Windstrom aus Portugal - Vorwand für die EU-Wettbewerbskommission

vom 25.11.2000


Sehr geehrte Damen und Herren,


das EU-Damoklesschwert eines Stops für das Gesetz zur Förderung der erneuerbaren Energien hängt weiter am seidenen Faden über deutschen Umweltpolitikern und Wind- und Solaranlagenbetreibern. Mit ängstlichem Herzklopfen schielen sie nach oben und warten auf die jeweils nächsten Erklärungen der Wettbewerbskommission. Dabei verbreiten sie mit gezwungenem Lächeln 'vorsichtigen Optimismus' und sprechen sich gegenseitig Mut zu (ganz leise, damit der seidene Faden nicht reißt, an dem das scharfe Schwert hängt).


Der Zustand ist empörend! Wie kommt es eigentlich, dass diejenigen, die im Sinne einer zukunftsfähigen Energieversorgung richtig handeln, sich dafür ängstlich verstecken müssen? Wie kommt es, dass einige Beamte in Brüssel im Auftrag der Stromwirtschaft gegen den mehrheitlichen Willen der Bevölkerung die Energiewende eines ganzen Erdteils bremsen können?


Der Trick, mit dem die Wettbewerbskommission arbeitet, ist simpel. Die Wettbewerbskommission erklärt die Erzeugung von Strom aus erneuerbarer Energie zu einer Angelegenheit des internationalen Handels. Und da sie den Auftrag hat, über den internationalen freien Handel zu wachen, fällt direkt der Handel von Solar- und Windstrom und indirekt die Erzeugung unter ihre Aufsicht und Kompetenz.


Aber ist die Erzeugung von Solarstrom und Einspeisung ins Versorgungsnetz denn überhaupt eine Frage des internationalen Handels? Die Antwort lautet: Nein!


Die Erzeugung von Solarstrom und Einspeisung ins Versorgungsnetz ist eine lokale Angelegenheit. Sie wirkt technisch gesehen genauso, als hätte der Einspeiser (oder seine Nachbarn) ihren Stromverbrauch verringert. Wenn es nicht den Einspeisezähler gäbe, könnte niemand den Unterschied feststellen. Diese Argumentation ist einfach und einsichtig...

... besser gesagt, sie wäre so schön einfach und einsichtig, doch nun kommen die Ökostromhändler und faseln von Durchleitung des Stroms von Portugal bis zur Steckdose des deutschen Ökofreundes. Dass der Ökofreund bereit ist, mehr Geld für diesen angeblich grünen Strom zu bezahlen, ist der angebliche Beweis dafür, dass es einen Ökostromhandel gibt.
Und wenn es einen Ökostromhandel gibt, muss es natürlich auch einen grenzüberschreitenden Ökostromhandel geben, und schwupps ist die Wettbewerbskommission zuständig.


Die Kommmission könnte auf diese Weise sogar für das Stromsparen zuständig werden. Glauben Sie nicht? Ich will es Ihnen erklären:

Eine arme Familie in Irland spart jährlich 100 Kilowattstunden ein, lässt sich dies von einer Stromspar-Aufsichts-Behörde zertifizieren und verkauft ihr Stromsparzertifikat über eine Stromspar-Handelsbörse mit Gewinn an eine reiche Familie, sagen wir in Dortmund. Die heftet dann fünfzig solcher Stromsparhandelszertifikate neben ihre elektrische Nachtspeicherheizung und lässt sich als Preisträgerin im Umweltschutz feiern.
Kapiert? Na, Vorsicht - ich sollte das vielleicht nicht so plastisch schildern, sonst wird die Idee wirklich aufgegriffen. Die Wettbewerbskommission jedenfalls würde sich freuen, denn dann wäre sie auch noch für das grenzüberschreitende Stromsparen zuständig.


Und warum wehrt sich niemand gegen diesen Unfug?


Die traurige Ursache ist das Wort "Durchleitung".


Gerade technisch schlecht informierte Menschen werden durch das scheinbar so anschauliche Wort "Durchleitung" zu einer Betrachtungsweise geführt, die mit den tatsächlichen Vorgängen nichts zu tun hat, die aber der Wettbewerbskommission in die Hände spielt. Die oben geschilderte Vorstellung, man könne Windstrom von einem Windpark in Portugal bis in bestimmte deutsche Steckdosen leiten, hat gerade im Kreis der Umweltfreunde eine willige Anhängerschaft gefunden. Hier tut geduldige Aufklärung not.


Ich hoffe deshalb auf Geduld und Nachsicht bei den Leserinnen und Lesern.


Mit freundlichen Grüßen
Wolf von Fabeck