Nach den Erfahrungen in Kopenhagen wird es immer deutlicher: Eine globale Verminderung der energiebedingten CO2-Emissionen erfolgt weiterhin nicht nach Klimaschutzkriterien, sondern nach rein betriebswirtschaftlichen Erwägungen der nationalen Energiewirtschaften. Diese ersetzen ihre Kraftwerke durch neue Kraftwerke mit geringerem Brennstoffbedarf - und damit mit geringerem CO2-Ausstoß.
Nebenbei gesagt, würden sie das auch ohne Klimakonferenzen tun.
Alles was an Forderungen darüber hinausgeht, wird abgeblockt von Unterhändlern, die die zum Klimaschutz notwendigen Maßnahmen aus dem Blickwinkel der Energiewirtschaft betrachten und sie somit als unzumutbare Last empfinden.

Warum steigt Deutschland nicht auf Erneuerbare Energien um?

Das Klimaproblem ist ein globales Problem und es fehlt die Hoffnung, ein globales Problem durch nationale Maßnahmen lösen zu können.
Die Energiewirtschaft hat diesen psychologischen Aspekt schon lange erkannt und bestärkt die Bevölkerung in ihrer Hoffnungslosigkeit. Ihre Fachleute versichern unermüdlich und eindringlich, dass eine Umstellung auf Erneuerbare Energien in absehbarer Zeit noch nicht möglich sei. Die Bereitstellung von Strom aus Erneuerbaren Energien sei noch zu ineffektiv, zu teuer und zeitlich zu schwankend. Und das Potential im eigenen Land reiche bei der derzeitigen Technik keineswegs aus. Es würde eine Stromlücke geben. Natürlich seien die Erneuerbaren Energien das langfristige Ziel, aber man brauche jetzt noch eine "Brückentechnologie".
Die Mehrzahl der Politiker folgt dieser Argumentation. Sie glaubt offensichtlich, man könne eine Energielücke nur vermeiden, indem sie den Aufbau und die Optimierung von "Brückentechnologien" genehmigen.
Sie fordern die Energiewirtschaft sogar auf, neue effizientere Kohlekraftwerke zu betreiben und räumen ihr alle Hindernisse zur Seite. So wurde durch die schwarz/gelbe Landtagsmehrheit in NRW nach dem Bauverbot für das E.on-Großkraftwerks in Datteln der Klimaschutz aus dem LandesEntwicklungsProgramm Gesetz gestrichen [1].
Damit die neuen Großkraftwerke 40 Jahre lang betriebswirtschaftlich betrieben werden können, muss - so glauben offenbar die politischen Planer - die Errichtung privater Solar- und Windanlagen durch die Bevölkerung verzögert werden. Die Einspeisung von Strom aus Erneuerbaren Energien darf nicht zu rasch zunehmen und zu zeitweiligen Abschaltungen konventioneller Kraftwerke führen.
Entsprechend wird das Ausbautempo der Erneuerbaren Energien von Seiten der politischen Führung gedrosselt.
Die BMU Leitstudie 2008 (dort Graphik auf Seite 9) sieht für die Zeit bis 2030 abnehmende(!) Zubauraten bei der Windenergie im Binnenland vor (Jedes folgende Jahr soll weniger(!) Windenergieleistung installiert werden als im Vorjahr). Entsprechende Aussagen zur Photovoltaik werden im übernächsten Kapitel kommentiert.

Die Klimaschutzaufgabe wird zu einem Verbraucherschutzproblem umgedeutet

Der Energiewirtschaft und den mit ihr verbundenen Instituten ist es inzwischen gelungen, den Klimaschutz in den Medien zu einem angeblichen Verbraucherschutzproblem umzudeklarieren. Besonders das RWI wird nicht müde, davor zu warnen, dass ungeheure Kosten auf die Stromkunden zukämen. Die volkswirtschaftlichen Vorteile einer nationalen Vorreiterrolle und der Klimaschutz werden ausgeblendet.

Wir unterstellen den Politikern keineswegs, dass sie aus niederen Motiven den Vorschlägen der Energiewirtschaft folgen. Vielmehr geschieht dies nach unserer Überzeugung aus Mutlosigkeit. Immer noch ist etwa drei Viertel der Bevölkerung im Zweifel, ob ein vollständiger Ersatz der konventionellen Energien durch Erneuerbare Energien überhaupt möglich ist. Die Zweifel sind auch bei den meisten politischen Institutionen vorhanden.
Es fehlt die Überzeugung, dass die Erneuerbaren Energien die konventionellen Energien schneller ersetzen können als die fossilen Kraftwerke aus Altersgründen vom Netz gehen müssen. Und es fehlt ganz besonders die Erkenntnis, dass ambitionierte Investitionen in den Klimaschutz - auch und gerade im nationalen Alleingang - volkswirtschaftlich riesige Chancen beinhalten. Zweifel und Hoffnungslosigkeit lähmen die Politiker, lassen sie den Kopf in den Sand stecken und die Klimagefahr aus ihren Überlegungen verdrängen.

Wenn man nicht weiß, was man gegen eine Gefahr unternehmen kann, verdrängt man sie aus dem Bewusstsein. So erfolgt eine regelrechte Bewusstseinsspaltung: Klimafragen sind allenfalls etwas für nächtliche Albträume, aber im politischen Tagesgeschäft wird nach den scheinbar realistischen Vorgaben der Energiewirtschaft entschieden.

Was ist von Seiten der Erneuerbaren Energien zu tun?

1. Wir schaden uns nur selbst, wenn wir vor dem Vorwurf in die Knie gehen, der Ausbau der Solarenergie würde die Verbraucher belasten und den Solarfirmen die Nasen vergolden. Das Angebot, dann eben mit einer geringeren Einspeisevergütung den Ausbau der Solarenergie weiter zu betreiben, ist unrealistisch und diskriminiert alle Angehörigen der Solarbranche, die für gute Arbeit gutes Geld verlangen. Unsere Antwort kann nur lauten:
Natürlich kostet der Ausbau der Erneuerbaren Energien Geld, sogar viel Geld. Aber ohne Gewinnaussicht findet sich kein Kapitalgeber und kein Unternehmer, der den Ausbau durchführt. Und das Geld ist gut angelegt, denn Strom aus Erneuerbaren Energien wird immer billiger. Und die Errichtung von Solaranlagen auf deutschen Dächern schafft neue Arbeitsplätze für deutsche Installateure.
Die zukunftslose Alternative lautet: Weiter Strom aus fossilen Energien - und der wird immer teurer. Im übrigen wird der Klimawandel - wenn es nicht gelingt, ihn durch die Erneuerbaren Energien abzumildern - noch unnennbar mehr kosten.

2. Wir glauben nicht, dass man die Klimagefahren noch drastischer darstellen muss. Wer sie verdrängen will, verdrängt sie dann um so leichter mit dem Argument der Panikmache. Wir brauchen vielmehr die hoffnungsspendende Überzeugung, dass man auch ohne internationale Konferenzen etwas gegen den Klimawandel tun kann. Die Tatsachen, die für eine rasche Umstellung auf Erneuerbare Energien sprechen und die dazu erforderlichen Maßnahmen müssen durch ständige Wiederholung und Bekräftigung ins alltägliche Bewusstsein einsinken.

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100 Prozent Erneuerbare Energien - Wie es zu den Zweifeln gekommen ist und wie wir sie widerlegen können

Mit Einweisung in den Gebrauch des SFV-Energiewenderechners.

60 Minuten Vortrag, 60 Minuten Diskussion

Photovoltaik - mögliches Ausbautempo dramatisch unterschätzt

Die oben erwähnte Leitstudie 2008 des BMU geht davon aus, dass der Ausbau der Photovoltaik auch noch bis zum Jahr 2050 nicht abgeschlossen sein wird. Trotzdem sollen gemäß Studie von 2009 an Jahr für Jahr weniger Solarstromanlagen installiert werden. Also kein Wachstum, sondern Schrumpfen!
Man muss allerdings sehr genau lesen, denn die Schrumpf-Prognose ist sprachlich verschleiert.
Lesen Sie selbst auf Seite 10 der Zusammenfassung zum Ausbau der Photovoltaik:

"Die im Szenario angenommene Ausbauaktivität der Fotovoltaik geht von 1 300 MWp/a in 2009 bis 2020 auf stabile 1000 MWp/a zurück. Dies führt zu einer installierten Leistung in 2020 von 17 900 MWp und einer Stromerzeugung von 16 TWh/a. Deutliche Kostendegressionen (Stromgestehungskosten in 2020: 15 ct/kWh; in 2030: 11 ct/kWh) führen auch nach 2020 zu einem stetigen Wachstum, das bis 2030 in einer installierten Leistung von 24 000 MWp resultiert.".
Den Wortlaut zur Photovoltaik in der vollständigen Fassung der Leitstudie 2008 finden Sie unter Fußnote [2]
(Anmerkung des SFV: Das Potential der PV auf Deutschlands Dachflächen und Fassaden ist fast zehn mal so groß, wie die in der Leitstudie 2008 erwähnten 24.000 MWp)

 
Kommentar des SFV:
Schon die Vorhersage der Leitstudie für das Jahr 2009 liegt mit 1300 MWp viel zu niedrig. Tatsächlich wurden 2009 fast doppelt so viele Solaranlagen installiert. Nach Mitteilung der Bundesnetzagentur vom 1.11.2009 waren es in den 12 Monaten vom 1. Oktober 2008 bis 30. September 2009 etwa 2340 MWp [3].

Im Jahr 2020 sollen gemäß Leitstudie 17 900 MWp installiert sein
Im Jahr 2030 sollen gemäß Leitstudie 24 000 MWp installiert sein
Das bedeutet 6 100 MWp in 10 Jahren, also durchschnittlich nur 610 MWp pro Jahr (weniger als ein Drittel des Jahres 2009).
Das ist - mit Verlaub zu sagen - gegenüber dem derzeitigen jährlichen Zubau von 2340 MWp kein "stetiges Wachstum", sondern gewaltiges Schrumpfen. Jahr für Jahr sollen weniger Solarstromanlagen montiert werden! Als Grund werden die Sorgen des RWI vor einer angeblich zu hohen Belastung der Verbraucher durch die sogenannten "Differenzkosten" genannt. Eine Gegenrechnung der positiven Effekte durch die vermehrte Einspeisung von Solarstrom und den Merit-Order Effekt unterbleibt (Irreführung der Verbraucher bei angeblichen Mehrkosten von Strom aus Erneuerbaren Energien).
Wer nun in sklavischer Befolgung der Leitstudie das Wachstum der Photovoltaik in Deutschland auf das vorgegebene Schneckentempo herabdrosseln will, ist anscheinend blind gegenüber den Chancen, die sich bieten und sich jetzt deutlich zeigen.
Nicht weiter bremsen, sondern Gas geben, heißt die Devise.

Die Forderungen des SFV zur Einspeisevergütung für Solarstrom

  1. Sofortige Rücknahme der verschärften Vergütungs-Degression im EEG 2009. Stattdessen Wiedereinführung der bis dahin geltenden 5 Prozent-Degression.
  2. Einführung eines Gebäude-Integrations-Bonus.
  3. Einführung einer erhöhten Einspeisevergütung für Kleinanlagen bis 10 kW

Fußnote
[1] "Für die CDU im Düsseldorfer Landtag führt der Weg nach Kopenhagen über Datteln"
15.12.2009, CDU NRW Landtagsfraktion (Oliver Wittke),
URL: http://www.gabriele-kordowski.de/de/duesseldorf/cdu-fraktion/meldung.html?idp=2009-12-18-12.01.27.885748 abgerufen am 16.1.10
Dort findet sich folgende Aussage:
"Wir wollen die ambitionierten Klimaschutzziele erreichen. Dabei halten wir den Bau neuer Kohlenkraftwerke, die einen höheren Wirkungsgrad haben und weniger Schadstoffe emittieren, für unverzichtbar." Das erklärt der wirtschaftspolitische Sprecher der CDU-Landtagsfraktion, Oliver Wittke. Wer sich deshalb heute gegen den Neubau eines Kohlenkraftwerkes wie in Datteln ausspreche, so Wittke weiter, der spreche sich damit für den Weiterbetrieb der alten, weniger effizienten und stärker emittierenden "Dreckschleudern" aus. Die CDU-Fraktion im Düsseldorfer Landtag stehe hinter dem Neubau des Kohlenkraftwerkes in Datteln. Deshalb müsse der Paragraf 26 aus dem Landesentwicklungsgesetz gestrichen werden. Ein Paragraf übrigens, so Wittke, der nur wenig klimapolitische Bedeutung habe.

[2] Leitstudie 2008; Weiterentwicklung der Ausbaustrategie Erneuerbare Energien vor dem Hintergrund der aktuellen Klimaschutzziele Deutschlands und Europas. Untersuchung im Auftrag des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Oktober 2008, Dr. Joachim Nitsch

In der vollständigen Fassung lautet der entsprechende Text zu Photovoltaik:
"Die jährlich installierte PV-Leistung hat in 2007 einen Rekordwert von 1 150 MWp/a erreicht. Es wird davon ausgegangen, dass auch das weitere Wachstum dazu dient, mittelfristig einen ausreichend großen Inlandsmarkt aufzubauen, der es deutschen Unternehmen ermöglicht, sich erfolgreich auf den internationalen Märkten zu behaupten. Eine dynamische Ausweitung des globalen Marktes ist für die Fotovoltaik von entscheidender Bedeutung, wenn die für längere Zeit noch erforderlichen zweistelligen Wachstumsraten aufrechterhalten werden sollen [PV 2005]. Die im LEITSZENARIO 2008 unterstellte zukünftige inländische Ausbauaktivität geht; vor dem Hintergrund der im aktuellen EEG beschlossenen erhöhten Degression der Vergütung - von zunächst etwa gleichbleibenden jährlichen Zubaumengen von 1 200 MW/a aus. Nach 2012 verringert sich die Zubaurate auf 1 000 MW/a. Dies führt zu einer installierten Leistung von 17 900 MW im Jahr 2020. Mit dieser ausgewogenen Marktentwicklung ist gewährleistet, dass sich der Inlandsmarkt weiterhin dynamisch entwickeln und die weitere Kostendegression zügig voranschreiten kann. Anderseits wird ein zu hohes Ansteigen der mit dem Ausbau der Fotovoltaik verbundenen Differenzkosten verhindert. Diese Kosten, die auch im Energiepreispfad A noch relativ hohe Beträge um 3,5 Mrd. Euro/a annehmen, werden von Skeptikern des EE-Ausbau kritisiert [RWI 2008] und damit der weitere PVAusbau im Inland als Ganzes infrage gestellt. Nach deutlichen Kostendegressionen (erwartete Stromgestehungskosten in 2020: 14 ct/kWh) stellt sich nach 2020 wieder ein höheres Wachstum ein. Dies führt bis 2030 zu einer installierten Leistung von 24 000 MW."
http://www.bmu.de/files/pdfs/allgemein/application/pdf/leitstudie2008.pdf
Abgerufen am 20.01.10

[3] Siehe dazu Meldung der Bundesnetzagentur: Vergütungssätze für Photovoltaikanlagen für das Jahr 2010 Abgerufen am 17.01.10