Foliensatz Seehofer-Appell und Hintergründe

Erläuterungen

Beschluss für einen Appell an Ministerpräsident Horst Seehofer

Beim Tagesseminar der Bayern Allianz für Atomausstieg und Klimaschutz (BAAK) am 18.10.2014 in Nürnberg wurde mit großer Mehrheit der Beschluss zu einem Appell an Ministerpräsident Horst Seehofer gefasst: Er möge weiterhin den Neubau der Ferntransport-Stromtrassen von Norddeutschland nach Bayern zurückweisen. Er möge aber auch den Ausbau von Stromspeichern sowie neuer Wind- und Solaranlagen im Land vorantreiben.
Den genauen Text des Appells und Hinweise zur Organisation des Versands finden Sie am Ende dieser Mail.

Der Beschluss hat zu einem Diskussionssturm zwischen Befürwortern und Gegnern der Trassen geführt. Diese Diskussion begrüßen wir, weil sie zur allseitigen Aufklärung beiträgt!

  • Die Bürgerinitiativen gegen Trassenbau lernen, dass sie nicht alleine stehen.
  • Ministerpräsident Horst Seehofer kann erfahren, dass seine Landsleute von ihm ein Konzept zum Umstieg auf die Erneuerbaren Energien erwarten.
  • Und manche Befürworter der Erneuerbaren Energien können noch einmal überdenken, ob Trassenbau wirklich den Umstieg auf Erneuerbare Energien

befördert.

Organisatorisches zum Seehofer-Appell

Wir haben entschieden, keine Einzelunterschriften für den Brief zu sammeln, sondern nur Logos der unterstützenden Initiativen und Organisationen anzuhängen.

Die uns bereits zugesendeten Unterschriften vernichten wir.

Energietechnische Fakten zum Seehofer-Appell

Die letzten Atomkraftwerke sollen bis 2022 abgeschaltet werden. Drei davon stehen in Norddeutschland. Im Jahr 2013 lieferten alle verbliebenen deutschen Atomkraftwerke insgesamt rund 90 Terawattstunden (TWh).

Der Exportüberschuss betrug im selben Jahr 34 TWh

Eine Grobabschätzung ergibt, dass bei Abschaltung der Atomkraftwerke und bei Verzicht auf Exportüberschüsse "nur" 90 - 34 = 56 TWh zu ersetzen seien.

Die Bundesregierung will - so behauptet sie - den wegfallenden Atomstrom durch Windenergie aus Norddeutschland ersetzen.

Alle derzeit existierenden Windenergieanlagen erzeugten deutschlandweit im vergangenen Jahr. 47,2 TWh, In diesem Jahr mögen es wegen des Zubaus etwas mehr sein - vielleicht 50 TWh.


W i c h t i g : Diese 50 TWh Windstrom aus ganz Deutschland stehen jedoch nicht(!) als Ersatz für den wegfallenden Atomstrom zur Verfügung. Denn sie wurden und werden bereits jetzt schon vollständig gebraucht und verbraucht. Würde man diesen Windstrom mit Ferntransport-Trassen nach Süddeutschland transportieren, dann würde er dort, wo er derzeit noch gebraucht und verbraucht wird, fehlen!

Solar- und Windanlagen, die den zukünftig wegfallenden Atomstrom ersetzen sollen, müssen deshalb zunächst erst einmal gebaut werden!!

Würden diese zusätzlichen Wind- und Solaranlagen - die ohnehin erst noch errichtet werden müssen - bedarfsgerecht über ganz Deutschland verteilt, so könnte ihr Strom ohne Ferntransportleitungen jeweils in der Region verbraucht werden, in der er erzeugt wird. Das ist gerade einer der großen Vorteile der dezentralen Erneuerbaren Energien.

Die in Norddeutschland noch zu errichtenden Wind- und Solaranlagen ersetzen also dann den wegfallenden Atomstrom der norddeutschen Atomkraftwerke.

Die in Süddeutschland noch zu errichtenden Wind- und Solaranlagen ersetzen dann den wegfallenden Strom der süddeutschen Atomkraftwerke.

Ein Bau von Fernübertragungsleitungen wird dadurch nicht notwendig.

Die Aufgabe der EE-Strom-Speicherung

Schließlich muss dann noch die Aufgabe gelöst werden, den Atomstrom auch in windstillen und dunklen Stunden durch Erneuerbare Energien zu ersetzen. Da Wind und Sonne nicht ständig zur Verfügung stehen, und manchmal sogar gleichzeitig in ganz Europa schwächeln, sind Stromspeicher notwendig. Diese Stromspeicher müssen jedoch zunächst einmal gefüllt werden können. Dazu brauchen sie EE-Überschussstrom.

Im vorangehenden Kapitel wurde bereits festgestellt, dass von EE-Überschüssen leider noch keine Rede ist. Der Ausbau von Solar- und Windanlagen muss deshalb erheblich beschleunigt werden. Dies stimmt mit unserer Forderung in dem Appell an Ministerpräsident Horst Seehofer überein.

Nehmen wir also an, es käme zu EE-Überschussstrom. Bisher wird in der Diskussion nicht unterschieden, ob es sich um EE-Überschussstrom handelt, der nach Entnahme aus dem Speicher doch noch in der eigenen Region verbraucht werden kann - also nur "zeitweiliger" EE-Überschussstrom, oder aber um Überschussstrom, der in der eigenen Region nicht mehr vollständig verbraucht werden kann - also "regional nicht benötigter" Überschussstrom.

Die Unterschiede zwischen "zeitweiligem Überschussstrom" und "regional nicht benötigtem Überschussstrom" sind fließend, da die Fluktuationen von Sonnen- und Windenergie unregelmäßig sind und der Begriff Region nicht genau definiert ist. Außerdem müsste man streng genommen von "Energie" statt von "Strom" sprechen. Trotzdem führt die vorgenommene Differenzierung zu einer wichtigen Erkenntnis: So lange nur "zeitweilige" Energieüberschüsse auftreten, besteht keine Notwendigkeit von regionen-überschreitenden Fernleitungen, denn die zeitweiligen Überschüsse werden in der Region nach der Speicherung selbst aufgebraucht.

Diese Überlegung könnte man auf die Verhältnisse in West-Holstein anwenden, wo es in den letzten Jahren bei gutem Wind zu Abregelungen gekommen ist. Wenn es dort Langzeit-Stromspeicher gäbe, so hätte man den "zeitweilig überschüssigen" Windstrom einspeichern können, um ihn bei der nächsten Schwachwindperiode in der Region zu verbrauchen.

Und selbst beim häufigen Auftreten von "regional nicht benötigten" EE-Energieüberschüssen sollte man zunächst darüber nachdenken, ob man diese Überschüsse nicht mit „ Power to Gas“ durch die vorhandenen Gasfernleitungen zu benachbarten bedürftigen Regionen weiterleitet. Der Bau neuer Fernübertragungs-Stromleitungen von Norddeutschland bis nach Bayern ist dafür in keinem Fall notwendig.

Rückstand der Windenergie in Bayern

Sonnenenergie liefert im Sommerhalbjahr größere Energiemengen, Windenergie dagegen im Winterhalbjahr. Deswegen ist ein ausgewogenes Verhältnis zwischen diesen Techniken wünschenswert. In Bayern ist die Ausstattung mit Windanlagen jedoch vergleichsweise beklagenswert gering. Selbst windgünstige Standorte in den Höhenlagen werden nicht genutzt, was im Wesentlichen durch die bürokratischen Schwierigkeiten bei der Genehmigung von Windanlagen zu erklären ist. Durch landesspezifische Anreize könnte und sollte dieser Rückstand rasch ausgeglichen werden.
Vor die Wahl gestellt, klimaschädlich erzeugten Braunkohlestrom über "Monstertrassen" nach Bayern zu übertragen oder Windanlagen zu akzeptieren, insbesondere wenn an deren Einnahmen sich die Anwohner beteiligen können, wird sich die öffentliche Meinung vermutlich gegen die Höchstspannungsmasten entscheiden. Umfragen zeigen im Übrigen deutlich eine zunehmende Beliebtheit der Windenergie gerade in der unmittelbaren Nachbarschaft von Windanlagen. Einwände kommen eher von denjenigen, die Windanlagen nur aus Schaudergeschichten kennen.

Kleine dezentrale oder große zentrale Speicher?

Überschüsse entstehen je nach Wetterlage mal im Norden, mal im Süden, mal im Westen, mal im Osten, mal in der Mitte. Sie werden aber auch im Norden, im Süden, im Osten, im Westen und in der Mitte benötigt. Würde man die Speicher zentral anordnen, so brauchte man zur Weiterleitung der plötzlich auftretenden mächtigen Überschussströme bis zu einem entfernten zentralen Speicher dicke (und deshalb teure) Zuleitungen.
Je näher die Speicher sich bei den Solar- und Windanlagen befinden, desto kürzer können diese teuren Leitungen gehalten werden. Da die gespeicherten Überschussströme bei einem ausgewogenen Ausbau von Solar- und Windanlagen letztlich auch wieder in den Regionen benötigt werden, aus denen sie ursprünglich gekommen sind, ist es auch für den Rücktransport aus den Speichern zu den Verbrauchern sinnvoll, die Speicher auf die jeweiligen Regionen (Norden, Süden, Osten, Westen, Mitte) aufzuteilen. Dann sind auch für den Rücktransport keine Fernübertragungsleitungen erforderlich. Und ein weiterer Vorteil: die Speicher können dann kleiner sein.

Die Grundregel wird also lauten: In jedem Bundesland müssen die dortigen Solar-, Wind- und Speicheranlagen die regional benötigte elektrische Leistung selbst bereitstellen. Ein Bau von Fernübertragungsleitungen ist dann nicht erforderlich.

Pumpspeichertechnik oder "Power to Gas" und "Power to Liquid"?

Das größte deutsche Pumpspeicherkraftwerk in Goldisthal (Thüringen) hat eine Speicherkapazität von 8,5 GWh und eine Leistung von 1 GW. Wenn das Oberbecken gefüllt ist, kann das Kraftwerk etwas mehr als 8 Stunden lang die Leistung eines Atomkraftwerksblocks liefern. Doch dann muss es erst wieder aufgefüllt werden. Bedenkt man, dass Zeiten mit Schwachwind und bedecktem Himmel über Wochen andauern können, und dass eine für Pumpspeicher geeignete Topologie nur an wenigen Stellen Deutschlands zu finden ist, zeigt sich, dass Pumpspeicherkraftwerke nur einen bescheidenen Beitrag zur Lösung des Langzeit-Speicherproblems erbringen können.

Die Speicherung von Energie in "Power to Gas" (Methan) oder "Power to Liquid" (Methanol) wird deshalb aller Voraussicht nach - trotz des niedrigen Wirkungsgrades - die zukünftige Lösung sein.

Planung von Fernübertragungsleitungen weist auf Braunkohle hin

Wer wegfallende Atomkraftwerke durch konventionelle Kraftwerke ersetzen will, baut tunlichst das Ersatzkraftwerk am bisherigen AKW-Standort.

Es gibt nur zwei Ausnahmen von dieser Regel: Wasserkraftwerke und Braunkohlekraftwerke. Bei Wasserkraftwerken leuchtet der Grund unmittelbar ein. Bei Braunkohlekraftwerken ist der Grund dafür die geringe Energiedichte der Braunkohle bzw. der hohe Aufwand für ihren Transport. Aus diesem Grund werden Braunkohlekraftwerke üblicher Weise in der Nähe der Braunkohletagebaue errichtet. Und diese befinden sich in einem Bereich Deutschlands zwischen Aachen, Köln, Leipzig und der Lausitz.

Die Tatsache, dass Ferntransportleitungen errichtet werden sollen, ist somit ein Hinweis darauf, dass dies zugunsten von Braunkohlekraftwerken geschieht.

Größe der Aufgabe unbezahlbar?

Windanlagen erzeugten im vergangenen Jahr 47,2 TWh, die PV-Anlagen erzeugten im vergangenen Jahr 29,7 TWh. Dies zeigt, dass allein zum Ersatz der Atomkraft die Zahl der Wind- und Solaranlagen deutschlandweit nahezu verdoppelt werden muss.

Wir wollen jedoch die gesamte Stromerzeugung - also auch die fossile Stromerzeugung - auf Erneuerbare Energien umstellen. Deshalb muss man die Zahl der Wind- und Solaranlagen sogar mindestens verfünffachen und den Speicherausbau in sehr großem Maßstab vorantreiben.

Auf den dann häufig gehörten Einwand, Stromspeicher und weitere Solar- und Windanlagen seien aber zu teuer, lässt sich mit gutem Recht antworten, dass eine Markteinführung durch Massennachfrage und Massenproduktion bisher noch jede gewünschte Technik verbilligt hat. So ist Solarstrom durch die deutsche Nachfrage in den Jahren zwischen 2000 und 2010 trotz der erheblichen Preissteigerungen nach Einführung des Euros weltweit im Preis von 2 DM auf 20 Cent (nominell um 80%) gesunken.


Man könnte auch die Gegenfrage stellen, wie viel Geld der Frager wohl ausgeben würde, wenn er damit den Eintritt des Klimawandels oder das Auftreten eines neuen atomaren GAUs in Deutschland hinausschieben oder verhindern könnte.

Wortlaut des Appells

Stromspeicher statt Höchstspannungstrassen


Sehr geehrter Herr Ministerpräsident Seehofer,

wir, die Unterzeichner, begrüßen Ihre Ablehnung der neuen Höchstspannungstrassen. Es ist zu befürchten, dass sie in Schwachwindzeiten hauptsächlich klimaschädlich erzeugten billigen Braunkohlestrom nach Bayern transportieren werden und damit dessen Absatz steigern.

Die geplanten Stromtrassen dienen somit allenfalls dem Stromhandel, nicht aber dem Klimaschutz.


Bayern könnte sich mit erneuerbaren Energien selbst versorgen. Hierzu hat die bayerische Bevölkerung durch engagierten Bau von Solaranlagen bereits erhebliche Vorleistungen erbracht.

Vordringlich sind jetzt weitere finanzielle Anreize zum Ausbau auch der Windkraft und zur Aufrüstung künftiger Solarstromanlagen mit Pufferspeichern, damit die mittäglichen Solarspitzenleistungen auch auf den Abend und die folgende Nacht übertragen werden.

Der eingeschlagene Weg sollte dann konsequent mit der großzügigen Markteinführung von Langzeitspeichern nach dem „power to gas“- bzw. dem „power to liquid“-Verfahren fortgesetzt werden. So kann künftig der Einsatz von Gaskraftwerken und Kraft-Wärmekopplungs-Anlagen (KWK) in Bayern noch klimafreundlicher gestaltet werden.

Eine so konzipierte Stromversorgung mit landeseigenen Anreizen zum beschleunigten Ausbau der erneuerbaren Energien und ihrer Speicher in der Region erhöht die Versorgungssicherheit auch im Katastrophenfall und hält die Wertschöpfung im Land. Hierfür sind freilich die derzeitigen überzogenen Abstandsregeln für Windkraft-Anlagen in Bayern wenig zielführend.

Das im folgenden Link genannte Rechtsgutachten gegen den Höchstspannungs-Trassenbau findet vielleicht Ihr Interesse. Es gibt denjenigen Recht, die sich gegen Enteignungen im Zusammenhang mit dem Übertragungsnetzausbau zur Wehr setzen.
http://www.sfv.de/pdf/Stromleitungsbau_Klimaschutz_und_das_Eigentumsgrundrecht.pdf


Gerne erläutern wir Ihnen auch ausführlicher unser Konzept für einen Umstieg auf erneuerbare Energien.


Mit freundlichen Grüßen

Wolf von Fabeck


Dieser Appell wird von den folgenden Organisationen unterstützt

(es folgen die Logos der 27 unterstützenden Organisationen)