Es ist still geworden rund um das Thema Digitalisierung und Photovoltaik, denkt sich vielleicht der ein oder die andere PV-Betreiber*in. Dabei hieß es doch seit 2016 immer wieder, dass der Rollout von Smart Metern kurz bevor stehe. Um es vorweg zu sagen: Es ist noch immer so, dass das Thema leider nicht verschwinden wird. Im Gegenteil: Hier entscheidet sich zukünftig vielleicht, wer den Markt regelt und was Dezentralität dann bedeutet. Aber der Reihe nach…

Rollout-Start vorerst ohne PV

Im Januar dieses Jahres hatten das Bundeswirtschaftsministerium (BMWI) und das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) eine Markterklärung veröffentlicht, die den Beginn der verpflichtenden Zählerwechsel verkündet hat. Was viele überraschte: Die Regelung umfasste die verordnete Zwangsverpflichtung zunächst nur für Stromverbraucher. Solarbetreiber, die Strom ins Netz einspeisen, sind hingegen vorerst ausgenommen, obwohl das Digitalisierungsgesetz diese Netzanschlüsse auch vorsieht.

Warum ist es so gekommen? Nun, nach jahrelangen Vorarbeiten haben die zuständigen Behörden erst auf den letzten Metern festgestellt, dass die zertifizierten Smart Meter noch keine ausreichende Einsatzfähigkeit für den Netzanschluss von Erzeugungsanlagen erreicht haben. Denn entgegen der vielfachen Ankündigungen konnten insbesondere bei steuerbaren PV-Anlagen Konflikte mit der bestehenden Infrastruktur nicht rechtssicher ausgeräumt werden.

Hintergrund dafür ist der Beschluss des Gesetzes zur Digitalisierung der Energiewende von 2016 im Deutschen Bundestag, mit dem der sogenannte Smart Meter Rollout beschlossen wurde. Als Voraussetzung für den Rollout-Start war darin einerseits die Zertifizierung von mindestens drei Smart-Meter-Gateways durch das BSI festgelegt worden. Mit diesen Gateways können digitale Zähler die Daten verschlüsselt übermitteln und die Sicherheitsanforderungen dafür haben es in sich. Die Zertifizierung zog sich lange hin und wurde in der Messwesen-Branche im Dezember 2019, auch zur Freude der Regulatoren, entsprechend als Meilenstein gefeiert. Allerdings setzt die gesetzliche Einbaupflicht ebenso voraus, dass auch die „technische Machbarkeit“ durch das BSI festgestellt werden kann. Bei dieser Prüfung, die mit einer Markterklärung dokumentiert wird, sind Photovoltaikanlagen vorerst durchgefallen, sodass die Einbaupflicht für Smart Meter hier zunächst nicht gelten kann.

Reformen bis Herbst erwartet

Dies war im Januar vorerst eine erfreuliche Nachricht für alle Betreiber*innen von Photovoltaikanlagen. Denn die Zwangsbeglückung der Solarbetreiber mit kostspieligen und wenig nützlichen Messsystemen bleibt vorerst aus. Aber der Aufschub wird voraussichtlich ein kurzer und unter Umständen wenig hilfreicher sein. Denn es ist bereits bis zum Herbst eine Aktualisierung der Marktanalyse geplant. Das Bundeswirtschaftsministerium plant bis dahin für PV-Anlagen vorzuschreiben, dass sämtliche Kommunikation der Netzintegration über das Smart-Meter-Gateway laufen soll. Hierfür sollen entsprechende Änderungen im EEG vorgenommen werden, die dann auch den Weg für den Pflichteinbau freimachen könnten.

Zählertausch

Zählertausch                                                                     Foto: ComMetering

Vor Allem nicht-steuerbare Anlagen sind bald betroffen

Das Ziel des Gesetzgebers ist der flächendeckende Rollout. Aufgrund der Einbauverpflichtung der Netzbetreiber werden also die meisten PV-Anlagenbetreiber*innen in den kommenden Jahren mit Smart Metern zwangsbeglückt. Dies betrifft grundsätzlich sowohl neue PV-Anlagen als auch Anlagen im Bestand, sofern diese eine Leistung von mehr als 7 und weniger als 100 kWp haben. PV-Anlagen ohne Steuerung werden als erste drankommen. Hier wird voraussichtlich ab Ende des Jahres die Einbaupflicht gelten. Für die PV-Anlagen mit Steuerung sind hingegen noch technische Hürden zu nehmen, bevor das BSI den Startschuss geben wird. Dabei geht es um die mögliche Kopplung der bisher üblichen Rundsteuerempfänger mit der neuen Smart-Meter-Infrastruktur. Auch das könnte theoretisch im Laufe des Jahres 2020 geregelt werden. Wir denken aber, dass es sich länger ziehen wird. PV-Betreiber*innen, die noch vor dem Rollout-Start einen digitalen Zähler verbauen, der an ein Kommunikationsnetz angeschlossen ist, genießen allerdings einen achtjährigen Bestandsschutz und sind so vom Pflichteinbau befreit – ein kurzes Zeitfenster bleibt dafür nun noch offen.

Chancen der Digitalisierung gibt es…


Smart Meter sind unter PV-Betreiber*innen nicht sehr beliebt. Unsere Umfragen im PV-Forum zeigen regelmäßig, dass rund 2/3 der betroffenen Betreiber*innen skeptisch sind. Das liegt vor allem daran, dass die Regulatoren nicht die Vorteile derjenigen ins Visier genommen hatten, die die neuen Zähler bezahlen müssen. Im Vordergrund stehen intelligente Netze, also der Wissenstransfer vom Anschlussnutzer hin zum Netzbetreiber. Das Problem dabei ist, dass die erste Generation der intelligenten Messsysteme sehr limitiert ist, was ihre Funktionalität betrifft. Variable Tarife oder der Verkauf von Überschussstrom an den/die Nachbar*in sind vorerst nicht standardisiert möglich. Dabei wollen Betreiber*innen genau diese Anwendungen nutzen und sind offen für den Einsatz digitaler Lösungen, um derartige Geschäftsmodelle zu nutzen.

Zählermontage

Zählermontage                                                                    Foto: ComMetering

… aber die Konzerne lauern schon.

Und genau hier wird es spannend in den kommenden Jahren. Denn rund um die Frage, wer welchen Zugang zu welchen Informationen bekommen wird und zugunsten welcher Marktteilnehmer die Technologien ausgelegt werden, tummeln sich derzeit die Marktinteressen. Die Konfiguration der zweiten Smart Meter Generation in diesem Spiel wird derzeit erarbeitet. Hier sitzen Regulatoren, Verbände und Unternehmen zusammen und basteln die digitalen Konzepte der Zukunft. Leider finden sich unter den Akteuren nur wenige oder oft auch gar keine Vertreter*innen der Bürgerenergie, denn die Zeit, sich in Standardisierungsprozesse einzubringen und diese zu gestalten, muss man sich leisten können, was Großunternehmen und deren Verbänden leichter fällt als z.B. Solarbetreiber*innen.

Warum sich einige Unternehmen hingegen intensiv einbringen, wird am Beispiel von E.On schnell deutlich. Spätestens seit 2015 hat die Konzernleitung Daten als Werttreiber ins Zentrum ihres Geschäftsmodells gestellt und betrachtet den Kunden, also z.B. Solarbetreiber*innen, als Gravitationszentrum des neuen, dezentralen Marktes. Wenn man dann noch bedenkt, dass E.On mehr als die Hälfte aller Verteilernetze gehören und das Unternehmen so in zwei Dritteln der Fläche Deutschlands als Grundversorger agiert, wird klar, warum sich E.On intensiv darum bemüht, den Smart Markt der Zukunft zu gestalten. Dazu gehören auch die smarten Zähler: E.On hat als Mega-Messstellenbetreiber heute schon Zugriff auf 20 Millionen Stromzähler im ganzen Land, denn wer beispielsweise am Stromnetz von Westnetz, der Mitteldeutschen Netzgesellschaft Strom, Avacon, Bayernwerk, Edis oder der Schleswig-Holstein Netz hängt, der ist unmittelbar Teil des E.On-Konzerns. Damit dürften weit mehr als die Hälfte aller Zähler von PV-Anlagen heute durch E.On betrieben werden. Und je smarter die Zähler werden, desto besser kann E.On die Betreiber auch in seine Geschäftsmodelle einbinden.

Messstellenbetreiber kann sich Jede*r frei aussuchen

Zum Glück steht Betreiber*innen von Photovoltaik-Anlagen frei, selbst auszusuchen, wer ihren Zähler betreibt. Denn der Wechsel des Messstellenbetreibers ist fast genau so einfach möglich, wie der des Stromtarifs. Und während es früher vielleicht egal war, wer einmal im Jahr den analogen Zähler abgelesen hat, kann es sich in Zeiten smarter Energiemärkte lohnen, selbst zu entscheiden, wen man minütlich oder sekündlich an seinen Zählerschrank bittet.




Die Autoren:
Jürgen Haar ist Solarbetreiber und Elektromeister und hat seit 2004 das Photovoltaikforum mit inzwischen über 100.000 Mitgliedern aufgebaut. Er ist Mitinitiator von ComMetering.

Fabian Zuber hat zwischen 2005 und 2011 in der Solarbranche gearbeitet und ab 2012 das Bündnis Bürgerenergie initiiert und mit aufgebaut. Zudem arbeitete er für Nina Scheer im Deutschen Bundestag. Er ist mit Local Energy Consulting beratend tätig und Mitinitiator von ComMetering.