Worte sind mächtig. Mit Worten wird Meinung gebildet. Und Meinung entscheidet am Ende, was passiert. Experten sind sich einig, dass der Umbau unseres Energiesystems auf Erneuerbare Energie keine Frage der Technik, sondern eine Frage der Politik ist. Und die Politik wiederum macht, was „die öffentliche Meinung“ verlangt. Wobei wir wieder bei Worten und Meinungsmache wären. Ich fürchte, tatsächlich werden diejenigen den Kampf um die Energiewende gewinnen, die es schaffen, die „öffentliche Meinung“ zu beherrschen.

Und das wird sehr wahrscheinlich leider nicht mit sachlichen Argumenten passieren. Und Fake News sind dabei noch der offensichtlichste Versuch einer Meinungsmanipulation. Die halte ich „nur“ für einen plumpen Versuch, dem sich tatsächlich noch einigermaßen mit sachlichen Argumenten begegnen lässt. Obwohl eine ständige Wiederholung von offensichtlichem Unfug durchaus seine Wirkung zeigen kann. Ich erinnere nur an den Roman "1984" von George Orwell.

Sprache bietet jedoch viel geschicktere Möglichkeiten. Wie Wolfgang Niedeggen von BAP schon 1980 in seinem Lied „Ne schöne Jrooߓ textete: „1984 ist nah, nur viel raffinierter gemacht.“ Wenn man jedoch um die Tricks und Kniffe der Gegner weiß, ist jedoch schon ein Teil des Kampfes gewonnen. Ich will daher versuchen, einige dieser subtilen Strategien zu beschreiben. Allen gemeinsam ist, dass sie nicht direkt gegen den Ausbau Erneuerbare argumentieren. Nach außen zeigt man sogar Zustimmung. Umso schwieriger wird es dagegen argumentativ anzugehen. Die Argumente der Gegner sind meist nicht einmal sachlich falsch. Wir werden mit der Wahrheit betrogen.

1. Relativieren

Eltern von pubertierenden Kindern kennen das Prinzip vermutlich: Die Forderung wird nicht zurückgewiesen, aber relativiert. Beispielsweise wird die Forderung mit Vorbedingungen verknüpft: Erst muss aber noch das und das passieren, vorher macht das keinen Sinn. Erst brauchen wir Speicher, vorher macht der weitere Ausbau der Erneuerbaren keinen Sinn.

Genauso kennen solche Eltern oft die Methode, eine Forderung auf eine Stufe wie andere zu stellen: Wenn das und das passieren soll, muss aber auch das und das passieren. Auf die Weise wird die Priorität des Themas verwässert. Berühmt ist das Energiedreieck der Energiewirtschaft mit den Themen „Kosten“, „Versorgungssicherheit“ und „Umwelt“ (siehe Bild 1). Es suggeriert, dass alle drei Themen gleich wichtig sind. Widerspruch dagegen ist ganz schwierig! Nur bewirkt eine solche Gleichstellung, dass Klimaschutz sofort verhindert wird, wenn eines der beiden anderen Themen betroffen ist.

Energiedreieck

Bild 1: Das Energiedreieck

Genauso wirkt die Einordnung der Forderung zum wirksamen Handeln
gegen die Klimakatastrophe als „Megaatrend“ relativierend. Schließlich gibt es viele „Megatrends“ in der Politik, angefangen bei der „Flüchtlingsproblematik“, über „Globalisierung“ zur „Digitalisierung“. Und schnell hat man dann wie der Teeny vom eigentlichen Thema abgelenkt, weil der nächste „Megatrend“ mehr in den Fokus gerät.

2. Konnotation nutzen

Für manche Begriffe gibt es mehrere Bezeichnungen, die jedoch eine andere unterschwellige Beibedeutung (Konnotation)
haben. Geld ausgeben kann man für verschiedene Zwecke. Wenn nochmal ein Großkraftwerk eingeweiht wird, wird vermutlich in der Einweihungsrede die „Investition in die zukünftige Energieversorgung unseres Landes“ gelobt. Investieren ist dabei positiv besetzt: Das tut ein Kaufmann, um auf diese Weise in Zukunft das Geld mit Profit zurückzubekommen, das Geld ist bei einer Investition nicht verloren. Im Gegensatz dazu steht vielleicht am nächsten Tag in Zeitung bei der Diskussion um einen Windpark die Frage nach den „Kosten für den Bürger“ im Vordergrund. „Kosten“ sind negativ besetzt, das Geld ist für Konsum verbraucht und kommt nicht wieder. Bei Vorträgen zur Erneuerbaren Energie werde praktisch immer gefragt: „Was kostet uns die Energiewende?“ Noch nie hat mich wer gefragt: “Wie viel müssen wir investieren?“ Hier ist die Deutungshoheit „Erneuerbare kosten Geld“ schon allgemein fest in den Köpfen sogar bei Wohlmeinenden verankert.

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Bild 2: Was ist der Unterschied zwischen Investieren und Kosten?

Selbst auf aktuellen Titelseiten wie kürzlich im Focus ist diese Denkweise zu finden, ob mit Absicht oder nicht. Dabei wird die Frage nach den Kosten als berechtigte Frage angesehen, das sie ja eigentlich auch ist. Aber wie würde dieselbe Frage wahrgenommen, wenn gefragt würde, „wieviel müssen noch investieren, und was läuft dabei schief?“

Ein weiteres Beispiel für eine subtile Wortwahl (oder vielleicht doch nicht ganz so subtil) ist die Bezeichnung eines „ungebremsten“ Wachstums der Erneuerbaren. „Ungebremst“ hat den Beigeschmack von etwas Unkontrolliertem, mit fatalem Ende. Wir könnten auch von einer hohen Dynamik sprechen, von ungeahnten Wachstumschancen. Aber die Wortwahl deutete schon an, wie es Wirtschaftsminister Gabriel gelingen konnte, das Abwürgen des Photovoltaikbooms am Ende des ersten Jahrzehnts als etwas Positives zu verkaufen: Die „ungebremste“ Entwicklung wurde noch einmal davor bewahrt, vor die Wand zu fahren.

3. Den anderen indirekt ins schlechte Licht stellen

Selten wird der Diskussionsgegner direkt als „unfähig“ oder „ideologisch“ bezeichnet. So plump, wie Herr Lindner von der FDP die Friday-for-Future-Schüler als unfähig nach Hause schicken wollte, habe ich es eher selten erlebt. Das zeugt eigentlich eher von den unvollkommenen Darstellungsfähigkeiten des Herrn Lindners, oder er hatte damit andere Zwecke vor Augen.

Bei einer Diskussion oder bei Vorträgen wird man nämlich von echten Public-Relation (PR) -Profis niemals direkt beleidigt, ins schlechte Licht gerückt, als unfähig oder inkompetent bezeichnet. Oft genug aber indirekt und subtil. „Lassen Sie uns die Sache nun einmal sachlich und ideologiefrei betrachten,“ habe ich schon oft Sprecher einen Vortrag beginnen hören. Abgesehen davon, dass dieses Versprechen dann auch nicht eingelöst wird, und die Ideologie nur einer aus dem 20ten Jahrhundert entspricht, impliziert der Redner ja offensichtlich, dass vorher (die Gegenpartei) gerade das Gegenteil beinhaltete. Indirekt wird so der Diskussionsgegner als nicht-sachlich, also unsachlich, und ideologiebehaftet dargestellt. „Realistisch“ ist auch so ein Wort: Wer die „Sache nun einmal realistisch betrachten“ will, stellt den anderen als träumerisch und unrealistisch dar und impliziert damit schon beinahe automatisch eine ablehnende Haltung.

Ebenso setzt die Bezeichnung „Klimapropheten“ ernsthafte Forscher herab. Wissenschaft und naturwissenschaftliches Wissen wird auf eine Ebene mit Religion gebracht. Tatsächlich sprechen Gegner der Klimaschutzbewegung schon von einer „Ersatzreligion“. Religion aber beruht auf Glaube, und der ist Ansichtssache, relativierbar, nicht unumstößlich und damit angreifbar, Ein anderer Glaube muss in unsrer toleranten Welt ja möglich sein. Sachliche Argumente werden damit zwar zugelassen, aber als eine Möglichkeit des Glaubens abgetan.

4. Das Gefühl ansprechen

Und damit wären wir schon praktisch bei der nächsten und mächtigsten Kategorie: Das Gefühl ansprechen. Dazu braucht es gar keine Argumente. Wem es gelingt, Bewunderung in Neid umschlagen zu lassen, statt Aufbruchsstimmung Angst vor Veränderung zu verbreiten und Wissenschaftler als Propheten einer neuen Ersatzreligion darzustellen, der ist immun gegenüber sachlichen Argumenten.

Man kann dann mit Scheinargumenten an das soziale Gewissen appellieren, indem der „armen Witwe“ keine weiteren Kosten für Energiewende aufgebürdet werden kann. Dass im gleichen Moment viele Industrieunternehmen von den zusätzlichen Kosten der EEG-Umlage befreit werden, wird bei dieser Argumentation ausgeblendet. Selektive Darstellung ist nämlich ebenfalls eine der beliebten Methoden, um die eigenen Interessen zu bevorzugen.

Die ständige Wiederholung solcher „Argumente“ tut dann ein Übriges. „Repetitionem est mater studiorum“ - „Wiederholung ist die Mutter des Studierens“ habe auch ich als Hochschullehrer begriffen.

5. Den Spieß herumdrehen!

„Erkenntnis ist der erste Weg zur Besserung“ lautet ein anderer Spruch, der hier passt. Haben wir überhaupt eine Chance gegen PR-Profis mit solchen Tricks?

Lasst uns den Spieß herumdrehen! Lasst uns versuchen, selber die Begriffe zu setzen. Lasst uns versuchen, den Begriff „Klimakatastrophe“ statt den verharmlosenden Begriff „Klimawandel“ zu etablieren. Lasst uns darauf achten, die Frage zu Kosten damit zu beantworten, wieviel wir investieren müssen. Lasst uns unsere Vorträge beginnen mit Worten wie „kreativ“ oder „zukunftsgerichtet“ um dies unseren Gegnern abzusprechen.

Euch fällt bestimmt noch mehr ein, wenn Ihr die Tricks einmal verstanden habt!