Info 160, Stand 17.02.99 (überholt)

Kostendeckende Vergütung für Solarstrom

Solarstrom braucht eine energische Markteinführung.

In über 20 Städten und Gemeinden hat sich die kostendeckende Vergütung (KV) für Solarstrom als besonders wirkungsvolles Markteinführungsprogramm bewährt. Der Solarenergie-Förderverein schlägt deshalb kostendeckende Vergütung bundesweit vor.

Solarstrom von Dächern und Fassaden unserer Städte hat das Potential, mehr als 20 % des deutschen Strombedarfs zu decken. Doch Solarstrom kostet zur Zeit etwa zehnmal mehr als Strom aus Kohle und Atomkraft und hat deshalb im freien Strommarkt keine Chance.

Die Stromwirtschaft kritisiert, die kostendeckende Einspeisevergütung stelle einen Verstoß gegen die Prinzipien des freien Marktes dar. Das ist richtig, doch gibt es höherwertige Gesichtspunkte: Die erneuerbaren Energien sind überlebenswichtig! Deshalb muß die neue Technik zunächst ertüchtigt werden, sich am freien Markt zu behaupten; Stichwort "Markteinführung". Wer würde einen Nichtschwimmer zum Schwimmenlernen gleich ins tiefe Wasser stoßen?

Zu wessen Aufgaben gehört die Markteinführung der Solarenergie?

Als nächstes ist die Finanzierung zu klären... Der Ruf nach dem Staat als dem scheinbar unerschöpflichen Geldgeber liegt zwar nahe, ist aber in Anbetracht der hohen Kosten, der knappen Staatskassen und des allgemein angestrebten Subventionsabbaus eher unzeitgemäß... Die Stromwirtschaft setzt auf grüne Tarife: Interessierte Kunden sollen durch freiwillige Mehrzahlungen die Markteinführung übernehmen. Doch der Vorschlag scheint lebensfremd - oder verbirgt sich dahinter der heimliche Wunsch nach Ineffektivität? Der Solarenergie-Förderverein geht vom Verursacherprinzip aus und kommt zu dem Schluß, daß die Markteinführung der Solarenergie eine Gemeinschaftsaufgabe aller Stromkunden ist. Wer Strom benötigt, soll dessen umweltfreundliche Herstellung auch bezahlen.

Verpflichtung der Elektrizitätsversorgungsunternehmen (EVU) durch den Gesetzgeber ist überfällig

Die organisatorischen Voraussetzungen für die Markteinführung der erneuerbaren Energien durch die Gemeinschaft aller Stromkunden können am besten die Elektrizitätsversorgungsunternehmen schaffen. Aus naheliegenden Gründen sperren sie sich allerdings gegen diese Verpflichtung. Deshalb war es nur konsequent, daß der Gesetzgeber im Stromeinspeisungsgesetz eindeutige Vorschriften erließ.

Die etwa 16 Pf/kWh für Windstrom im norddeutschen Küstenbereich stellen eine "kostendeckende Vergütung" dar. Die Erfolge der Windenergie dort zeigen außerdem, daß es sich um eine wirkungsvolle Gesetzesmaßnahme handelt. Für Windenergie im Binnenland und insbesondere für die Erzeugung von Solarstrom reicht allerdings die Höhe der Vergütung noch nicht aus.

Warum erhalten private Betreiber eine geringere Solarstromvergütung als die Elektrizitätsversorgungsunternehmen?

Noch besteht eine krasse Unsymmetrie zwischen der finanziellen Vergütung für Strom aus Solaranlagen der Elektrizitätsversorgungsunternehmen und für Strom aus privaten Solaranlagen. Die Elektrizitätsversorger lassen sich ihre wenigen Solaranlagen aus Geldern der Kunden durch „grüne Tarife" oder aus den Gewinnen der Aktionäre voll bezahlen. Sie nehmen sich (je nach Anlagengröße) 1,50 DM bis 2,00 DM pro Kilowattstunde. Wer dagegen aus privater Initiative mit Solarstrom zur Entlastung der Umwelt beiträgt, soll mit 16 Pfennig auskommen. Die Erhöhung der Mindestvergütung für Solarstrom im Stromeinspeisungsgesetz ist deshalb überfällig.

Das neue Energiewirtschaftsgesetz erlegt die Zahlungspflicht für Einspeisung von privat erzeugtem Solarstrom den Netzbetreibern auf

Die EVU machen häufig geltend, ihre Konkurrenzfähigkeit würde durch Zahlung einer kostendeckenden Vergütung beeinträchtigt. Doch hier verbreiten sie eine Fehlinformation. Deshalb die folgende Richtigstellung: Im liberalisierten Markt wird unterschieden zwischen den Erzeugern von Strom und den Betreibern der Netze. Wirtschaftliche Trennung ist vorgeschrieben.

Die Erzeuger von Strom stehen gegeneinander im Wettbewerb, doch sie, die Erzeuger, brauchen die Einspeisevergütung nicht zu bezahlen. Ihre Konkurrenzfähigkeit wird also nicht beeinträchtigt.

Die Zahlung der Einspeisevergütung erfolgt durch den Betreiber des Verteilernetzes. Er darf diese Mehrkosten auf die Endkunden abwälzen, gleichgültig von welchem Stromerzeuger sie ihren Strom beziehen.

§ 2, letzter Satz des neuen Stromeinspeisungsgesetzes besagt: „Mehrkosten auf Grund der §§ 2 und 4 können bei der Rechnungslegung der Verteilung oder Übertragung zugeordnet und bei der Ermittlung des Durchleitungsentgelts in Ansatz gebracht werden."

Die Endkunden können dem Netzbetreiber und seiner Durchleitungsgebühr nicht "weglaufen", es sei denn, sie würden eigene Stromleitungen bauen. Da der Netzbetreiber als Inhaber des "natürlichen Netzmonopols" also faktisch überhaupt nicht im Konkurrenzkampf steht, können Klagen über die angebliche Beeinträchtigung seiner Konkurrenzfähigkeit nicht überzeugen.

Freiwillige Einführung der kostendeckenden Vergütung (KV) durch die EVU ist seit 1990 möglich.
Neuerdings sind auch unterschiedliche Stromtarife im Versorgungsgebiet zulässig

Eine Änderung der Bundestarifordnung Elektrizität durch den Bundesrat im Jahr 1989 machte kostendeckende Vergütung für progressive EVU auf freiwilliger Grundlage möglich. Auch nach Inkrafttreten des neuen Energiewirtschaftsgesetzes am 28.4.1998 bleibt diese Möglichkeit erhalten. Die kostendeckende Vergütung kann durch jedes EVU eingeführt werden, welches ein Verteilernetz betreibt: Dieser Möglichkeit sind bis jetzt - meist auf Druck ihrer Eigner - etwa 20 westdeutsche EVU gefolgt. Die KV könnte auch im Konzessionsvertrag einer Gemeinde mit einem regionalen oder überregionalen EVU vereinbart werden, sogar nachträglich.

Nach § 10 des neuen Energiewirtschaftsgesetzes sind nunmehr bei Vorliegen „sachlich gerechtfertigter Gründe" auch unterschiedliche Stromtarife in einem Versorgungsgebiet zulässig. Dies kann von Bedeutung sein, wenn nicht alle Gemeinden in einem größeren Versorgungsgebiet den Stromversorger zur Zahlung der kostendeckenden Vergütung auffordern.

Wie erhält der Anlagenbetreiber die kostendeckende Vergütung?

Der Netzbetreiber schließt einen verbindlichen Liefervertrag mit dem Solaranlagenbetreiber ab. Dem Solaranlagenbetreiber wird darin eine feste Vergütung des eingespeisten Solarstroms verbindlich und unkündbar für 20 Jahre zugesagt. Für den Netzbetreiber gehören nunmehr die Zahlungen für den Solarstrom zu den unvermeidbaren Kosten, die er auf die Durchleitungsentgelte aufschlagen kann. Die Umlage der Mehrkosten auf die Tarifkunden erfolgt mit der gleichen Berechtigung, wie die Umlage anderer Kosten, z.B. für die Entschwefelung und Entstickung der Kraftwerke. Das EVU / Der Netzbetreiber teilt die Mehrkosten - nachdem sie entstanden oder aufgrund einer realitätsnahen Prognose absehbar sind - der Strompreisaufsicht mit und beantragt eine entsprechende Strompreiserhöhung. Nach der Bundestarifordnung BTO Elt, § 11, letzter Satz, muß die Strompreisaufsicht dem Antrag stattgeben. Letztendlich werden diejenigen belastet, die den ins Netz eingespeisten Solarstrom verbrauchen, nämlich die Stromkunden. Sie bezahlen - wie schon weiter oben erwähnt - einen Aufschlag auf die Durchleitungsgebühr des Netzbetreibers, unabhängig davon, woher sie ihren konventionellen Strom beziehen. Sogar der Strom aus den französischen Atomkraftwerken der EdF würde ggf. mit einem Solarstromaufschlag des lokalen Netzbetreibers versehen.

Wie stark werden die Stromkunden belastet? Wie groß ist die Akzeptanz?

Durch einen entsprechenden Beschluß kann die Zahl der kostendeckend vergüteten Solaranlagen in der Weise "gedeckelt" werden, daß die Strompreiserhöhung für alle Stromkunden einen bestimmten Betrag, z.B. einen Pfennig pro Kilowattstunde ("Solarpfennig") nicht überschreitet. Für den durchschnittlichen Stromverbraucher steigen damit die Ausgaben für Haushaltsstrom insgesamt um 80 Pfennig im Monat, für sparsame Stromkunden sogar noch weniger. Dies ist ein Betrag, der erheblich kleiner ist als der Betrag, um den die Stromkunden bei Wegfall des Kohlepfennigs entlastet wurden.

Mehrere Umfragen ergaben bereits eine hohe Bereitschaft der Stromkunden zur Zahlung des Strompreisaufschlages, wenn dieser - das war ausdrückliche Bedingung - der Solarstromerzeugung zugute kommt. Eine vom RWE in Auftrag gegebene Umfrage erreichte sogar eine Zustimmung von 80 %.

Wer legt die Höhe der KV fest? Gibt es eine individuelle Berechnung? Werden auch unnötige Ausgaben erstattet?

Die kostendeckende Vergütung deckt alle Kosten zum Bau und Betrieb der Solaranlage, auch die Kapitalbeschaffungskosten. Die zugestandene Rendite ergibt sich aus dem langfristigen durchschnittlichen Realzinssatz umlaufender Wertpapiere im Inland: 6,5 % für Eigenkapital und 8 % für Fremdkapital. Das ist exakt die gleiche Rendite, die von der staatlichen Strompreisaufsicht auch den Stromversorgern für deren Investitionen zugestanden wird. Kosten, die vermeidbar wären, werden nicht vergütet. Um endlose Diskussionen darüber auszuschließen, legt die Strompreisaufsicht NRW alljährlich unter Mitwirkung der VDEW-Landesgruppe NRW, der Verbraucherzentrale NRW, EUROSOLAR und dem Städtetag NRW am Round Table regenerative nach gründlicher Marktbeobachtung eine anlegbare Einspeisevergütung fest.

Die anlegbare Einspeisevergütung gilt unter der Voraussetzung einer Vertragslaufzeit von 20 Jahren und Volleinspeisung. Sie betrug für Anlagen, die bis zum 31.12.1996 ans Netz gingen, 2,01 DM/kWh. Für Solaranlagen, die später ans Netz gingen, beträgt sie 1,89 DM/kWh (seit dem 01.01.99 liegt sie bei 1,76 DM/kWh). Der letztgenannte Wert gilt bis zu einer Anlagengröße von 10 Kilowatt.

Die so errechnete kostendeckende Vergütung wird inzwischen auch von den Preisaufsichten in Baden-Württemberg, Bayern, Hessen, Niedersachsen, Saarland und Schleswig-Holstein anerkannt. Die Einspeisevergütung für Strom aus Anlagen, die in den kommenden Jahren ans Netz gehen, wird entsprechend dem dann erreichten Preisniveau der Solartechnik voraussichtlich niedriger festgelegt werden.

Unterschied zu bisherigen Markteinführungsverfahren: Privates Risikokapital wird mobilisiert und es entsteht ein Anreiz für Verbesserung und Verbilligung der Solaranlagen

Die Aussicht auf eine marktübliche Rendite mobilisiert private Kapitalgeber. Sie investieren in private Solaranlagen und übernehmen Kosten und Risiko. Ihr eingesetztes Kapital erhalten sie erst im Verlauf von 20 Jahren - mit Zinsen - zurück. Da die Solarstrom-Einnahmen nur vom Ertrag der Anlage abhängen, wird jeder Betreiber versuchen, den Stromertrag zu maximieren und die Kosten zu minimieren - ein wirksamer Anreiz zur Auswahl der preisgünstigsten und technisch ausgereiftesten Anlagen!

Die kostendeckende Vergütung unterscheidet sich von allen bisher bekannten Förderprogrammen: Nicht mehr der Bau einer Solaranlage wird durch Zuschüsse unterstützt, sondern die Einspeisung von Solarstrom ins öffentliche Netz wird angemessen vergütet. Dies reduziert unter anderem den erforderlichen Kontroll- und Genehmigungsaufwand auf die einfache Formel: Kein Solarstrom - kein Geld! Solaranlagen werden bis zum Ende der Vertragslaufzeit sorgfältig in Betrieb gehalten. Ein Mißbrauch von Fördermitteln ist unwahrscheinlich.

Kostendeckende Vergütung - Investitionsförderprogramm mit hohem Arbeitsplatzeffekt

Für einen finanziellen Anreiz, der erst in den folgenden 20 Jahren ausgezahlt wird, gehen private Investoren bei Errichtung ihrer Anlage mit dem vollen Investitionsbetrag in Vorleistung. Die kostendeckende Vergütung erweist sich damit als wirkungsvolles Investitionsförderprogramm. Sie versorgt eine wachsende Zahl von Installateuren, Händlern und Produzenten mit Aufträgen.

Außerdem führt die steigende Nachfrage zum Neubau von Produktionsanlagen und dies wiederum zur Ausnutzung aller sich ergebenden Preissenkungsmöglichkeiten.Eine Vielzahl bisher ungenutzter Forschungsergebnisse kann erstmals erprobt werden.

Solaranlagen auf deutschen Dächern werden das Vertrauen der Schwellenländer in diese Technik stärken und sind eine gute Werbung für den Export.

Warum ist ein Bundesgesetz zur kostendeckenden Vergütung erforderlich?

Zur Zeit ist kostendeckende Vergütung zulässig, aber nicht verpflichtend. Die Notwendigkeit einer bundesgesetzlichen Regelung wird umso deutlicher, je mehr EVU die Bitte der demokratisch gewählten Bürgervertretungen um kostendeckende Vergütung von Solarstrom mißachten. Insofern ist jeder gültige Ratsbeschluß zur Einführung der kostendeckenden Vergütung, dem das EVU nicht nachkommt, ein dringender Appell an den Bundestag zur Aufnahme der kostendeckenden Vergütung ins Stromeinspeisungsgesetz.

 


Argumente gegen die kostendeckende Vergütung ...
und warum sie nicht stichhaltig sind

Photovoltaik sei die teuerste Methode, CO2 einzusparen!

Jede neue Technik ist zu Beginn teuer, wird aber bei Massenproduktion billiger.
Die Enquêtekommission „Schutz der Erdatmosphäre" des 11. Deutschen Bundestages rechnet mit Preissenkungen von Solarstrom sogar auf unter 20 Pf/kWh.

Zuerst sollten CO 2 -Spartechniken genutzt werden, die ein günstigeres Preis-Leistungsverhältnis aufweisen als die Photovoltaik.

Die größte Bedrohung für das Weltklima geht vom Aufbau neuer Energieversorgungen auf Kohlebasis in den Schwellenländern Indien und China sowie in den Entwicklungsländern aus. Diese Bedrohung kann durch Spartechniken nicht gebannt werden. Es kommt vielmehr darauf an, die Photovoltaik als Alternative so rasch wie möglich in den Markt einzuführen.

Das Geld für die kostendeckende Vergütung würde bei anderen CO2-Sparmaßnahmen fehlen!

Im Gegenteil! Da die Kosten auf den Strompreis aller Stromkunden umgelegt werden, ist die Strompreiserhöhung sogar ein zusätzlicher Anreiz zum Stromsparen.

Kostendeckende Vergütung würde die Photovoltaiktechnik im jetzigen Entwicklungsstand fixieren und keinen Anreiz für Verbesserung der Technik oder Preissenkungen bieten.

Unsinn! Gerade bei kostendeckender Vergütung sind technisch fortschrittliche, zuverlässige und preiswerte Anlagen im Vorteil. Das bewirkt einen harten Konkurrenzkampf um die effektivsten, zuverlässigsten und preiswertesten Anlagen.

Wenn Photovoltaik billiger wird, wird auch die kostendeckende Vergütung für Neuanlagen herabgesetzt. Ab 01.01.97 betrug die kostendeckende Vergütung nicht mehr 2,- DM/kWh, sondern nur noch 1,89 DM/kWh und ab 01.01.99 liegt sie bei 1,76 DM/kWh.

Genauso wie beim Kohlepfennig würde sich auch bei der kostendeckenden Vergütung die Verfassungswidrigkeit herausstellen.

Der Kohlepfennig wurde als verfassungswidrige Sonderabgabe eingestuft, weil er in den Bundeshaushalt floß und unter Umgehung der Finanzhoheit des Parlaments ausgezahlt wurde. Kostendeckende Vergütung würde nicht durch den Bundeshaushalt fließen, sondern direkt vom Stromkunden über den Netzbetreiber zum Solarstromeinspeiser.

Eine angebliche Analogie zwischen Stromeinspeisungsgesetz und Kohlepfennig wurde vom Bundesverfassungsgericht am 9.1.96 als ungenügendes Argument abgelehnt.

Der Wirtschaftsstandort würde gefährdet, weil höhere Strompreise die Produkte verteuern.

Tatsächlich sind bei fast allen Produkten die Stromkosten im Vergleich zu den Lohnnebenkosten eher zu vernachlässigen. Im Vergleich zu den Gesamtkosten des Produkts liegen sie im Durchschnitt sogar weit unter 3 %. Würden die Stromkosten um 1 % ansteigen, dann würden die Gesamtkosten des Produkts um weniger als 0,3 Promille steigen.