Hängt der derzeitige Höhenflug der rechtsextremen Partei AfD mit der Klimapolitik der Bundesregierung zusammen? Und wenn ja: wie? Diese Frage ist wichtig, denn möglicherweise stehen wir vor dem Dilemma, dass eine Bundesregierung das klimapolitische Ruder nur zu dem Preis herumreißen kann, dass es ihr dann schnell wieder aus der Hand genommen wird. Aber stimmt das? Muss man, wenn das Haus brennt, zuerst daran denken, die Bewohner:innen nicht zu „überfordern“? Mit diesem Text wenden wir uns an die Politiker:innen, vor allem im Bund, um eine Debatte anzustoßen, die uns wohl noch länger begleiten wird. Wir freuen uns auch auf kritisches Feedback von unseren Mitgliedern!

 

Was motiviert Menschen, eine rechtsextreme Partei zu wählen, die die Klimakrise leugnet? Als ein Faktor wird immer wieder der Wunsch genannt, dass sich im Leben der Menschen möglichst wenig verändert, insbesondere wenn es um befürchtete Verluste geht. In einer Art Vogel-Strauß-Reaktion wird dann die Krise geleugnet, oder es wird verdrängt, dass sie radikale Maßnahmen erfordert. Überdies haben die Menschen neben dem Klima noch viele weitere Probleme. Angesichts der vielfachen Krisen der vergangenen Jahre fühlen sich viele zunehmend überfordert. Der Soziologe Steffen Mau spricht von einer „Veränderungserschöpfung“, die um sich greift. Und es waren nicht irgendwelche Veränderungen, die mit der Corona-Pandemie sowie im Zusammenhang des Ukraine-Krieges (Inflation, Energieversorgungskrise) kamen; es waren Verschlechterungen, ohne Möglichkeit der eigenen Mitgestaltung. Vielleicht sollten wir eher von “Zumutungserschöpfung” sprechen. Wir müssen dies ernst nehmen – ohne die Dringlichkeit radikaler Änderungen in der Energie- und Klimapolitik aus den Augen zu verlieren.

Für den Bereich der Klimapolitik bedeutet dies:

  1. Es braucht eine ehrliche (und das heißt: „alarmistische“) Klimakommunikation, die betont, wie hoch der Veränderungsdruck in vielen Lebensbereichen wird, wenn man klimapolitisch nichts tut.
  2. Die Tatsache sollte klar benannt werden, dass gerade die meisten Wähler:innen der AfD, die in strukturell benachteiligten Regionen leben, zu den Hauptleidtragenden unterlassener Klimapolitik gehören werden.
  3. Es sollte aufgezeigt werden, dass Klimaschutzmaßnahmen auf mittlere Sicht Geld sparen, sowie viele weitere Vorteile bringen.
  4. Die konsequent soziale Ausgestaltung aller Maßnahmen muss am Anfang aller Überlegungen stehen.
  5. Obwohl die Dringlichkeit der Klimakrise selbstverständlich auch Verbote erfordert, müssen Möglichkeiten eigener Gestaltung und Beteiligung an den fälligen Veränderungen gestärkt und in der Maßnahmen-Kommunikation betont werden.

Alle fünf Strategien wurden bisher weitgehend vernachlässigt. Im Einzelnen:

zu 1. Das Bundesklimaschutzministerium hat seit 2022 behauptet, dass eine bis 2045 angestrebte Klimaneutralität bedeute, Deutschland befinde sich auf einem 1,5°C-Pfad. Diese allen wissenschaftlichen Studien widersprechende Behauptung schwächt die Wahrnehmung der Regierungspolitik als faktenbasiert. Sie kann somit zugleich das Vertrauen in unser parlamentarisch-demokratisches politisches System beeinträchtigen, wie auch in den wissenschaftlichen Konsens. Nicht beim harten Kern der AfD-Anhänger:innen, aber bei denen, die ihnen doch Paroli bieten sollten.

zu 2. Wenn eines der Wahlmotive zugunsten der AfD in Verlustängsten liegt, dann müsste den Menschen verdeutlicht werden, welche Verluste sie zu erwarten haben, wenn sich z.B. die AfD-Energiepolitik durchsetzt. Hier ist an Teuerungsraten bei den Energiekosten zu denken; in erster Linie aber an den Verlust von Natur und von Lebensqualität durch die Erderhitzung und die Häufung von Extremwetterereignissen, auch an den Verlust von Menschenleben bei Hitzewellen und Überflutungen. Für den Zweck dieser Verdeutlichung ist es hilfreich, dass demoskopisch nachgewiesen wurde, dass auch die Mehrheit der AfD-Wähler:innen die Klimaleugner-Positionen der Partei nicht teilt.

Die Verweigerung jeder gestaltenden Veränderung, von der die AfD zehrt, hat in der Vergangenheit zum Veröden von Infrastruktur in ländlichen und kleinstädtischen Regionen geführt. Einkaufsmöglichkeiten verschwanden, wo nur “der Markt” regierte, ebenso der ÖPNV. In den resultierenden sozialen ‘Steppen’ fährt die AfD paradoxerweise ihre größten Wahlerfolge ein. Aber man müsste den Menschen klarmachen können, dass es zu diesen Prozessen eine Alternative gibt, die zugleich klimapolitisch geboten ist. Und dass die AfD das Gegenteil dieser Alternative verkörpert, weil sie steuerpolitisch die öffentliche Hand massiv schwächen will.

zu 3. Es ist immer schwierig, Menschen zu einer längerfristigen Kalkulation von Kosten und Erträgen zu veranlassen. Dennoch kann man die erwartbaren geldwerten Kosten eines künftigen Energiesystems, das auf Erneuerbaren Energien basiert, mit jenen eines Systems aus Kohle, Erdgas und Benzin vergleichen. Eine Wärmepumpe ist teurer als eine Gas-Therme, liefert dann aber viel billigere Energie. Diese Tatsache, dass einer etwas höheren Investition in die Heizungsanlage heute viel geringere Betriebskosten in der Zukunft gegenüberstehen, müsste sich gut vermitteln lassen. Bisher geschieht das zu wenig.

Auch die Vorzüge eines klimafreundlichen Verkehrssystems müssten sich besorgten Bürger:innen eigentlich gut darstellen lassen (was weithin unterbleibt). Die Wahlerfolge der AfD sind ja teils auf bereits geschehene Verluste der Menschen zurückzuführen, etwa den Verlust dörflicher und kleinstädtischer Infrastruktur, der vielfach den Besitz von Autos erst „alternativlos“ macht. Solche Prozesse sind nicht unumkehrbar. Es geht auch darum, der AfD den Begriff der „Alternative“ streitig zu machen. In der Parteipolitik sollte es um den Wettbewerb verschiedener Ideen gehen (auf der Basis von Fakten). Vom neoliberalen Einerlei der vergangenen Jahrzehnte hat die AfD sich nie abgesetzt, sondern nur den Hass auf alles kulturell “andere” draufgesattelt. Alternativ wäre hingegen ein Konzept, wonach ein besseres Leben möglich ist.

Und schließlich gehört zur Kostenkalkulation auch die Frage der klimawandelbededingten Extremwetterereignisse, deren Folgen von der Allgemeinheit bezahlt werden müssen, vor allem durch Steuergelder. Auch darunter haben ärmere Schichten, die verstärkt AfD wählen, überdurchschnittlich stark zu leiden. Der Satz von den Kälbern, die ihren Metzger selber wählen, sollte wieder mehr ins Bewusstsein gebracht werden.

zu 4. Beim Gebäudeenergiegesetz war zunächst die soziale Ausgestaltung der beim Heizungstausch entstehenden Kosten vernachlässigt worden. Die hieran anknüpfende perfide Kampagne von rechten Medien und Parteien darf nicht davon ablenken, dass hier tatsächlich berechtigte Sorgen existieren, die auch ohne AfD-Gefahr nicht übergangen werden dürften. Der jetzt vorliegende Entwurf des Gebäudeenergiegesetzes trägt dem durch sozial gestaffelte Investitionshilfen auch Rechnung. Insgesamt gibt die Bundesregierung aber nicht nur ein Bild der Zerstrittenheit, sondern liefert eine Politik, in der Klientelpolitik für die Reichsten noch immer eine große Rolle spielt. Das überfällige europaweite Ende für Auto-Verbrennungsmotoren wurde von der Regierung aus Rücksicht auf die Luxusauto-Firma Porsche verhindert; das ist hier ein vielsagendes Beispiel.

Zu 5. Die Energiewende kann und sollte ein Prozess sein, der sehr viele Menschen einbezieht und Lösungen vor Ort aktiv entwickeln lässt. Die Dezentralität, mit der Sonnen- und Windenergie anfallen, ermöglicht dies. Ob man das eigene Haus energetisch saniert und mit einer Photovoltaikanlage ausstattet, oder man sich an einer Bürgerenergiegesellschaft beteiligt – beides sind Umkehrungen des Zustandes, abgehängt zu sein. Möglichkeiten solcher Beteiligung sollten auch für weniger wohlhabende Schichten optimiert und nicht zuletzt in den Hotspots des AfD-Zuspruchs bekannt gemacht werden.

Aufgrund der Klima-Sabotage früherer Bundesregierungen kommen wir längst nicht mehr ohne Verbote aus, die mit dem Ausstoß von Treibhausgasen zu tun haben. Das folgt aus Sachnotwendigkeiten, nicht aus einer Freude am Verbieten, die angeblich einer “grünen Ideologie” innewohnen soll. Dass aber diese “Freiheitseinschränkungen” durch einen Zugewinn an Freiheiten an anderer Stelle mehr als ausgeglichen werden, muss klarer kommuniziert werden.

Zusammenfassend kann man sagen, dass die Probleme der Klimapolitik, die zu den AfD-Erfolgen beitragen, nicht in einem ‚zu viel‘ begründet liegen, sondern in einem ‚zu zaghaft‘ bzw. ‚zu inkonsequent‘. Eine Partei wie die AfD kann genüsslich in jeder dieser Schwachstellen herumbohren.

 

Wie reagiert die demokratische Rechte?

 

Hier ist es fatal, dass die führende Oppositionspartei, die CDU, die Sachverhalte geradezu auf den Kopf stellt. Aus der Beobachtung, dass die Grünen das Hassobjekt Nr. 1 der AfD darstellen, folgert Oppositionsführer Friedrich Merz, dass die Grünen nun auch Hauptgegner der CDU sein müssten. Die “Brandmauer” gegen die Rechtsextremen hat er hingegen zuletzt massiv geschwächt. Gleichzeitig wird die CDU durch die Bild-Zeitung von rechts unter Druck gesetzt: Merz wolle sich die Machtoption Schwarz-Grün offenhalten und distanziere sich noch nicht genug von den Grünen. Die CDU habe „die überstürzte ‚Energiewende‘ […] nie klar aufgearbeitet“. Der Bild-Kommentar meint, zusammengefasst, die AfD-Wähler:innen könnten zurückgewonnen werden, wenn man nur genug AfD-Positionen übernehme. Auch andere Medien, wie z.B. ein n-tv-Kommentar vom 30. Mai, erklären den AfD-Erfolg damit, dass etablierte Medien und Parteien den AfD-Positionen nicht genug Stimme verleihen.

Den politischen Diskurs nach rechts verschieben, um eine rechte Partei zu schwächen: Dass diese Eindämmungsstrategie durch Annäherung nicht funktioniert, haben die letzten Jahrzehnte hinlänglich bewiesen. Immer, wenn etablierte Parteien rechtsextreme Positionen übernahmen, wuchsen die Stimmenanteile rechtsextremer Parteien. Aber es stellt sich noch eine andere Frage. Wie kommt es, dass die Bild-Zeitung ihrem Millionenpublikum einreden kann, es habe in den Merkel-Regierungen eine „überstürzte ‚Energiewende‘“ gegeben? Hier sind wir mitten in der Welt der ‚alternativen Fakten‘, ja: des Orwell’schen „Neusprech“. Wenn man das fünfzehnjährige Abwürgen der Energiewende als deren ‚Überstürzung‘ etikettieren kann, dann leitet man Wasser auf die Mühlen derjenigen politischen Lager, denen Fakten egal sind, weil sie sich ihre eigene Wahrheit zimmern. In der Parteienlandschaft ist das, allen voran, die AfD.

Im Hinblick auf die Klimakrise ist die Faktenleugnung in einer weiteren Partei noch immer relativ verbreitet: der FDP. Erklärte Leugner wie Frank Schäffler, Lukas Köhler, Steffen Hentrich, Nicola Beer bilden einen einflussreichen Flügel in der FDP-Bundestagsfraktion, der genug Macht hat, um „klimapolitische Geisterfahrer“ wie Verkehrsminister Volker Wissing parlamentarisch abzusichern. Schäffler hat im April auf dem FDP-Parteitag durchgesetzt, dass das von den FDP-Ministern in der Bundesregierung bereits abgenickte Gebäudeenergiegesetz ausgebremst wurde. Unter dem Schlagwort „Technologieoffenheit“ wird, wie auch im Verkehrssektor, darum gekämpft, fossile Energien so lange wie möglich am Leben zu erhalten. Das globale Netzwerk von Thinktanks wie Schäfflers „Prometheus - Das Freiheitsinstitut“ wird maßgeblich von den großen Erdölkonzernen wie Exxon und Shell finanziert, um Klimaschutzmaßnahmen zu sabotieren. Deren global erfolgreiche Strategie seit einigen Jahren: nicht mehr die Existenz der Erderwärmung zu leugnen, sondern die einzelnen Maßnahmen dagegen zu diskreditieren. Diese „Maßnahmenkritik“ („Solutions Scepticism“) hat es heute viel leichter, sich (auch in Qualitätsmedien) Gehör zu verschaffen, als die alte Faktenleugnung. So auch in Deutschland, wie man sieht.

Die Allianz aus Bild-Zeitung, Unionsparteien und der Regierungspartei FDP torpediert die Klimapolitik der Bundesregierung. Obwohl die Dringlichkeit der Klimakrise den Menschen bewusst bleibt, wird so das Misstrauen gegenüber klimapolitischen Maßnahmen befeuert, und zugleich steht die Regierung als zerstrittener, handlungsunfähiger Haufen da. Das gibt einer Partei Rückenwind, die sowohl die Klimaschutz-Maßnahmen als auch das demokratische politische System insgesamt ablehnt. Die FDP ist eine Hebamme der AfD-Erfolge. Sie selbst profitiert nicht von ihrer gefährlichen Strategie.

Es wäre wünschenswert, dass die FDP intern die Frage klärt, ob sie diesen (auch selbst-) destruktiven Weg weiter beschreiten will. Wir brauchen eine Bundesregierung, die dem Problem der Klimakatastrophe die Priorität einräumt, die es verdient. Sie wird dann auch als handlungsfähig wahrgenommen, was das Vertrauen in das bestehende politische System stärkt.