Die Klimabewegung und Gewerkschaften galten jahrelang als unvereinbare Interessensgruppen. Doch das verändert sich allmählich, denn bei der Klimabewegung wird der Fokus auf eine sozial gerechte Energiewende größer. Und die Beschäftigten der fossilen Industrien hängen gar nicht prinzipiell am Diesel oder der Kohle, wie immer behauptet. Viele möchten sich bei der Umstellung zu einer klimaverträglichen Wirtschaft aktiv einbringen. Letztes Jahr gelang Arbeiter:innen des Bosch-Werkes  in Berg am Laim und Klimaschützer:innen der Schulterschluss.

 

Klimaschutz wird von den Beschäftigten umgesetzt

 

Laut einer Studie des ifo-Instituts werden bis 2025 ca. 215.000 Menschen wegen des „Umbaus zur E-Mobilität“ ihre Jobs verlieren. So auch im Bosch-Werk in Berg am Laim im Herbst 2021: Das auf Einspritzventile für Dieselmotoren spezialisierte Werk sollte wegen der „beschleunigten Transformation vom Verbrennungsmotor zum elektrischen Antrieb” geschlossen bzw. an andere Standorte verlagert werden. Zuletzt hatte es ähnliche Pläne 2009 gegeben. Damals waren Teile der Produktion ins tschechische Budweis verlagert worden. Etwa 190 Mitarbeiter:innen waren entlassen worden. Der Rest der Belegschaft hatte danach viele Jahre lang auf Teile seines Gehalts verzichtet – gegen das Versprechen, dafür weiter und auch in der Zukunft in dem Werk arbeiten zu dürfen. Nun sollen sie dennoch entlassen werden.

Die Gruppe "Klimaschutz und Klassenkampf" (folgend KuK) schreibt auf ihrer Homepage zur Kampagne: Den Beschäftigten ist bewusst, dass fossile Energien angesichts der Klimakrise keine Zukunft haben, und die von ihnen abhängigen Branchen sich anpassen müssen. Aber sie weisen einen Ausweg aus dieser Situation, und das macht ihr Werk zu einem Vorbild für die kommenden Jahre: Sie fordern eine Umstellung der Produktion auf klimafreundliche Produkte. In Laim könnten nach Aussage der Beschäftigten mit den Maschinen beispielsweise Teile von Wärmepumpen, Getriebeteile von E-Fahrrädern oder Stücke von medizinischen Geräten wie Zentrifugen, Kernspintomografen und Beatmungsgeräten produziert werden.

Laut KuK ist diese Forderung nach “Konversion von unten” ein Novum. Denn von Klimaschutz reden meist nur Politiker:innen, Manager:innen und Professor:innen. Aber ebenso wie die Klimakrise sei auch Klimaschutz kein abstraktes Gedankengebäude, sondern eine handfeste Angelegenheit. Umgesetzt wird diese nicht von den warmen Worten von Politiker:innen, sondern vor allem von den Beschäftigten in den Werken. Es seien die Arbeiter:innen, die all jene Dinge herstellen können, die wir so dringend brauchen, um den steigenden Temperaturen Einhalt zu gebieten. Und diejenigen, die diese Veränderungen in der Produktion am wirksamsten durchsetzen können.

Der Schlüssel zum Kampf gegen die Klimakrise liegt nicht in einem veränderten Konsum von Einzelpersonen. Er liegt in der Produktion.

Für die Klimagruppe liegt der Schlüssel zum Kampf gegen die Klimakrise nicht in einem veränderten Konsum von Einzelpersonen, sondern in der Produktion: Wenn wir die Emissionen stoppen wollen, müssen wir grundlegend anders, und andere Dinge produzieren. Das schaffen wir nur, wenn wir anfangen, alle Geräte, die Erdgas, Erdölprodukte oder Kohle verbrennen, auszutauschen. Anders als oft dargestellt, gehe es dabei nicht um eine Deindustrialisierung. Im Gegenteil, schreibt die Gruppe: Wir müssen in so kurzer Zeit wie möglich Millionen von neuen Produkten herstellen. So müssen alleine in Deutschland 20 Millionen Gas- und Ölheizungen ersetzt werden, neue Züge und Busse hergestellt werden. Und vor allem: neue Energiequellen erschlossen werden. Wir brauchen zehntausende Windräder und – Prognosen zufolge – etwa zehnmal so viele Solaranlagen wie heute. Dafür brauchen wir vor allem Menschen, die die Fähigkeit haben, diese notwendigen Produkte herzustellen. In Millionen-Stückzahlen, präzise und zuverlässig. Klimaschutz wird von Arbeiter:innen umgesetzt.

Die Klimademonstrationen haben laut Kuk übrigens wenig Einfluss auf die Produktion, da diese in den Händen von privaten Konzernen liegt. Einen großen Einfluss nehmen könnten dagegen die Beschäftigten in den Werken, wenn sie für eine andere Produktion eintreten – und im Zweifel dafür streiken. Dann könnten sie tatsächlich Umstellungen bewirken, zu deren Umsetzung sie dann auch befähigt seien.

 

Grund genug, Belegschaften wie die des Bosch-Werkes in Berg am Laim, die für eine andere, klimafreundliche Produktion kämpfen, zu unterstützen. In Berg am Laim ist das passiert: eine Gruppe Klimaschützer:innen und die Belegschaft haben gemeinsam Petitionen veröffentlicht und Proteste organisiert. Der Betriebsrat erstellte gemeinsam mit der Technischen Universität München ein Alternativkonzept, mit welchem der Erhalt von 200 Arbeitsplätzen möglich gewesen wäre: auf Basis einer Produktion umweltfreundlicher Produkte.

Letztlich hat dieser Schulterschluss dennoch nicht zum Erfolg geführt: Bosch hat im Mai 2022 entschieden, das Werk zu schließen und 230 Arbeiter:innen zu entlassen. Aber: Es war ein erster Schritt, die Klimabewegung mit den Arbeiter:innen zusammenzubringen und für die gemeinsame Sache zu kämpfen: die sozial gerechte Energiewende.

 

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Abb. 01 — Gemeinsame Demonstration von Mitarbeiter:innen von Bosch und Klimaschützer:innen für den Erhalt des Werkes und Umstellung auf klimafreundliche Produkte. Foto: klimaschutzundklassenkampf.org •

Gewerkschaften und Klimaschutz: eine Annäherung!

 

Erste Schritte einer Annäherung zwischen Arbeitnehmer:innen und Klimaschutzbewegung wurden nicht nur in Berg am Laim gegangen.     Bei den Tarifverhandlungen im ÖPNV machten 2020 Verdi und Fridays For Future gemeinsame Aktionen. Der Forderungen von FFF: mehr ÖPNV, weniger SUVs und eine Mobilitäts- statt Antriebswende, Verdi fokussierte auf verbesserte Tarife und bundesweit angeglichene Arbeitsbedingungen. 2021 haben Vertreter:innen von ver.di, Fridays for Future und dem Bündnis #unteilbar ein gemeinsames Dialogpapier vorgestellt, denn „Klimaschutz, Gute Arbeit und soziale Gerechtigkeit müssen Hand in Hand gehen".

In NRW versucht eine Initiative, die verhärteten Fronten zwischen der Klimabewegung und den Arbeiter:innen in der Kohleindustrie zu beseitigen und Vorurteile abzubauen. Dafür besuchen sie  seit März 2022 regelmäßig das Braunkohleveredelungswerk in Frechen, um ins Gespräch zu kommen und über die  Notwendigkeit der Zusammenarbeit für einen gerechten Strukturwandel zu sprechen.

Stuttgart-Transpa

Abb. 02 - Tarifverhandlungen ÖPNV, Stuttgart, 14.08.20 ©verdi