Blackout bei deutschen Netzbetreibern

Am 25. November fand in Frankfurt a. M. ein Informationstag des VDEW/VDN/VGB unter dem Motto "Blackouts in Europa und den USA - Was nun?" statt.

Ein Bericht von Britta Marold


Die gute Nachricht gleich zuerst: Die deutschen Netze sind gut in Schuss, ein Blackout wie in den USA, Schweden oder Italien ist bei uns - zumindest zurzeit - nicht zu erwarten.

Leider haben sich die guten Nachrichten von dieser Tagung damit auch schon erschöpft. Aber ich will von Anfang an berichten:

Die Tagung begann um 9.30 Uhr in einem Hotel in der Frankfurter Innenstadt. Nach dem Begrüßungskaffee fand die sprachliche Begrüßung durch Herrn Dr. Eberhard Meller statt, den Hauptgeschäftsführer des VDEW Berlin. Er verschaffte den etwa 100 Teilnehmern auch einen kurzen Einblick in die Thematik des Tages: Wie konnte es zu den Blackouts in den USA, in Schweden und in Italien kommen? Hätten sie verhindert werden können? Gibt es schon Klarheit über die Ursachen? Können die angebotenen Lösungen der EU-Kommission greifen?

Der erste Redner war Mr. PhD Fereidoon Sioshansi, Präsident der Menlo Energy Economics, Walnut Creek, CA (USA). Er erklärte den Teilnehmern die Ursachen des Blackouts in den USA. Interessant war, dass er immer von dem "accident", also dem "Unfall" sprach...

Ich will mir die technischen Einzelheiten hier ersparen, sie sind für uns wenig relevant. Wesentlich ist, dass als die Kernursachen folgende Punkte festgehalten wurden:

  • Politische Fehlentscheidungen
  • Mangelnde Investitionen in die Netze (die erste Störung im Netz wurde durch mangelnde Wartung ausgelöst)
  • Zu große Zersplitterung: In den USA gibt es bezüglich des Stromnetzes 130 verschiedene Kontrollbereiche. Diese verfügen jeweils über einen eigenen "Chef", es gibt aber keinen Menschen, der die verschiedenen Kontrollbereiche koordiniert. Bei dem Blackout in den USA waren insgesamt 25 Kontrollbereiche betroffen. Nach Aussage von Mr. Sioshansi ist der Mangel an Kommunikation zum größten Teil verantwortlich für den "Unfall". Der erste Ausfall eines Netzteiles fand um 2.00 pm. statt. Um 4.25 pm. gingen im Bundesstaat New York die Lichter aus. In der Zwischenzeit von immerhin 2,5 Stunden fand keinerlei Kommunikation zwischen den einzelnen Kontrollbereichen statt.
Herr Gunnar Lundberg, Vertreter der Vattenfall Support AB, Stockholm berichtete, dass der Blackout am 23. September 2003 in Schweden und Dänemark ursprünglich durch den Ausfall eines Kraftwerkes ausgelöst wurde. Durch die darauf folgende Überlastung eines anderen Teiles des Netzes kam es zu einer Überhitzung, der eine marode Verbindung in einer 400 kV Station nicht gewachsen war. Es kam zu einem mechanischen Bruch, der anschließend einen Kurzschluss auslöste. Dadurch fiel der komplette Netzbereich aus und löste die im letzten Solarbrief (Solarbrief 3/03, Seite 16) beschriebene Kettenreaktion aus.

In Schweden war unumstritten der schlechte Zustand der Netze maßgeblich für die Schwere des Blackouts.

Für Italien berichtete Herr Peter Giesbertz von der KEMA Consulting GmbH, Bonn. Den meisten Lesern ist wohl bekannt, dass der Blackout in Italien durch die Störung einer Leitung aus der Schweiz ausgelöst wurde. Es handelte sich um eine Leitung, über die Strom aus der Schweiz nach Italien geliefert wurde. Als diese Leitung ausfiel, übernahm automatisch eine andere Leitung diese Lieferung, da der Bedarf in Italien natürlich nicht schlagartig abnahm.
Diese Leitung fiel wegen Überlastung nach kurzer Zeit ebenfalls aus. Daraufhin griffen in Österreich, das Italien ebenfalls mit Strom versorgte, bestimmte Schutzmechanismen, um das österreichische Netz vor Überlastung zu schützen. Italiens Stromnetz verlor den Anschluss an das europäische Stromnetz UCTE und der Blackout war komplett.

Wenn wir all diese Fälle zusammenfassen, wird klar, dass die Blackouts aufgrund des Zusammentreffens verschiedener Faktoren stattgefunden haben:

  • Es gibt einen Mangel an Investitionen in die Stromnetze. Eine kleine Ursache kann deswegen eine ungeahnt große Wirkung haben.
  • Verstärkt wird diese Problematik durch einen eklatanten Mangel an Koordination. (Das Beispiel USA ist hier gut vergleichbar mit dem europäischen Stromnetz UCTE.)
  • Mit voranschreitender Liberalisierung und Privatisierung der Stromversorgung haben sich - bedingt durch den Wettbewerb - diese Probleme immer weiter verschärft.

Zur Versorgungssicherheit in Deutschland sprach zuerst Herr Dr. Joachim Stamer, Sprecher des Vorstandes der ENBW Transportnetze AG, Stuttgart. Jetzt wurde es interessant! Wie sieht es in Deutschland aus? Wie steht es hier mit dem Zustand der Netze? Wird investiert? Gibt es zuverlässige Koordination, auch mit Netzbetreibern anderer europäischer Länder?

Herr Dr. Stamer begann seinen Vortrag mit einer Definition: Einen Blackout nennt man den großflächigen Zusammenbruch der Stromversorgung, verursacht durch Fehler im Netz bzw. in der Strombereitstellung. Fehler in den lokalen Verteilungsnetzen führen dagegen nur zu lokalen Versorgungsunterbrechungen. In Deutschland hat es während der vergangenen Hitzeperiode verschiedene solcher Versorgungsunterbrechungen gegeben. Die Reaktoren konnten durch die Hitze nicht mehr genügend gekühlt werden. Infolgedessen mussten sie mit verminderter Leistung gefahren werden.

Wer jetzt auf ein Wort der Einsicht wartete, der Erkenntnis, dass möglicherweise die Art der Stromversorgung für diese Unterbrechungen verantwortlich sei, der wartete vergebens. Vielmehr folgte eine längere Replik, in etwa folgenden Inhalts:

Deutschland war bisher europäischer Spitzenreiter bei der Versorgungssicherheit. Sowohl das deutsche als auch das europäische Verbundnetz UCTE ist darauf ausgelegt, dass der Strom möglichst verbrauchsnah erzeugt wird. Die Stromflüsse dienen nur dazu, eventuelle Versorgungsengpässe auszugleichen. Die Stromnetze sind nicht darauf ausgelegt, große Mengen Strom dauerhaft zu transportieren.

Die Liberalisierung des Marktes hat jedoch dazu geführt, dass das Verbundnetz zu einer Plattform für den Strommarkt geworden ist. Jeder kann die Netze nutzen, um seinen Strom zu verkaufen, zu transportieren etc. Dies führt laut Dr. Stamer zu einer permanenten Auslastung der Netze, die dazu - wie gesagt - nicht ausgelegt sind. Dies würde unweigerlich zu Problemen und Engpässen führen. Es wären gravierende Änderungen im Netz nötig. Die seien aber frühestens in 8-20 Jahren realisierbar. Bei den Netzbetreibern sei aber jedem klar, woran die Verschärfung der Probleme liege:

Schuld ist - naa?? - die Windenergie, klar! Die küstennahe Erzeugung der Windenergie erfordert:
1. das Bereitstellen der Netze für den Wind, wann immer er sich bequemt zu wehen.
2. das Fahren von sogenannten "Schattenkraftwerken", also Kraftwerken, die "einspringen" können, wenn der Wind plötzlich nicht mehr weht oder sich die Windkraftwerke wegen zu viel Wind abschalten.

Dazu kommt, laut Dr. Stamer, dass die Windkraftwerke in keiner Weise nützlich sind, um Versorgungsengpässe abzufedern. Denn "wenn man sie braucht, erzeugen sie meistens keine Energie".

Die Windenergie gehöre abgeschafft (Höre ich da den baden-württembergischen Ministerpräsident Teufel? Wer schreibt hier von wem ab??), aber das sei ja zurzeit politisch nicht durchsetzbar. (Nein, es folgte keine Aufforderung, bei der nächsten Bundestagswahl anders zu entscheiden. Das war in diesem Kreis offensichtlich überflüssig. Es herrschte spürbare Einigkeit.) Und es ging in diesem Stil weiter: Schon allein aus diesen Gründen sei eine Investition in die Netze erforderlich. Aber dazu habe die Energiewirtschaft kein Geld. Denn die Investition in Netze bringt keine Rendite. Man müsse also darüber nachdenken, in welchem Maße eine reduzierte Zuverlässigkeit akzeptiert werden könne. Man könne z. B. Einsparungen vornehmen, indem die Überlastbarkeit ausgenutzt werde, die 220 kV-Netze zurückgebaut würden, man die Zahl der Umspannwerke reduziere usw. Der Vorwurf, der Mangel an Investitionen führe zu einem Substanzverlust, sei aber in jedem Fall zurückzuweisen. Es gehe einfach darum, die vorhandenen Ressourcen besser zu nutzen. Auch könne man einen Wechsel vornehmen von der turnusmäßigen Wartung der Netze hin zu der "zustandsorientierten" Wartung... Die Windenergie sei aber auf jeden Fall zu bekämpfen, weil sie Hauptschuldige in dem ganzen Problemkreis sei. Wenn trotz Windenergieerzeugung an der Küste, wo der Strom ja nun mal nicht gebraucht wird, die Versorgungssicherheit in Deutschland aufrechterhalten werden soll, seien mindestens 1500 km neue Freileitungen und Trassen erforderlich. Dafür gäbe es aber weder Geld noch Genehmigung...

Beim anschließenden Mittagessen hatte ich nicht allzu viel Appetit.

Der Nachmittag stand unter dem Motto: "Blick in die Zukunft". Die Vertreter der Netzbetreiber sprachen über die notwendigen Voraussetzungen, unter denen die Versorgungssicherheit in Deutschland weiterhin gewährleistet werden kann. Neben netztechnischen Einzelheiten wurden Aspekte der Systemverantwortung referiert (z. B. neue Aufgaben der Netzbetreiber nach dem Unbundling, Risikobewertung bei Unterbrechungen der Versorgung, Engpassmanagement u. ä.). Es gab ein Referat über die Anstöße der europäischen Kommission (Welche Motivation, welche Legitimation hat die europäische Kommission? Welche Schritte werden zur Einflussnahme unternommen, was sind die Instrumente etc.).

Und schließlich referierte Herr Dipl.-Vw. Eckhard Schulz, stv. Hauptgeschäftsführer des VDEW, Berlin zum Thema: "Herausforderung Versorgungssicherheit". Herr Schulz erklärte den Teilnehmern, dass die Energieversorgung auf drei Säulen beruhe:

  1. Versorgungssicherheit
  2. Wirtschaftlichkeit
  3. Umweltverträglichkeit
Er machte darauf aufmerksam, dass zwischen Versorgungssicherheit und Wirtschaftlichkeit sowieso ein Spannungsfeld bestehe. Durch die Liberalisierung des Strommarktes habe aber zusätzlich ein Paradigmenwechsel stattgefunden. Die Netzbetreiber hätten nun verstärkt die Aufgabe, auf Wirtschaftlichkeit zu achten. Gleichzeitig versteife sich die Politik auf eine einseitige Verschiebung der Säulen hin zum Umweltschutz. Die Pläne der Bundesregierung (C02-Reduktion um 40 % bis 2020, Kernenergieausstieg, Neubau von Kohlekraftwerken nur unter Voraussetzung der Lösung des CO2-Problems, dezentrale, verbrauchsnahe Erzeugung von Strom durch KWK, Ausbau der regenerativen Energien usw.) würden die Versorgungssicherheit gefährden. Die Bundesregierung forciere außerdem eine verstärkte Energieforschung mit Konzentration auf Energieeinsparung und die erneuerbaren Energien. Das Ziel sei es - unter anderem - viele Anwendungen von Strom auf diesem Weg aus dem Markt zu drängen. Die Forschung werde einseitig auf erneuerbare Energien und Energieeffizienz konzentriert. Es fehle die Streuung, z. B. sei eine forcierte Kohleforschung von großer Wichtigkeit. Der Bundesregierung sei offensichtlich nicht klar, dass der alleinige Ersatz alter Kohlekraftwerke durch neue, CO2-reduzierte nicht ausreichend sei. Der VDEW habe aber zu diesem Thema eine Studie bei Professor Pfaffenberger in Auftrag gegeben. Er könne jetzt noch nicht viel dazu sagen. "Wir haben das noch in der Endabstimmung." Es sei aber festzuhalten, dass es von großer Wichtigkeit sei, dass die Energiepolitik Teil der Wirtschaftspolitik bleibe und auf keinen Fall Bestandteil der Umweltpolitik werden dürfe.

Ich saß staunend dabei, registrierte die lebhafte Zustimmung um mich herum und konnte es nicht fassen. Und daran hat sich bis heute nichts geändert.

Warum ist es für einen Netzbetreiber - nach der Liberalisierung - überhaupt ein Thema, ob es Kohleforschung gibt oder nicht? Was interessiert diesen die CO2-Forschung, Reduktion oder Vermehrung? Ich bin zu dem Schluss gekommen, dass die Netzbetreiber offensichtlich unter einem Blackout leiden! Es ist nicht ihre Aufgabe, zu entscheiden, wie und wo Strom in Deutschland produziert wird. Es ist ihr Job, diesen Strom zu verteilen und dahin zu bringen, wo er gebraucht wird. Es ist ihre Aufgabe, dies möglichst sicher und fehlerfrei zu bewerkstelligen. Alles, was dazu nötig ist, sollen sie tun! Sie sollen das dafür nötige Geld erhalten und auch ihren Gewinn dabei machen dürfen.

Netzbetreiber sind Dienstleister. Selbstverständlich ist ihre Aufgabe wesentlich komplizierter als z. B. die des Installateurs. Deswegen ist sicher auch eine Abstimmung mit der Politik, mit anderen Netzbetreibern in anderen Ländern, mit Kraftwerksbetreibern u.ä. notwendig. Es kann aber doch nicht sein, dass das Gewinnstreben dieser Menschen die Art und Weise diktiert, wie in Deutschland die Energiepolitik gestaltet wird.

Unbundling heißt, dass die Aufgabe der Energiebereitstellung von der Energieverteilung getrennt wird. Das haben die Netzbetreiber nicht kapiert. Sie haben auch nicht verstanden, dass ihre Meinung zu diesen Themen nicht gefragt ist. Es ist nicht die Aufgabe der Energieproduzenten, den Netzbetreibern ihre Aufgabe problemlos zu gestalten, es ist Aufgabe der Netzbetreiber, vorhandene Probleme zu lösen!

Ich wünsche mir, dass den Netzbetreibern ein Licht aufgeht! Dass sie begreifen, was ihre Aufgabe ist und dass sie sich frei von Ressentiments daran machen, diese Aufgabe zu erfüllen. Die Energiewende ist da. Wir werden sie aber nur meistern, wenn alle nötigen Kräfte zusammenarbeiten. Die Energieproduzenten - auch die Regenerativen - brauchen die Netzbetreiber und ohne die Stromlieferanten sind die Netzbetreiber schlicht überflüssig.

Wir brauchen das Unbundling in den Köpfen. Sonst ist jede Energiepolitik, die den Menschen und nicht dem Geld dient, zum Scheitern verurteilt.

Bild Britta Marold war vom Juni 1998 bis April 2002 hauptamtliche Mitarbeiterin im SFV. Eines ihrer Spezialthemen war der Interessenkonflikt zwischen Anlagenbetreibern und der Stromwirtschaft. Mehrmals hat sie den SFV bei der ehemaligen Clearingstelle des Bundeswirtschaftsministeriums zur Regelung von Streitigkeiten bei Netzanschlussfragen vertreten.