Mit der Batterie des Elektroautos im eigenen Haus nachts den Strombedarf decken;     als Bestandteil eines Schwarmspeichers am Stromhandel teilnehmen und das öffentliche Netz stabilisieren – die Möglichkeiten des bidirektionalen Ladens sind vielfältig. Aber noch steckt die Technik in den Kinderschuhen und ist zu teuer. Eine Bestandsaufnahme.

Elektrofahrzeuge haben immer größere Batteriespeicher. Ihre Speicherkapazität übertrifft inzwischen oft die von Heimspeichern. Gleichzeitig stehen Privatfahrzeuge die meiste Zeit nur rum und warten darauf benutzt zu werden. Was läge also näher, als deren Speicherkapazität nicht nur zum Autofahren zu nutzen, sondern während der „Rumstehzeit“ für weitere Zwecke? Dazu müssten die Autobatterien aber nicht nur über das Stromnetz zum Fahren aufgeladen, sondern auch wieder entladen werden können. Die Energie müsste in beide Richtungen, also „bidirektional“, übertragen werden können. Man spricht in dem Zusammenhang auch von „Vehicle to Grid“ (engl, „Fahrzeug zum Netz“). 


In diesem Beitrag möchte ich dieses bi-direktionale Laden von Elektrofahrzeugen näher beleuchten. Dazu wird zunächst einmal die notwendige und vorhandene Technik erklärt. Dann kommen einige Überlegungen, was man denn alles damit anstellen könnte. 

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Abb 1 — Ladestation mit Elektrofahrzeug. Photo: E. Waffenschmidt • 

2. Technik


Eine Batterie, auch wie sie im Auto verbaut ist, liefert und benötigt zum Aufladen Gleichstrom (engl. Direct Current, DC). Das Stromnetz liefert jedoch Wechselstrom (engl. Alternating Current, AC). Zum Aufladen der Batterie aus dem Stromnetz ist daher ein Gleichrichter notwendig, der den Wechselstrom in Gleichstrom umwandelt. Weiterhin muss beim Aufladen der Batterie der Strom geregelt werden, damit die Batterie kontrolliert geladen und auch nicht überladen wird. Das macht der Laderegler, dessen Funktion normalerweise der Gleichrichter mit übernimmt. 


Wenn die Autobatterie Strom ans Netz abgeben soll, ist ein Wechselrichter notwendig, der den Gleichstrom der Batterie in Wechselstrom umwandelt. Das ist ähnlich wie bei Photovoltaikanlagen. Es gibt Geräte, die beide Funktionen, also sowohl Gleichrichter zum Laden als auch Wechselrichter zum Entladen ins Netz, haben. Das sind bidirektionale Wechselrichter. Deren Technik ist aufwändiger als nur bei einem Gleichrichter.


2.1. Wechselstrom-Laden


Praktisch alle Elektroautos kann man direkt an eine Haushaltssteckdose zum Laden anschließen. Hierbei wird das Auto direkt mit Wechselstrom (AC) geladen. Beim Wechselstromladen ist der Gleichrichter daher im Fahrzeug eingebaut, und es ist Sache des Fahrzeugherstellers, wie der Gleichrichter dimensioniert ist. An einer Haushaltsteckdose kann der Gleichrichter mit maximal 2,3 kW Leistung laden. Viele Elektroautos können auch an einer Drehstromsteckdose aufladen. Dann ist die Ladeleistung höher, meist 10 kW, oft 20 kW oder auch bis zu 40 kW (63 A pro Drehstromphase). Dann muss der Gleichrichter im Auto entsprechend ausgelegt sein. Beim Anschluss an eine normale Steckdose erfolgt das Laden ungesteuert von außen. Nur der Laderegler im Auto entscheidet, ob und wieviel geladen wird, z.B. bis die Batterie voll ist. 


Wenn das Laden auch von außen gesteuert werden soll, muss das Fahrzeug an eine Ladestation (Ladebox oder Ladesäule) angeschlossen werden. Das ist häufig bei höheren Leistungen und bei öffentlichen Ladestationen der Fall. Die Ladestation kann dann dem Laderegler im Auto mitteilen, wie hoch die Leistung jetzt gerade sein soll. Sie ist beim Wechselstromladen aber nur eine Steuereinheit und kann nicht selber den Leistungsfluss verändern.

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Abb 2 ― Ladestecker Typ 2 für Wechselstrom (AC). (Foto E. Waffenschmidt) •

Es gibt genormte Stecker zum Wechselstromladen (siehe Bild 2). In Nordamerika und Japan verbreitet sind Stecker nach Typ 1, die aber nicht mit Drehstrom laden können. In Europa am meisten verbreitet ist der Stecker Typ 2 (Bild 3), auch Mennekes-Stecker genannt, nach der Firma, die ihn entwickelt hat. Beide Stecker haben zusätzlich zwei weitere Pins: Mit dem Proximity-Pin (PP) wird – codiert mit einem Widerstand - die maximale Leistung festgelegt, welche der Gleichrichter aufnehmen kann. Mit dem Pin Control-Pilot (CP) teilt die Ladestation dem Laderegler im Fahrzeug mit, welche Leistung er gerade einstellen soll. Die Information wird mit Puls-Weiten-Modulation (PWM) codiert. Es handelt sich hier nicht um ein im modernen Sinn digitales Signal. Es ermöglicht auch nur eine Datenkommunikation von der Ladestation zum Fahrzeug, aber nicht zurück und kann auch nicht um weitere Information ergänzt werden. 

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Abb 3 — Meistverbreitete Fahrzeugstecker für AC-Laden. Links: Typ 1 (Yazaki), Nordamerika / Japan und rechts: Typ 2 (Mennekes), Europa (Grafiken E. Waffenschmidt) • 

2.2. Gleichstrom-Laden


Beim Gleichstromladen befindet sich der Gleichrichter und Laderegler in der Ladestation. Die Stecker-Kontakte sind praktisch direkt mit der Batterie verbunden (mit etwas Schutzelektrik dazwischen). Das bedeutet, dass die Ladestation Leistungselektronik enthält und damit den Leistungsfluss selbständig einstellen kann. Damit ist eine Gleichstrom-Ladestation deutlich aufwändiger und teurer als eine Wechselstrom-Ladestation. 
Da Größe und Gewicht des Gleichrichters eine deutlich kleinere Rolle als im Fahrzeug spielt, kann man wesentlich größere Ladeleistungen von über 100 kW verwirklichen. Wann wieviel geladen wird, kann dann von der Ladestation bestimmt werden.


Zwei Stecker-Typen sind zum Gleichstrom-Laden am meisten verbreitet. Zum einen eine Erweiterung des Typ 1-Steckers (ohne Abbildung) und des Typ-2-Steckers mit zwei weiteren Kontakten für Gleichstrom (Bild 4 unten). Diese CCS (Combined Charging System)-Stecker, auch Combo 2-Stecker,  haben den Vorteil, dass sowohl Gleichstrom- als auch Wechselstrom-Laden möglich ist. Man kann auch den Wechselstromstecker Typ 2 alleine einstecken. Die Datenkommunikation ist dieselbe wie beim reinen Wechselstromladen; es gibt keine zusätzlichen Kommunikations-Kontakte. 


Zum anderen wird häufig der CHAdeMO-Stecker („CHArge de MOve“ für ‚Laden zum Bewegen‘) genutzt (Bild 4 oben), der in Japan entwickelt wurde und insbesondere in japanischen Fahrzeugen verbreitet ist.  Er kann nur zum Gleichstromladen genutzt werden. Fahrzeuge mit CHAdeMO-Stecker haben teilweise eine weitere Ladebuchse zum Wechselstrom-Laden. Der CHAdeMO-Stecker enthält mehrere Kontakte zur Datenkommunikation. Insbesondere wird hier eine echte digitale Datenkommunikation mit Hilfe des in der Industrie weit verbreiteten CAN-Bus genutzt. Diese ermöglicht eine Datenübertragung in beide Richtungen und kann beliebig um Kommandos erweitert werden. 


2.3. Techniken für Bidirektionales Laden


Wenn die Batterie im Fahrzeug für weitere Zwecke genutzt werden soll, muss der Laderegler irgendwie wissen, wann und wieviel die Batterie geladen und entladen werden soll. Dazu muss eine Datenverbindung von einer Steuereinheit zum Laderegler bestehen. Außerdem muss eine Steuereinheit auch wissen, wie weit die Batterie aktuell geladen ist und wann der Benutzer plant, mit dem Fahrzeug zu fahren und dann eine geladene Batterie wünscht. Dazu muss eine Verbindung zurück vom Fahrzeug zur Steuereinheit existieren. 

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Abb 4 — CHAdeMO-Stecker zum Gleichstrom-Laden und CCS-Typ 2-Stecker (Combined Charging System), auch Combo 2, zum kombinierten Gleichstrom- und Wechselstrom-Laden. (Grafiken E. Waffenschmidt, Pinbelegung nach Wikipedia). • 

2.4. Datenverbindung über den Ladestecker


Beim Anschluss an eine normale Steckdose gibt es gar keine Datenverbindung über den Stecker. Daher ist damit bidirektionales Laden nicht ohne weiteres möglich. 
Bei Verwendung einer Ladestation kann diese eine Steuereinheit für das bidirektionale Laden enthalten. Bei Wechselstrom-Laden mit dem weit verbreiteten Typ 2-Stecker gibt es aber nur eine analoge Datenverbindung von der Steuereinheit in der Ladestation zum Laderegler, die zudem nur das Aufladen der Batterie steuern kann. Im Datenformat ist kein Signal zum Entladen ins Netz vorgesehen. Information vom Fahrzeug zur Steuereinheit kann auch nicht übertragen werden. Weiterhin müsste der Hersteller des Fahrzeugs eine bidirektionale Leistungselektronik ins Fahrzeug einbauen, welche teurer und auch etwas größer wäre. Aus diesen Gründen ist derzeit das bidirektionale Laden mit Wechselstromladen nicht erhältlich. 


Beim Gleichstromladen ist die Leistungselektronik in der Ladestation. Wenn sie dort etwas größer ist, macht das nicht viel aus. Außerdem würde der Betreiber der Ladestation die Kosten für die bidirektionale Leistungselektronik übernehmen, wobei er dann auch vom bidirektionalen Laden profitieren könnte. Weiterhin könnte grundsätzlich auf eine Datenverbindung zum Fahrzeug verzichtet werden, denn der Laderegler, der die Stromrichtung bestimmt, befindet sich ja in der Ladestation und kann dort an die Steuereinheit angeschlossen werden. Allerdings muss die Schutzelektronik im Fahrzeug über das Entladen Bescheid wissen, und der Ladezustand und Endzeitpunkt sollte auch vom Fahrzeug zur Steuereinheit übertragen werden können. Daher ist auch beim Gleichstromladen in der Praxis eine Datenverbindung in beiden Richtungen notwendig. 
Eine ausreichende Datenverbindung ist allerdings nur bei dem CHAdeMO-Stecker vorhanden. Das CAN-Bus-Protokoll ist zum Entladen ins Netz erweitert worden und erlaubt auch eine Datenverbindung vom Fahrzeug zur Ladestation. 


Hingegen nutzt der CCS-Stecker dieselbe Datenkommunikation wie der Wechselstrom-Stecker Typ 2 und ist daher für bidirektionales Laden nicht ohne weiteres geeignet. In Zukunft wird auch das CCS-System in Verbindung mit der ISO 15118 die Möglichkeit des Rückspeisens bieten. Es gibt Hersteller von bidirektionalen Ladestationen mit CCS-Steckern. In den Datenblättern konnte ich bei den Angaben zur Datenkommunikation mehrfach den Hinweis auf PLC (Power-Line-Communication) finden. Hierbei wird auf der Stromleitung dem Laststrom ein zusätzliches Datensignal überlagert. 


Heute jedoch ist bidirektionales Laden im Wesentlichen nur mit dem CHAdeMO-Stecker möglich. Die Website www.einfacheauto.de 
listet folgende Fahrzeuge für den europäischen Markt auf, die ins Netz zurückspeisen können:

  • Mitsubishi i-MiEV
  • Mitsubishi Outlander
  • Nissan Leaf
  • Nissan e-NV200

Weiterhin wird dort berichtet: „Der Volkswagenkonzern hat zudem bekannt gegeben, dass zukünftig alle ID. Modelle bidirektional laden können. Für das Jahr 2022 ist ein OTA-Update (Version 3.0/3.1) geplant. Fahrzeuge mit der 77 kWh Batterie sollen nach dem Update bidirektional laden können. Hierzu zählen der ID.5, ID.4, ID.3 sowie der neue ID.Buzz.“ Preise für bidirektionale Ladestationen sind schwierig zu ermitteln Die Website www.e-mobileo.de
gibt Preise ab 3.300 € an. Eine Suche mit einer Internetsuchmaschine ergab deutlich höhere Preise, die schnell in den fünfstelligen Bereich gehen. 


2.5. Drahtlose Datenverbindung


Eine elegante Möglichkeit, das Stecker-Wirrwarr bei der Datenübertragung zu umgehen, ist die Nutzung einer drahtlosen Datenverbindung über Funk. Hier bietet sich an, den neuen Standard V2X (Vehicle-to-Everything) zu nutzen.  Dieser Standard wird für die Verkehrsvernetzung verwendet und beinhaltet eine Kommunikation über Funk zwischen Fahrzeugen, aber auch zwischen Fahrzeugen und Infrastruktur. Letztere kann auch für die Datenübertragung zwischen Fahrzeug und Ladestation genutzt werden. Erste Fahrzeuge nutzen schon V2X. Es gibt inzwischen eine Firma, die eine bidirektionale Ladestation mit CCS-Stecker kommerziell anbietet und die notwendige Datenübertragung mit V2X realisiert. Laut Information auf der Website sind die folgenden Fahrzeuge geeignet:

  • Nissan Leaf alle Baureihen mit V2X Fähigkeit
  • Mitsubishi Outlander PHEV
  • Mitsubishi IMiEV (Peugeot Ion, Citroen C Zero)

Diese bidirektionale Ladestation mit 10 kW Leistung kostet allerdings derzeit (Anfang Oktober 2022) 18.000 €. Das Fahrzeug ist darin nicht enthalten. 


2.6. Normung


Im VDE (Verband der Elektrotechnik, Elektronik und Informationstechnik) gibt es mehrere Normungsaktivitäten, die das bidirektionale Laden betreffen. Auf der entsprechenden Website heißt es: „Der Arbeitskreis DKE/AK 353.0.401 „Bidirektionales Laden“ ist dafür verantwortlich, den Normungs- und Standardisierungsprozess bestmöglich auszurichten bzw. die Ergebnisse optimal für die Normung und Standardisierung anpassen zu können.
Es existiert bereits eine Vielzahl von notwendigen Normungsaktivitäten zum Handlungsfeld „Bidirektionales Laden“. Die Norm IEC 61851-1 enthält beispielsweise die Grundlagen für die Kommunikation zur Steuerung von Ladevorgängen bei Elektrofahrzeugen. Neben Normen gibt es auch VDE-Anwendungsregeln, die für den Anschluss von Ladeeinrichtungen wie Ladestationen oder Wallboxen entscheidend sind.

3. Anwendungen


Wenn die Technik für bidirektionales Laden vorhanden ist, stellt sich die Frage, wofür man das nutzen kann. Dabei gibt es mehrere Akteure, die der neuen Technik gegenüber aufgeschlossen sein müssen:

  • Elektroauto-Besitzer
  • Elektroautohersteller
  • Hersteller von Ladeinfrastruktur
  • Service Provider
  • Stromnetzbetreiber
  • Gesetzgeber und Normungsgremien

Je nach Anwendung können unterschiedliche Akteure profitieren. Außerdem muss die Steuereinheit je nach Anwendung an unterschiedliche Datenquellen angebunden werden. 


3.1. Eigene Nutzung: E-Auto als Heimspeicher


Die Batterie des Elektroautos kann als Ersatz für einen Heimspeicher dienen, insbesondere in Verbindung mit einer Photovoltaikanlage (Vehicle to Home, V2H). Das lohnt dann, wenn das Fahrzeug tagsüber häufig an die Ladestation angeschlossen ist. Dann kann es wirkungsvoll dazu dienen, die Eigennutzung der Photovoltaikanlage zu erhöhen. Abends nach Sonnenuntergang kann dann ein Teil der Energie in der Batterie für die Nutzung im Haushalt verwendet werden. Wenn nur 10 % einer geläufigen 50 kWh Autobatterie für das Hausnetz zur Verfügung stünde, blieben immer noch 5 kWh Batterieleistung übrig − Kapazitäten für einen 2 bis 4 Personen-Haushalt.


Man würde dann die Ladestation wie einen Heimspeicher in das Hausnetz hinter dem Zähler zum öffentlichen Stromnetz einbinden. Die Steuerung ist dann allerdings aufwändiger als bei einem „normalen“ Heimspeicher. Zum einen muss darauf geachtet werden, dass am Ende oder zu einem vorgegebenen Zeitpunkt die Autobatterie geladen ist oder wenigstens einen Mindestladestand hat. 

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Abb 5 — Nachts könnte der häusliche Strombedarf durch die Autobatterie gedeckt werden. • 

Weiterhin muss garantiert werden, dass der Strom, der dann ins öffentliche Netz eingespeist wird, aus der Photovoltaikanlage stammt. Nur dann erhält man auch eine Vergütung dafür, und es könnte sonst sogar Ärger geben, wenn der Strom der Photovoltaikanlage eingespeist wird. Schließlich könnte das Auto ja vorher anderswo geladen worden sein, z.B. beim Arbeitgeber, der den Strom vielleicht sogar kostenlos zur Verfügung stellt. Eine technische Lösung dafür ist, einen Stromsensor an den Hausanschluss zu installieren. Die Entladeleistung der Batterie muss dann so gesteuert werden, dass während des Entladens kein Strom ins Netz gespeist wird. Die Ladestation muss dies dann ermöglichen. Die Batterie kann so durchaus entladen werden, wenn dabei der Strom im Haus verbraucht wird. Übrigens kann dann auch der möglicherweise geschenkte Strom vom Arbeitgeber so genutzt werden (auch ein Geschäftsmodell). Ich frage mich nur, wann die Steuerbeamten darauf kommen und die Ladung als geldwerter Vorteil versteuert werden muss. 


Grundsätzlich könnte man sich sogar vorstellen, die Fahrzeugbatterie bei einem Stromausfall zur Notfall-Stromversorgung zu nutzen. Genau wie bei einem Heimspeicher müsste dann allerdings der Wechselrichter im bidirektionalen Laderegler inselnetzfähig sein. Mir ist bisher keine Ladestation mit dieser Eigenschaft bekannt.


3.2. Nutzung durch Dritte


Wenn Dritte wie Netzbetreiber, Stromhändler oder Betreiber von virtuellen Kraftwerken die Speicherkapazität des Elektroautos nutzen wollen, muss der Nutzen für die Besitzer:innen deutlich werden. Geschäftsmodelle müssen eine angemessene Vergütung für die Leistung berücksichtigen. Ebenso muss den Fahrzeugbesitzer:innen eine Mindestmenge an Energie und ggf. die volle Ladung zu einem vorgegebenen Zeitpunkt garantiert werden. Dies muss in den jeweiligen Geschäftsmodellen berücksichtigt werden.


Die meisten Anwendungen können dann nur umgesetzt werden, wenn viele solche Fahrzeugspeicher gemeinsam als sogenannte Schwarmspeicher gesteuert werden. Eine entsprechend zuverlässige Datenverbindung von einer zentralen Steuereinheit ist dann daher in den meisten Fällen notwendig. 


Zu berücksichtigen ist, dass in einem solchen Schwarm nicht immer alle Fahrzeuge am Stromnetz angeschlossen sind. Hier ist mit statistischen Wahrscheinlichkeiten zu arbeiten. Insbesondere die Nutzung von Fahrzeugflotten von Betrieben kann in dem Zusammenhang interessant sein, weil die Nutzungszeiten wesentlich besser bekannt und vorhersagbar sind. 


3.2.1. Regelenergie


Elektroautos könnten zur Regelung und Stabilisierung des Stromnetzes verwendet werden. Die Laderegler könnten als virtuelle Schwungmassen die Momentanreserve ergänzen, welche bei Lastschwankungen im allerersten Moment wirksam wird und die Netzfrequenz stabilisiert. Derzeit wird das noch durch große rotierende Massen von Generatoren in Großkraftwerken geleistet. In Zukunft muss diese Funktion von Geräten mit Leistungselektronik übernommen werden. Allerdings gibt es bisher noch keine Vergütung dafür und es ist eher ein Thema in der Forschung.


Ein Betreiber eines Virtuellen Kraftwerks könnte als Aggregator einen Schwarmspeicher mit Elektrofahrzeugen bilden und die Leistung am Regelenergiemarkt verkaufen. Die Regeln der Netzbetreiber für Primär- und Sekundär-Regelenergie sind allerdings sehr streng und der Aggregator müsste sicherstellen, dass die vereinbarte Regelleistung immer zuverlässig zur Verfügung steht. Dazu müsste eine statistische Studie untersuchen, wie viele Fahrzeugbatterien beteiligt werden müssen, damit mit genügend hoher Wahrscheinlichkeit die notwendige Leistung zur Verfügung steht. 


Insbesondere Primärregelung ist attraktiv für die Nutzung mit Batterien. Die abgerufene Leistung ist proportional zur Abweichung der Netzfrequenz vom Sollwert. Sie weicht aber nur selten gravierend ab, sodass meistens wenig bis gar keine Leistung geliefert werden muss. Weiterhin ist der Markt für Primärregelung so attraktiv, dass man dort mit Batterien heute schon Profit erwirtschaften kann.


3.2.2. Vermeidung von Überlastung


Der Netzbetreiber könnte Fahrzeugbatterien auch nutzen, um lokale Überlastungen im Stromnetz zu vermeiden. Damit könnten Abschaltungen von Lasten oder Einspeisern vermieden werden. Dadurch einen Netzausbau zu vermeiden, dürfte aber schwierig werden, da ja nicht garantiert ist, dass die Fahrzeuge immer an die Ladestation angeschlossen sind. Daher ist die Wirtschaftlichkeit eines solchen Betriebsmodells schwierig abzuschätzen.

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Abb 6 — Schematische Darstellung der Vehicle to X. Das X kann unter anderem für das Netz (Vehicle to Grid), das Haus (Vehicle to home) oder Elektrogeräte stehen (Vehicle to Device). Mittels bidirektionalem Laden stünden diese Funktionen zur Verfügung • 

3.2.3. Re-Dispatch


Ein solcher Schwarm von Speichern könnte auch noch für weitere Zwecke genutzt werden: So könnte man die Speicher füllen, wenn ein Überangebot an erneuerbaren Energien in der Region herrscht und somit das Abregeln für einen Re-Dispatch vermeiden. Im Gegenzug könnte man dann in so einem Re-Dispatch-Fall am anderen Ende der Leitungen Speicherleistung ins Netz einspeisen anstatt Reservekraftwerke laufen zu lassen. Hierzu fehlt allerdings noch ein passendes Geschäftsmodell. In unserem SFV-SMARD-Vorschlag für Speicher ist ein solches beschrieben.


3.2.4. Langzeitspeicher


Für Langzeitspeicher zur Überbrückung einer Dunkelflaute ist die gesamte zu erwartende und nutzbare Speicherkapazität jedoch nicht ausreichend.


3.2.5. Stromhandel


Auch Stromhändler könnten Fahrzeugbatterien als Schwarmspeicher zusammenfassen. Sie könnten dann Strom einkaufen und speichern, wenn er an der Börse preiswert ist, und wieder ausspeichern, wenn er dort teuer ist, und ihn im letzteren Falle an der Börse oder direkt an ihre Kunden verkaufen. Entscheidend für den Geschäftserfolg ist dabei weniger ein hoher Strompreis, sondern eine möglichst große und häufige Schwankung. In früheren Jahren war der Strompreis recht konstant, so dass sich ein solches Geschäftsmodell zumindest mit extra dafür angeschafften Batterien bei weitem nicht lohnte. Inzwischen ist der Strommarkt jedoch regelrecht in Aufruhr. Ich habe den Preisverlauf in letzter Zeit nicht im Detail verfolgt, aber mit der extremen Zunahme des Strompreises an sich ist auch damit zu rechnen, dass die Preisunterschiede deutlich zugenommen haben. Weiterhin würde man bei der Nutzung von Elektrofahrzeugbatterien nur einen Teil der Batteriekosten berücksichtigen müssen, je nachdem, wie viel Geld die Eigentümer für dieses Geschäftsmodell verlangen würden. Insofern würde eine erneute Überprüfung dieses Modells durchaus lohnenswert sein.

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Abb 3 — Mit der Funktion "Vehicle to Device" werben mittlerweile mehrere E-Autohersteller. Elektrische Geräte können über die Autobatterie aufgeladen oder betrieben werden. © SonoMotors • 

4. Fazit


Es gibt vielfältige Nutzungsmöglichkeiten für bidirektionales Laden von Elektrofahrzeugen. Dabei kann ein Besitzer durch die Eigennutzung als Heimspeicher direkt einen Vorteil erzielen. Die weiteren Nutzungsmöglichkeiten durch Dritte setzen eine angemessene Vergütung und garantierte Ladezustände voraus, die in dem jeweiligen Geschäftsmodell berücksichtigt werden müssen. 


Bidirektionales Laden ist bis aufs weitere nur mit Gleichstrom-Laden möglich. Dabei ist das CHAdeMO-System am weitesten verbreitet. 


Es gibt inzwischen auch in Deutschland Fahrzeuge und Ladestationen, die bidirektionales Laden ermöglichen. Allerdings steckt die Technik noch in ihren Anfängen, ist wenig verbreitet, und die entsprechenden Ladestationen sind entweder schwer zu bekommen oder – sorry – unverschämt teuer. Um die Ressourcen der Batterien in den Elektrofahrzeugen für das Energiesystem mit 100% Erneuerbaren Energien nutzbar zu machen, ist insbesondere auf wirtschaftlicher Seite noch eine deutliche Entwicklung notwendig. 

Eberhard Waffenschmidt
 

ist erster Vorsitzender des SFV und Professor für Elektrotechnik, seit September 2011 an TH Köln, Fakultät für Informations-, Medien- und Elektrotechnik, Institut für Elektrische Energietechnik (IET) und Mitglied des CIRE - Cologne Institute for Renewable Energy.