich spielend zu 100% mit Erneuerbaren Energien aus heimischen Quellen selbst zu versorgen. Die Bedeutung von DESERTEC liegt vor allem im Beitrag zur Entwicklung der nordafrikanischen Regionen. Auch Nordafrika muss sich bald selbst mit Erneuerbaren Energien versorgen, wenn wirksamer Klimaschutz realisiert werden soll. Eine Energiepartnerschaft zwischen Europa und Nordafrika weg vom klimaschädlichen Erdöl und Erdgas hin zu Erneuerbaren Energien wäre dazu die Initialzündung. Zudem kann DESERTEC den drohenden Einstieg Nordafrikas in die Atomkraft verhindern, Entwicklungsperspektiven mit Armutsbekämpfung durch Einnahmen für die heimische Bevölkerung eröffnen und Energiekonzerne von ihren Investitionen in fossile und atomare Kraftwerke abbringen.

Klimaschutz und „Peak Oil“ zwingen die Weltgemeinschaft, die Energieversorgung sehr schnell auf 100% Erneuerbare Energien umzustellen. Ohne eine schnelle und konsequente Umstellung werden wir erleben, wie klimatische Katastrophen und Ressourcenverknappung die Weltgemeinschaft und jede Nation einzeln zunehmend destabilisieren. Existenziell gefährdet sind Weltfrieden, sozialer Frieden, die gesamte Wirtschaft genauso wie die private häusliche Gemeinschaft.

Hauptverursacher dieser für das Gemeinwohl hoch explosiven Entwicklung sind die Gewinninteressen der konventionellen Energiekonzerne durch ihr Geschäft mit fossilen und atomaren Rohstoffen. Mit ihrer Marktmacht basierend auf ihren exorbitanten Gewinnen können sie Politik und öffentliche Meinung so beeinflussen, dass weiterhin ihre Interessen für fossile und atomare Energien durchgesetzt werden. Der schamlose, in der jüngeren Geschichte Deutschlands einmalige politische Einfluss der Atomwirtschaft auf die schwarz-gelbe Bundesregierung und deren willfährige Handlungsbereitschaft für die Interessen der Atomwirtschaft sind dafür überzeugendes Beispiel. Weltweit gibt es überall das gleiche Bild: die Interessen der Erdöl-, Erdgas-, Kohle- und Uranwirtschaft manipulieren die Politik faktisch aller Regierungen. Und mit ihren exorbitanten Gewinnen haben sie alle Finanzmittel, um mit Medienmacht, Lobbyismus und Korruption ihre Interessen durchzusetzen. Dabei sind gerade die konventionellen Energierohstoffe die Hauptverursacher der Klimaerwärmung, und mit zunehmender Verknappung der Rohstoffe werden zwar die sozialen und wirtschaftlichen Probleme zunehmen, aber leider auch die Gewinne dieser Konzerne.

Man könnte nun zu der Schlussfolgerung gelangen - und viele aus der Ökobewegung ziehen diesen Schluss auch – dass diese Konzerne aus der Umstellung auf Erneuerbare Energien möglichst fernzuhalten seien. Mittelstand, neue Unternehmen, Bürgerbeteiligungen seien die einzigen Akteure, da sie keine Interessen in der konventionellen Energiewirtschaft hätten. In der Tat, gerade im letzten Jahrzehnt haben die Energiekonzerne bewiesen, dass sie den Ausbau der Erneuerbaren Energien mit allen Mitteln behindern, trotz einer Gesetzesgrundlage die deren Vorrang garantiert. Mittelstand, Bürgerbeteiligung und neue Unternehmen waren die treibende Kraft für das grüne Wirtschaftswunder der Erneuerbaren Energien in Deutschland und eben nicht die Energiekonzerne.

Sollte man deshalb zentrale Erneuerbare Energien Technologien möglichst verhindern, da sie nur mit großem Kapitalaufwand und mit Konzernmacht verwirklichbar sind? Offshore-Windparks im Meer, große Solarparks mit Spiegelkraftwerken in Wüstenregionen, große Wellenenergienutzungen oder riesige Windparks in Marokko, wo der starke und stetige Passatwind auf den hohen Atlas trifft, können auf Grund des hohen Kapitalbedarfs nicht mit Bürgerbeteiligungsprojekten realisiert werden, sonst wären sie längst schon am Laufen. Gerade in den Ländern mit besonders hoher Solarstrahlung oder hohem Windangebot, wie in Nordafrika, finden sich kaum Kraftwerke mit Erneuerbaren Energien. Es ist klar, das eben dort die Gewinninteressen der Erdöl- und Erdgaswirtschaft jegliche Klimaschutzbemühungen unterbinden. So ist es kein Zufall, dass die Länder von Ägypten bis Algerien zu den Bremsern auf allen Klimaschutzkonferenzen gehören.

Diese Blockaden gegen zwar großtechnologische aber dennoch sinnvolle Technologien haben zwei Ursachen: Zum einen fehlt die Unterstützung vieler Protagonisten der dezentralen Erneuerbaren Energien gegen alles was in Konzernhand gelangen könnte. Zum anderen investierten die konventionellen Energiekonzerne bis vor kurzem selbst kaum in zentrale Erneuerbare Energien, weil sie sich selbst das eigene Geschäft mit konventionellen Brennstoffen zerstören würden.

Dies führt dazu, dass der weltweite Ausbau der Erneuerbaren Energien bremsend und zögerlich erfolgt. Die großen Kapitalströme der konventionellen Energiewirtschaft laufen weiter in neue Erdöl- und Erdgasfelder sowie Pipelines, in neue Kohlegruben und Kohlekraftwerke und in neue Atomreaktoren. Im Vergleich dazu sind die Investitionen in Erneuerbare Energien wesentlich geringer, obwohl sie in den letzten Jahren steil gewachsen sind.

Um diese Blockade gegen Klimaschutz zu überwinden, müssen Wege gefunden werden, dass die großen Kapitalströme in Klimaschutzinvestitionen umgelenkt werden. Dazu gehören auch und gerade die großen Finanzströme der Energiekonzerne. Solange sie noch in konventionelle Energien investieren, wird es keinen wirksamen Klimaschutz geben. Natürlich könnte man davon ausgehen, dass die konventionellen Energiekonzerne durch das schnelle und stetige Marktwachstum der Erneuerbaren Energien ihre Geschäftstätigkeiten verlieren sollen und verlieren werden. Ich bin der Überzeugung, dass diese Strategie auf Grund der Marktmacht und Blockaden der Konzerne zu lange dauern wird und so der Wettlauf mit der Zeit gegen die Erderwärmung verloren würde.

Es macht daher Sinn, auch die Konzerne zu Investitionen in Erneuerbare Energien zu bewegen. Offshore Windenergie und Solarparks in der Wüste werden ihre ersten Investitionen sein, weil sie dem Geschäft in Monopolstruktur am nächsten kommen.

Wer dies ablehnt, muss sich der Alternative bewusst sein: Das Geld, das sie nicht in Solarkraftwerke stecken, fließt weiterhin in Kohlekraft, Erdöl, Erdgas und Atom. Bekannt sind die Bemühungen des französischen Präsidenten Sarkozy, dem französischen Atomkonzern AREVA neue Geschäfte mit Atomreaktoren in Nordafrika zu eröffnen: Eine völlig verantwortungslose Politik, wenn man die rechtsstaatlich höchst bedenkliche politische Führung in Libyen durch Gaddafi in den Blick nimmt. Neue Atombombengefahren wie im Iran und Nordkorea könnten daraus erwachsen. Sarkozy hat aber bereits eine Art Konkurrenz zu DESERTEC in Frankreich angestoßen, damit auch AREVA an dem Geschäft mit Solarstrom teilhaben kann. Er fürchtete, dass AREVA am Zukunftsgeschäft mit Solarstrom nicht beteiligt sein könne. Eine hoffnungsvolle Entwicklung, damit vielleicht die Atompläne ad acta gelegt werden. Es ist immer besser, wenn Konzerne in zentrale Erneuerbare Energien investieren als in Atomkraft oder fossile Energien. Jeder so investierte Dollar oder EURO hilft Investitionen in Klimagasemissionen zu reduzieren.
Photovoltaikstrom vom Dach wird immer Vorrang haben vor Solarstromimporten aus dem Süden.

DESERTEC wird nicht dazu führen, dass der dezentrale Ausbau der Erneuerbaren Energien in EUROPA zum Erliegen kommt - auch wenn es immer wieder selbst von höchster Ebene so als Zielvorstellung artikuliert wird. So hat beispielsweise Minister Brüderle immer wieder geäußert, dass die Erneuerbaren Energien dort erzeugt werden sollten, wo sie am Effizientesten zu erzeugen seien – Solarstrom in der Wüste und Offshore Windstrom in der windreichen Nordsee. Brüderle übersieht dabei wichtige Faktoren. Dezentral erzeugter Ökostrom ist verbrauchernah und hat so den Vorteil, ohne teure lange Leitungen auszukommen. Das Konzept von DESERTEC sieht hingegen ganz anders aus als von Brüderle dargestellt. Das langfristige Ziel von DESERTEC ist lediglich eine 15-prozentige Versorgung der EU mit Strom aus Nordafrika bis 2050. Da bleibt viel Luft für den weiteren Ausbau der dezentralen Erneuerbaren Energien. Erst jüngst hat DESERTEC erklärt, dass der Ausbau der dezentralen Stromerzeugung mit Erneuerbaren Energien innerhalb der EU durch DESERTEC nicht blockiert wird. Das ist ein verständliches Anliegen, sind doch die treibenden Kräfte im DESERTEC Konsortium gerade Firmen, die ihr starkes wirtschaftliches Bein im europäischen Ausbau der dezentralen Erneuerbaren Energien haben, allen voran Schott Solar, Solar Millennium aber auch die Münchner Rück, die inzwischen viel Kapital gerade in den dezentralen Ausbau investiert.

Das DESERTEC-Konsortium hat vor kurzem auch zum Ausdruck gebracht, dass DESERTEC nur dann forciert wird, wenn absehbar sei, dass DESERTEC Strom bis 2020 wettbewerbsfähig sei - ein ambitioniertes Ziel, da dezentrale Stromerzeugung aus Erneuerbare Energien vielfach heute bereits wettbewerbsfähig ist mit der konventionellen Stromerzeugung und gerade die Kosten für Fotovoltaik in Europa auf einem steilen Sinkflug sind. Damit DESERTEC Strom diesen Vorsprung der dezentralen Stromerzeugung aufholen kann, sind enorme Kraftanstrengungen erforderlich.

Allerdings zeigt das Beispiel von Brüderle, dass man aufpassen muss, dass die Gegner der Erneuerbaren Energien nicht das DESERTEC-Projekt als Vorwand missbrauchen, hierzulande und in Europa den Zubau zurück zu fahren. Hier müssen alle Freunde der Erneuerbaren Energien an einem Strang ziehen, damit eine gute Idee nicht durch die falschen Unterstützer diskreditiert wird.
DESERTEC wird keinen neuen Kolonialismus, also Ausbeutung von Nordafrika befördern. In der konventionellen Energiewirtschaft findet diese Ausbeutung über zwei Wege statt: Die heimischen Ressourcen wie Erdöl, Erdgas, Kohle oder Uran werden den nationalen Staaten und vor allem den Menschen entzogen. Sie haben kaum Teilhabe an der Nutzung der Rohstoffe selbst, geschweige denn am gewinnträchtigen Verkauf, leiden aber an massiven Umweltzerstörungen: verseuchten Flüssen, Vergiftungen von Boden, Grundwasser und Luft, Abraumhalden mit radioaktiven Verseuchungen. Zum anderen gibt es durch Bergbau der Energierohstoffe Landenteignungen mit Waldabholzungen, Wegnahme von Acker und Weideland und vieles mehr.

Mit den durch DESERTEC geplanten und realisierbaren Wind- und Solarkraftwerken können keine Umweltzerstörungen initiiert werden, wie sie der Bergbau von fossilen und atomaren Rohstoffen verursacht. Sonnenstrahlen und Wind können gar nicht so stark ausgebeutet werden, dass sie den Anwohnern fehlen werden. Bislang werden sowohl Solar- als auch Windenergie nicht genutzt – was für eine Verschwendung! Eine Ausbeutung wie bei Erdöl und Erdgas kann es ebenso wenig geben, wie die großflächige Umweltzerstörung durch Abfälle und Bergbau. Sonnenstrahlen und Wind werden ja bekanntlich nicht im Bergbau gewonnen. Bei einer global hundertprozentigen Versorgung mit Erneuerbaren Energien wird aber genau diese Ausbeutung beendet.

Von großer Bedeutung ist der Technologietransfer, der durch eine umfassende technologische Zusammenarbeit zu Stande kommt. Niemand käme auf die Idee zu behaupten, wir würden China ausbeuten, weil wir den Chinesen Windtechnologie liefern. Der Technologietransfer in diese Länder ermöglicht wiederum eine ökonomische Entwicklung, die es den Ländern erlaubt, sich ökonomisch breiter aufzustellen und unabhängiger von bisherigen Rohstoffexporten zu machen.

Bleibt die Frage nach der Ausbeutung durch die Landnutzung. Sicherlich kann es punktuell Fehlentwicklungen durch skrupellose Landaufkäufer oder gar Enteignungen, auch durch Solarparks, geben. Eine großflächige Dimension kann dies aber niemals annehmen, wenn man weiß, dass 1% der Fläche der Sahara-Wüste ausreichen würde, um den gesamten globalen Strombedarf decken zu können. Dennoch sollte beim Ausbau der Solar- und Windparks natürlich die örtliche Bevölkerung selbst in den extrem dünn besiedelten Gebieten der Wüste eingebunden werden. Die Landnutzungswünsche der Beduinen sind genauso zu beachten, wie die angemessene Beteiligung der Bevölkerung an den Gewinnen, z.B. durch Pachteinnahmen. Dass dies nicht einfach sein wird, angesichts der Regierungen wie in Libyen, ist klar. Dennoch verfolgt DESERTEC auch diese Ziele. Dies könnte den Ländern Nordafrikas neue Chancen für eine gerechte Teilhabe und Verdienstmöglichkeiten eröffnen, die sie bisher mit den Geschäften im Erdöl und Erdgas kaum haben. Es ist allemal besser, Nordafrika bekommt Einnahmen durch den Verkauf von Ökostrom, als durch die heutigen klimazerstörenden Geschäfte mit Erdöl und Erdgas.

DESERTEC kann genau die Initialzündung sein, die seit Jahrzehnten fehlt, um Nordafrika selbst mit Ökostrom zu versorgen. DESERTEC wird manchmal unterstellt, nur den Verkauf nach EUROPA im Blick zu haben, aber nicht die Versorgung von Nordafrika. Das erste bereits in der Planung befindliche DESERTEC Projekt, ein Solarpark in Marokko, hat genau die heimische Versorgung im Ziel und eben nicht den ausschließlichen Verkauf nach Europa.

DESERTEC sollte auch nicht als Einbahnstraße verstanden werden, bei der überschüssiger Strom von Nordafrika nach Europa abfließt. Vielmehr handelt es sich dann um einen umfassenden Austausch, in dessen Rahmen auch Strom von Europa nach Afrika fließen wird, wenn in Europa gerade mal Strom im Überfluss vorhanden sein wird und in Nordafrika der Bedarf größer ist als die Erzeugung. Es geht hier um eine enge Zusammenarbeit gleichberechtigter Partner.

Das entscheidende Problem unserer Gesellschaft im Energiesektor ist nicht der Gegensatz einer dezentralen gegen eine zentrale Energieversorgung, sondern die klimaschädliche und umweltzerstörende fossile und atomare Energieversorgung gegen Erneuerbare Energien. Jede Investition auch von konventionellen Energieversorgern in Erneuerbare Energien beschleunigt den Weg in das Solarzeitalter. Blockaden gegen diese Investitionen behindern ihn aber.

Stellungnahme des SFV zu DESERTEC unter http://www.sfv.de/artikel/stellungnahme_des_sfv_zu_desertec.htm