14.12.05 von W.v.Fabeck

Adventswunsch

Rainer Kunze: Fast ein Gebet
Wir haben ein Dach
und Brot im Fach
und Wasser im Haus
da hält man's aus.

Und wir haben es warm
und wir haben ein Bett.
O Gott, dass doch jeder
das alles hätt.

Viele von uns denken bei diesen Zeilen an das unbeschreibliche Elend in der dritten Welt, andere denken daran, dass sogar bei uns im Land die Kluft zwischen Reich und Arm immer größer wird. Wie sollen wir helfen, wenn unser Gemeinwesen noch nicht einmal die vielen Probleme im eigenen Land lösen kann? Fünf Millionen Arbeitslose, die Staatseinnahmen bröckeln weg. Geld fehlt an allen Ecken und Enden!
Ratlos suchen Politiker nach neuen Geldquellen; vielleicht die Mehrwertsteuer, oder besser die Rentenbeiträge, oder vielleicht gar die Kopfpauschale? Oder die Autobahnen verkaufen? Oder ein bisschen Reichensteuer? Man könnte ja auch noch bei Hartz IV etwas kürzen!? Die Suche erfolgt so unsystematisch, dass man an der Kompetenz der Akteure zweifen könnte.

Wer Lasten gerecht verteilen will, sollte zunächst die Leistungsfähigkeit der möglichen Lastenträger berücksichtigen.

Bisher tragen Arbeiter und Angestellte bei weitem die höchste Steuer- und Abgabenlast. Das stammt noch aus der Zeit als es hieß "Alle Räder stehen still, wenn dein starker Arm es will." Dieser Kampfruf aus dem Jahr 1863 sollte die Arbeiter zum solidarischen Zusammenstehen ermutigen. Er signalisiert ungeheure Macht im Produktionsprozess, zeigt aber nur einen kleinen Aspekt der Wirklichkeit. Arbeiter können alle Räder zum Stillstand bringen. Es ist ihnen aber unmöglich, auch nur eine einzige Maschine ohne die Hilfe von Energie anzutreiben.

Zum Antrieb der Maschinen und zur Speisung der Schmelz- und Hochöfen braucht die Wirtschaft Energie. Ohne Energie bewegt sich rein gar nichts. Die gesamte Geschichte der Technik demonstriert die Überlegenheit der Energie gegenüber dem Personal. Der Produktionsfaktor Energie ist im produzierenden Bereich nicht nur mächtiger als der Produktionsfaktor Personal, sondern auch billiger. Dennoch wird die Energie kaum zur Besteuerung herangezogen. Seit dem Aufstand der Bildzeitung und des ADAC gegenüber einer langsamen Anhebung der Benzin-Besteuerung bis auf 5 DM pro Liter ist das Thema tabu. Energie muss billig sein, heißt es statt dessen.

Dabei ist billige Energie die Hauptursache der Arbeitslosigkeit. Schon seit Jahren müssen personalintensive Betriebe schließen - und auf der anderen Seite blühen energieintensive Betriebe auf.

Energieintensiv bedeutet menschenleere Fabrikhallen, bedeutet Einsatz von Automaten, bedeutet Verarbeitung von Halbzeugen (Kupferdraht, Aluminiumprofile, Stahlblech usw) am laufenden Band. Halbzeuge werden aus Grundstoffen hergestellt, und diese werden unter ungeheurem Energieeinsatz aus Rohstoffen gewonnen. Billige Energie bedeutet deshalb billige Grundstoffe, und billige Grundstoffe begünstigen die weitere Automatisierung. Arbeitsplätze werden durch Automatisierung allerdings nicht geschaffen - im Gegenteil!

Auf der anderen Seite stehen die personalintensiven Unternehmen bereits mit dem Rücken zur Wand. Handwerksbetriebe, Kindergärten, Schulen, Universitäten, Forschungseinrichtungen, soziale und kulturelle Einrichtungen, fast der gesamte Dienstleistungsbereich ist betroffen. Diese Unternehmen müssen nicht nur die Nettolöhne zahlen, sondern ihr Personaletat wird indirekt auch noch durch die Lohnsteuer und die Lohnnebenkosten belastet. In ihrer Not entlassen sie Personal oder sie schließen ganz.

Ein Vergleich der jährlichen Steuer und Abgabenlast in der Bundesrepublik zeigt, dass der Produktionsfaktor Arbeit (Personal) mehr als zehnmal so viel belastet wird wie die Energie.

Belastung der Arbeit    Belastung der Energie
389 Mrd. Sozialbeiträge 6,6 Mrd. Stromsteuer
124 Mrd. Lohnsteuer41,8 Mrd. Mineralölsteuer
513 Mrd.48 Mrd.

Wer Personal-Neueinstellungen will, muss deshalb die personalintensiven Betriebe steuerlich und abgabenmäßig entlasten. Die energieintensiven Betriebe aber müssen eine höhere Steuerlast übernehmen!

Wer mehr tun will als beten, sollte deshalb bei jeder Gelegenheit darauf bestehen, dass Energie stärker besteuert werden muss.