Das Klimaabkommen von Paris will den Ausstoß von Treibhausgasen so senken, dass sich die Atmosphäre um höchstens zwei Grad erwärmt. Ab Mitte des Jahrtausends darf es praktisch keine neuen Emissionen mehr geben. Damit dieses Ziel erreicht wird, muss sich auch die Landwirtschaft grundlegend verändern. In ihrem Klimaschutzplan 2050 stellt die Bundesregierung fest, dass die Landwirtschaft acht Prozent der gesamten deutschen Treibhausgasemissionen verursacht. Davon ist mehr als die Hälfte direkt auf Tierhaltung zurückzuführen. Nicht mitgerechnet sind die Emissionen, die durch den Anbau importierter Futtermittel in anderen Ländern und aus dem Abbau von Humus vor allem in landwirtschaftlich genutzten Moorböden entstehen.

Die Landwirtschaft verursacht acht Prozent der gesamten deutschen Treibhausgasemissionen

Der Klimaschutzplan der Bundesregierung benennt zwar die Tierhaltung und den daraus resultierenden Einsatz von Stickstoff als Problem, sieht aber als Lösungen kaum mehr als ein verbessertes Nährstoffmanagement und allgemein eine höhere Effizienz der Produktion. Klimapolitik wird lediglich als eine Art Zusatzaufgabe verstanden. Die Agrarpolitik bleibt im Kern unverändert. So gibt es im Klimaschutzplan keine Aussage darüber, dass die Tierbestände kleiner werden müssen – obwohl anerkannt wird, dass die deutschen Emissionen seit 1990 vor allem deshalb um 18 Prozent gesunken
sind, weil die Tierhaltung in den neuen Bundesländern stark zurückgegangen ist.

Im Klimaschutzplan fehlen Aussagen über die Notwendigkeit der Reduzierung von Tierbeständen

In den vergangenen Jahren jedoch sind bundesweit die Fleisch- und Milcherzeugung wieder deutlich angestiegen, weil viele Fleischunternehmen und Molkereien auf wachsende Exporte setzen. Die Bundesregierung fördert diesen Trend. Höhere Exportmengen durch eine schnell wachsende
Tierproduktion und gleichzeitig eine Verringerung der Emissionen: Dieser Zielkonflikt ist nicht durch höhere Produktivität aufzulösen. Wäre die Klimapolitik hingegen integraler Bestandteil der Agrarpolitik, könnte sich die Landwirtschaft grundlegend anders ausrichten. Ein großes Potenzial haben Gelder, um Landwirtinnen und Landwirte zu motivieren, ihre Erzeugung auf eine extensive Bewirtschaftung der Moorböden umzustellen. Sie sollten umfassend geschützt, nur gelegentlich mit Schafen beweidet und für den Anbau von Pflanzen genutzt werden, die – wie Schilf – optimal an feuchte Bedingungen angepasst sind. So können die in Moorböden gespeicherten großen Mengen Kohlenstoff erhalten bleiben. Und weil Moorböden nur etwa fünf bis acht Prozent der landwirtschaftlichen Flächen in Deutschland ausmachen, würde sich das Ausmaß der Produktion insgesamt kaum ändern.

Milliardenzahlungen aus der Agrarpolitik könnten an Klima- und Umweltschutz gekoppelt sein


Generell kann die Politik wichtige Weichen stellen, indem sie die Vergabe öffentlicher Gelder, besonders die Milliardenzahlungen aus der Agrarpolitik, an Klima- und Umweltschutz koppelt. Wenn Mittel so vergeben werden, dass lokale und betriebliche Nährstoffkreisläufe geschlossen werden und die Zahl der Nutztiere reduziert wird, würden sich die Emissionen deutlich verringern. Weniger Tiere verursachen weniger Emissionen, aber auch klimaschädliche Importe von Futtermitteln können verringert werden. Eine solche Reduktion würde es leichter machen, Tiere klimafreundlicher und artgerechter zu ernähren und zu halten. Eine spezielle Förderung der Weidehaltung wirkt sich positiv auf die Emissionen aus, weil bei einem guten Herden- und Düngemanagement Kohlendioxid aus der Atmosphäre dauerhaft in den Wurzeln unter der Grasnarbe gebunden wird. Boden ist nach den Ozeanen der größte ohlenstoffspeicher der Welt.

Eine Förderung von stickstoffbindenden Pflanzen wie Bohnen, Lupinen oder Klee würde den Einsatz von klimaschädlich erzeugten Mineraldüngern reduzieren. Viele dieser Pflanzen sind gut als Eiweißfutter für die betriebliche oder lokale Tierhaltung geeignet und tragen so zu geschlossenen Nährstoffkreisläufen und geringeren Importen vor allem von Soja bei. Viele intensiv wirtschaftende Betriebe, die ihre Erzeugung umstellen wollen, benötigen gerade in der Übergangsphase gezielte Hilfen. Allerdings wird es nicht möglich sein, den Umbau zu einer klimafreundlichen Landwirtschaft allein mit öffentlichen Geldern zu finanzieren.

Besserer Klimaschutz führt zu einer geringeren Produktion von Fleisch und Milch

Besserer Klimaschutz führt bei Fleisch und Milch zu einer geringeren Produktion. Auch im Ackerbau sind die Erträge niedriger. Daher ist es wichtig, dass die Bauern und Bäuerinnen faire Preise für ihre Produkte erhalten. Nur eine Kombination aus zielgerichteten öffentlichen Zahlungen und angemessenen Verkaufserlösen für klimafreundlich erzeugte Lebensmittel bietet Landwirtinnen und Landwirten ausreichende Anreize, ihre Erzeugung umzustellen.

Quelle: Fleischatlas 2018 - Daten und Fakten über Tiere als Nahrungsmittel
Als Kooperationsprojekt herausgegeben von der Heinrich-Böll-Stiftung, dem Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland und Le Monde
Diplomatique, 2. Auflage , April 2018

Download unter: https://www.boell.de/de/2018/01/10/fleischatlas-2018-rezepte-fuer-eine-bessere-tierhaltung

Informationen zum Autor:
Tobias Reichert ist Diplom-Volkswirt und beschäftigt sich seit Ende der 1980er Jahre mit Fragen des Welthandels und der internationalen und Eu-
ropäischen Agrarpolitik. Nach ehrenamtlichen Engagement in Weltläden, arbeitete er als Mitarbeiter verschiedener Nichtregierungsorganisationen und als freier Gutachter zu Welthandel und Landwirtschaft. Seit 2007 ist er bei der Entwicklungs- und Umweltorganisation Germanwatch beschäftigt.