Am 13.10.2020 eröffnete dir Firma Next2Sun feierlich und mit zahlreichen, zum Teil hochrangigen Gästen die erste kommerziell genutzte Agrar-Photovoltaikanlage mit vertikal angeordneten bifacialen Modulen in Aasen-Donaueschingen. Die Anlage kann mit 4,1 MWp und einem Jahresertrag von 4.850 MWh auf 14 Hektar Land etwa 1.400 Haushalte der Nachbargemeinde versorgen. Betreiber der Anlage ist Bürgersolarkraftwerke Donaueschingen-Aasen GmbH, finanziert wurde die Anlage durch die Solverde Bürgerkraftwerke Energiegenossenschaft eG.

Der Anspruch der Firma Next2Sun, wie auch der Anlage ist nicht nur eine erneuerbare Energieversorgung der Gemeinde, sondern ein nachhaltiges Konzept, dass auch Landwirtschaft, Naturschutz und die Netzstabilität mitdenkt. So ist es möglich zwischen den vertikal aufgestellten Modulen noch 90% der Ackerfläche landwirtschaftlich mit modernsten Geräten zu nutzen. Die Streifen unter den Modulreihen sollen als Blühstreifen erhalten werden und dienen so einer Vielzahl von Insekten und Kleintieren als Lebensraum. Und durch die Ost-West Aufstellung der Module ist es möglich den üblichen Mittagspeak von normalen Freiflächenanlagen zu reduzieren und die Stromerzeugung auf die Morgen- und Abendstunden zu verteilen.

Nicht zu Unrecht wurde dieses Konzept von allen Rednern als höchst innovativ gelobt und zur Nachahmung aufgerufen. Der baden-württembergische  Ministerpräsident Winfried Kretschmann bezeichnete „diese Art der Agrar-Photovoltaik als zukünftig wichtigen Baustein der Energiewende“.

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Geschäftsführer Heiko Hildebrand erinnerte sich an den langen Weg bis zur Eröffnung der Anlage. Erst nach einer ersten Pilotanlage im Saarland mit 30 kWp, die sogar besser lief als erwartet, fiel der Beschluss, diese Idee weiter zu verfolgen. Die Firma besuchte viele Flächen und Gemeinden, stieß aber meist auf einen Mangel an Interesse. Skepsis in den Gemeinden und viel Ablehnung bei Landwirten machten viele Gespräche und Aufklärungsarbeit erforderlich. Schlussendlich fiel die Wahl auf den Stadtteil Aasen. Alle Gemeinderatsmitglieder konnten von dem über die Gemeindegrenzen hinauswirkenden, innovativen Konzept überzeugt werden. Der Bau der Anlage lief trotz Corona-Einschnitte weitestgehend reibungslos und im Juli konnte bereits zwischen den Modulreihen das erste Mal Heu geerntet werden. Noch sind keine verwertbaren Messungen zur landwirtschaftlichen Leistung und zur Effektivität der Blühstreifen möglich, doch nach den Erfahrungen der saarländischen Pilotanlage sind die Erwartungen hoch.

Der Experte für bifaciale PV-Module  des ISC Konstanz e.V. Dr. Radovam Kopecek freute sich über den Durchbruch von Next2Sun und monierte: „Es ist erstaunlich wie schwierig es ist, neue PV-Technologien auf den Markt zu bringen, auch wenn lediglich kleine Änderungen vorgenommen werden“

Abschließend führte noch die CLAAS Württemberg GmbH, kommentiert von einer Vertreterin der 365FarmNet GmbH, die Bewirtschaftung der Anlage mit modernen Landmaschinen vor. Die 10 m breiten Reihenabstände wurden bis auf wenige Zentimeter gemäht und die Mahd direkt in Silage Ballen weiterverarbeitet. Das anwesende Publikum zeigte sich beeindruckt und alle entstandenen Fragen konnten beantwortet werden.

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Entwicklung der Agrar-Photovoltaik

Aber wie geht es jetzt weiter mit der Agrar-Photovoltaik in Deutschland? Der Bedarf an Erneuerbaren Energien ist groß und eine der günstigsten Möglichkeiten ist die Installation auf landwirtschaftlichen Flächen. Die Kombination von Landwirtschaft und Photovoltaik könnte diese Problem lösen. In zunehmende Hitze- und Dürreperioden können durch die Schatten spendenden Module abgemildert werden, was auch den Wasserverbrauch senkt. In Pilotanlagen zeigt sich, dass viele Pflanzen von dem Schutz vor Extremwettern, wie auch Hagel und Starkregen, profitieren.  Nach einer Studie aus Kalifornien zeigen auch die Module höhere Erträgem, da durch das Mikroklima der Pflanzen die Temperaturen etwas reduziert werden können. Doch trotz des hohen Potenzials führt die Agrar-PV nach wie vor ein Nieschendasein und wird außerhalb von Forschungsprojekten kaum installiert.

Ein Problem: Die Doppelnutzung von landwirtschaftlichen Flächen ist gesetzlich nicht vorgesehen. Seit dem EEG 2008 und einer Änderung in 2010 werden PV-Anlagen auf Äckern nicht mehr gefördert. In einigen Bundesländern können seit dem EEG 2017 wieder benachteiligte Acker- und Grünflächen gefördert werden, die Ausbauzahlen sind aber eher überschaubar. Auf der anderen Seite verliert das Land seinen Status als Ackerland und die Agrarsubventionen entfallen. Das führt zu Einschränkungen in der Wirtschaftlichkeit in beide Richtungen.

Auch bei Ausschreibungen ist die klassische Freiflächen-Photovoltaik durch geringere Installationskosten im Vorteil. Vor allem die hohen Unterkonstruktionen und die größeren Abstände zwischen den Reihen erhöhen die Stromentstehungskosten auf etwa 8-10 ct/kWh. Der Bundesrat fordert daher ein eigenes Ausschreibungssegment im neuen EEG für diese Anlagen.

Ein weiteres Problem sind oft skeptische Landwirte und Stadträte. Die Suche nach geeignete Flächen war nicht nur bei dem Projekt in Aasen schwierig, auch andere Projekte waren zum Teil monatelang auf Ausschau nach einer passenden Fläche, wie z.B. die Betreiber einer Agrar-PV Anlage in Althegenberg bei Augsburg. Es braucht noch viel Überzeugungsarbeit auf politischer, gesellschaftlicher und landwirtschaftlicher Ebene, um alle mit ins Boot zu holen.

Es gibt einige kleinere Projekte und Forschungsanlagen. Vereinzelt werden auch Förderungen zugesprochen, wie zu Letzt in Bayern an die Augsburger Firmer Tube Solar AG, die PV-Dünnnschichtröhren entwickelt, oder in Rheinland-Pfalz wo im Corona-Nachtragshaushalt auch die Agrar-PV im Zuge der „Solar-Offensive“ gefördert wurde. Trotzdem fehlt es bundesweit an einem Konzept, um die Agrar-Photovoltaik zu fördern und ihr einen Anteil an der Energieversorgung der Zukunft zu ermöglichen.

 

Quellen:

https://www.next2sun.de/news-media/

https://www.oekolandbau.de/landwirtschaft/betrieb/oekonomie/diversifizierung/agrophotovoltaik-acker-und-solarenergie-optimal-kombinieren/

https://www.topagrar.com/energie/news/agrophotovoltaik-die-energiewende-der-landwirtschaft-12347586.html

https://www.erneuerbareenergien.de/agrophotovoltaik-genial-fuer-freiflaechen

https://www.merkur.de/lokales/fuerstenfeldbruck/althegnenberg-ort28157/althegnenberg-strom-und-feldfruechte-von-einem-acker-90081763.html

https://www.sueddeutsche.de/wissen/agrophotovoltaik-photovoltaik-ackerflaechen-solarmodule-1.4649473

https://www.pv-magazine.de/2020/10/28/bundesrat-fordert-eigene-ausschreibungen-fuer-schwimmende-und-agro-photovoltaik-anlagen-im-eeg/

https://hans-josef-fell.de/agro-photovoltaik-ins-eeg-agrar-und-energiewende-vereinen/