Kurz vorgestellt: 65 % Autarkie ohne Speicher


In dieser Rubrik stellen wir Ihnen interessante Solaranlagen unserer Mitglieder vor. In dieser Ausgabe: Die Kombination von PV-Anlage, Brauchwasserwärmepumpe und E-Auto von Familie Stange.

Herr Stange, was ist das Besondere an Ihrer Solaranlage?


Was diese Anlage von vielen anderen hervorhebt, ist vermutlich, dass sie auch ohne Heimspeicher einen enormen Autarkiegrad von 65% erreicht. Eigentlicher Auslöser zum Bau der Anlage war der Corona-Fluch. Als Ingenieur wurde ich von meinem Arbeitgeber zu 5 Tagen Homeoffice unters Dach in mein Reihenhaus geschickt. Der Fluch entpuppte sich aufgrund von Familienzuwachs schnell zum Segen, und mir war klar: Ich bleibe im Homeoffice. Es wurde auch klar, dass ich im Sommer eine Klimaanlage brauche. Klimaanlage ging vom ökologischen Gewissen nur mit Solaranlage, daher wurden im November 2021 bei uns 9 kWp installiert. Davon sind 2,5 kWp nach Nordosten, und 6,4 kWp nach Südwesten ausgerichtet.


Wir haben uns von Beginn an gegen einen zusätzlichen Speicher entschieden, weil wir damals schon eine Brauchwasserwärmepumpe im Keller hatten, und unser altes Auto ebenfalls auf Grund des Familienzuwachses gegen ein neueres, möglichst ein E-Auto, getauscht werden sollte. Beste Vorraussetzungen also, um den produzierten Strom direkt zu verbrauchen. So gehörte dann natürlich auch eine damals noch geförderte Wall-Box mit PV-Überschuss-Laderegelung zur Anlage.  

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Abb 1 — Der nach Südwesten ausgerichtete Teil der PV-Anlage hat eine Peakleistung von 6,4 kW • 

Wie erreichen Sie jetzt diesen Autarkiegrad ohne Speicher ?


Durch die Nordost bis Südwestausrichtung der Solarzellen haben wir einerseits schon ab März morgens beim Aufstehen und abends bis nach dem Abendbrot Strom von der Anlage. Das ist aber nur der erste von vier Bausteinen, die zusammenspielen.
Als zweiten Baustein haben wir die Solar-Anlage direkt mit der Brauchwasserwärmepumpe gekoppelt. Immer wenn die Sonne scheint, signalisiert der Wechselrichter der Wärmepumpe, dass jetzt ein guter Zeitpunkt wäre Warmwasser zu produzieren. Durch einen fast 300 l Warmwassertank kann auch mal ein trüber Herbst- oder Wintertag überbrückt werden. Erst wenn das Warmwasser unter 40° "kalt" wird, wird mit Fremdstrom nachgeheizt. Gesamtverbrauch Brauchwasserwärmepumpe sind ca. 900 kWh/a.

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Abb 2 — Die Brauchwasser-Wärmepumpe mit dem Wechselrichter• 

Als dritten und größten Baustein geht natürlich das E-Auto und unser Fahrverhalten ein. Meine Frau ist Physiotherapeutin, macht Hausbesuche, und braucht daher ein Auto, aber arbeitet nur Vormittags und nur ca. 15km weit entfernt. Wenn sie um 13 Uhr nach Hause kommt, und das Auto anschließt, tanken wir vom Dach direkt in die Batterie, und dank der PV-Überschussladeregelung auch immer nur genau so viel, wie die Anlage grade erzeugt. Gesamtstromverbrauch E-Auto ca. 2000 kWh/a.

Als vierten und letzten  Baustein würde ich unser Verbrauchsverhalten aufzählen. Als 4-Personenhaushalt laufen Spül- und Waschmaschine verständlicherweise täglich. Früher haben wir beides gerne abends oder nach Feierabend angestellt. Inzwischen bleiben zur Not halt 3 dreckige Teller auf der Anrichte über die Nacht stehen, wenn die Spülmaschine voll ist. Die wird erst nach dem Frühstück gestartet, eben wenn die Sonne scheint. Die Waschmaschine kann ich beim Homeoffice kurz zwischen zwei Terminen voll machen und starten. Jedes mal 30 Cent oder einige  Gramm CO₂ eingespart. 

Außerdem sind wir natürlich in der komfortablen Situation, dass wir mittags gemeinsam essen, ich also kochen kann, wenn die Anlage maximale Leistung hat. Spülmaschine, Mittagessen und Waschmaschine verbrauchen im Jahr etwa 1000 kWh. 

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Abb 3 — Die Produktions-Verbrauchskurve des 11.04.2022 von Familie Stange zeigt, wie durch etwas automatische Steuerung und Disziplin der Eigenverbrauch maximiert werden kann • 

Zusammengerechnet ergibt das 3900 kWh, die wir über unser Verhalten direkt beeinflussen können. Im Januar und Dezember produziert die Anlage an einigen Tagen nicht genug um alles zu versorgen, da ist höchstens die Wärmepumpe weitestgehen solarbetrieben. Insgesamt ergibt das aber einen hohen, über den Tag verteilten Auslastungsgrad der Solaranlage. Vormittags: Warmwasserwärmepumpe, Spül- und Waschmaschine, Mittags: Mittagessen, Klimaanlage. Nachmittags: E-Auto. So haben wir 2022 (noch teilweise ohne E-Auto) von 4580 kWh Gesamtverbrauch insgesamt 2960 kWh selbst erzeugt. 


Dieses Jahr werden wir Stand 30.6. ca. 5750 kWh verbrauchen und davon ca. 3750 kWh selbst erzeugen, was einem Autarkiegrad von 65 % entspricht. Dieser wäre übrigens auch mit einem Akku kaum noch zu steigern, der Nachtverbrauch vom Haus liegt nur bei 0,1 kW/h. Fast der gesamte zugekaufte Strom fällt auf die Monate November bis Februar, wo die Anlage nunmal einfach nicht genug produziert. Wo nix produziert wird, kann auch nix gespeichert werden.


Da auch die Heizung über eine Wärmepumpe läuft, sind 100 % der Wärmeversorgung des Hauses elektrisch. Die Heizung selber taucht hier aus dem Grunde nicht auf, da es ein Mehrfamilienreihenhaus ist, und die Heizungswärmepumpe alle Parteien versorgt. Sie ist daher nicht an unsere Solaranlage angeschlossen, sondern wird über einem separaten Wärmepumpentarif abgerechnet. 

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