Das Koalitionspapier der Ampel-Parteien erweckt den Eindruck, dass sich die Bundespolitik in Sachen Klimaschutz qualitativ weiterentwickeln kann. Anscheinend hat man verstanden, dass die Klimakrise eine gewaltige Gefahrenlage bedeutet, an der die Politik nicht mehr vorbeikommt. Viele Formulierungen im Koalitionspapier zeigen ein Problembewusstsein auch im Detail und teilweise auch richtige Wege, nur bleibt vieles im Ungefähren, und wo Zielgrößen genannt werden, sind sie immer noch zu ambitionslos.

Bei den Ausbauzielen und -maßnahmen bleibt die Koalition leider weiterhin in den Anfängen stecken. So sind die anvisierten 200 GW Photovoltaikleistung bis 2030 zwar ein gutes Signal gegenüber den heute vorhandenen 59 GW, aber noch immer deutlich zu kurz gegriffen. Wir begrüßen es, dass das jährliche Ausbautempo bei der Solarenergie Fahrt aufnehmen soll. Auch einige der angesprochenen Maßnahmen sind richtig erkannt. So können Vereinfachungen beim Netzanschluss und die Anpassung der Vergütungssätze große Hebelwirkungen entfalten. Auch die formulierten Impulse zur Entwicklung der Bürgerenergie, der Förderung von Energiegemeinschaften und der Entlastung von Mieterstrom- und Quartierskonzepten sind wichtig. Wir werden ihre Umsetzung kritisch und konstruktiv begleiten. Den großen Wurf bei der Photovoltaik schafft man allerdings nur, wenn alle Deckel beseitigt und klare Signale für einen gesicherten wirtschaftlichen Betrieb der Anlagen gesetzt werden. Lediglich „die Ausschreibungspflicht für große Dachanlagen und die Deckel (zu) prüfen“, wie der Koalitionsvertrag formuliert, ist viel zu zaghaft. Auch Bekenntnisse, man werde in den nächsten Jahren auf eine Handelssystem-Förderung wie PPA und Herkunftsnachweise setzen, zeigen, dass eher große Investoren und zentrale Versorgungsstrukturen angereizt werden sollen, als die Bürgerenergie. 

Für den Ausbau der Solarenergie und Windenergie müssen alle Fesseln gelöst werden. Wir sind davon überzeugt, dass es mit einem kraftvollen und ungehinderten Ausbau von Windkraft und Photovoltaik zu schaffen ist, die vollständige Energiewende in allen Sektoren bis 2030 zu schaffen. Die Bürgerenergie wird und muss die entscheidende Rolle bei der Umstrukturierung unserer Energieversorgung spielen.

Der zweite Lackmus-Test für die Klimapolitik der neuen Bundesregierung ist die Frage des Kohleausstiegs. Die Koalition hat sich dafür entschieden, dass der Preis europäischer Emissionszertifikate nicht unter 60 Euro je Tonne sinken solle. (Das ist genau der Bereich, in dem sich dieser Preis derzeit befindet.) Bei der Pressekonferenz erläuterte Robert Habeck, mit diesem Schritt solle erreicht werden, dass der Kohleausstieg in Deutschland zeitlich vorverlegt werden könne. Der Koalitionsvertrag spricht davon, dass der Ausstieg „idealerweise“ auf 2030 vorgezogen werden solle.

Wir verstehen nicht, dass ein Emissionspreis von 60 € je Tonne CO2, der heute einen rentablen Betrieb der Kohlekraftwerke ermöglicht, sie bis 2030 aus dem Markt gedrängt haben soll. Wenn also auf einen ordnungsrechtlichen Kohleausstieg verzichtet wird, dann fordern wir, dass die CO2-Bepreisung die bisher von der Allgemeinheit getragenen Klimaschäden der Treibhausgas-Emission vollständig abdecken muss. Diese Schäden werden von Expert:innen auf 180 € pro Tonne CO2 geschätzt. Um unsere Volkswirtschaft nicht zu überfordern, sollte die Regierung einen Mindestpreis in dieser Höhe (180 €/t) für das Jahr 2030 anpeilen. Die Untergrenze für das Jahr 2022 kann bei den 60 € des Koalitionsvertrags liegen; der Mindestpreis muss dann aber in jedem Folgejahr um 15 €/t steigen. Auf diese Weise können sich die Wirtschafts-Akteure auf einen verlässlichen Pfad einstellen.

Der Kohleausstieg wird dann vermutlich sogar einige Jahre vor 2030 abzuschließen sein. Dies ist aber aus klimapolitischen Gründen ohnedies eine dringende Notwendigkeit.