An den Ausschuss für Umwelt, ländlichen Raum und Verbraucherschutz
Hessischer Landtag, 65022 Wiesbaden

 

Zu Kernfrage 1:

Wie kann der Anteil erneuerbarer Energien am Endenergieverbrauch (ohne Verkehr/Kraftstoffe) deutlich gesteigert werden?

Die hier gestellte Frage bezieht sich auf den Endverbrauch und kann deshalb leicht auf eine falsche Fährte locken, denn eigentlich geht es nicht um den Verbrauch, sondern um die Erzeugung - physikalisch genauer gesagt, die Bereitstellung - von Energie aus Erneuerbaren Quellen. Diese kritische Aussage bedarf einer Erläuterung:

Energie ist eine handelbare Ware. Die Energieverbraucher in Hessen entscheiden selber, welche Energie sie einkaufen. Der Handel mit Energie überschreitet Hessens Landesgrenzen. Die hessische Landesregierung kann somit nur sehr begrenzt Einfluss darauf nehmen, dass die Energieverbraucher in Hessen mehr Energien aus erneuerbaren Quellen kaufen, um sie zu verbrauchen. Sie kann es nicht und sie darf es nicht einmal, weil dies gegen die in Europa vereinbarte Handelsfreiheit verstoßen würde. Die Landesregierung könnte eine solche Entscheidung allenfalls für ihre eigenen Liegenschaften treffen, doch ist die Wirkung des sogenannten Ökostromhandels durchaus umstritten. Zur Problematik des Handels mit Strom aus erneuerbaren Quellen siehe ein bedenkliches Beispiel in Anlage 1. Unumstritten wäre dagegen die Klimaschutzwirkung, wenn die Landesregierung ihre eigenen Liegenschaften für die Errichtung von Solar- oder Windanlagen öffnen würde. Durch diese Entscheidung würde mit absoluter Sicheheit die Zahl der Solar- und Windanlagen erhöht und ein dauerhaft sichtbares Beispiel für die Öffentlichkeit gegeben.

Die Hessische Landesregierung kann jedoch weitaus mehr tun. Sie kann generell die Rahmenbedingungen in Hessen so ändern, dass im Land mehr Energie aus Erneuerbaren Quellen und weniger aus konventionellen Quellen bereitgestellt wird. Was kann dafür getan werden?

Damit mehr neue Solar-, Wind-, Wasserkraft- und Geothermiekraftwerke sowie Anlagen zur Nutzung überschüssiger Biomasse gebaut und in Betrieb genommen werden, müssen die bestehenden administrativen Hemmnisse gegen die Erzeugung von Strom aus Windenergie und Solarenergie beseitigt werden. Gerade in Hessen sind diese Hemmnisse besonders groß.

Administrative Hemmnisse führen dazu, dass Bürger des Landes Hessen auf ihrem eigenen Grund und Boden daran gehindert werden, die Erneuerbaren Energien zu nutzen - eine gravierende Einschränkung ihrer Eigentumsrechte! Sie werden gehindert oder zumindest behindert, obwohl das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) ihnen Anreize bietet, Strom aus Erneuerbaren Energien zu erzeugen. Die hessischen Hemmnisse gegen den Bau von Windkraftanlagen haben dazu geführt, dass in Hessen - bezogen auf die verfügbare Ackerfläche - weniger als ein Viertel so viel Windenergieleistung installiert wurde wie in Sachsen-Anhalt. Zahlenwerte siehe [1].

Paragraf 35, Absatz 1 des Bundesbaugesetzbuches sieht ausdrücklich eine Privilegierung der Windkraft im Außenbereich vor. Wer eine geeignete Acker-, Wiesen- oder Waldfläche hat, darf dort einen Windpark oder einzelne Windanlagen errichten, sofern er nicht gegen Gesetze zum Schutz anderer, höherwertigerer Rechtsgüter verstößt. Diese Bestimmung des Baugesetzbuchs kann jedoch gemäß § 35, Absatz 3 eingeschränkt werden. Dies geschieht im hessischen Landesplanungsgesetz. Dort ist festgelegt, dass die Regionalpläne bestimmte Flächen für Windräder ausweisen dürfen und dass dadurch alle übrigen Flächen für die Windkraft gesperrt werden. In der Antwort vom 17.08.2007 des Hessischen Ministers für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung auf eine kleine Anfrage [2] heißt es dazu erhellend:
"Die Landesregierung strebt an, dass die durch die Regionalplanung festzulegenden Vorranggebiete Ausschlusswirkung entfalten. Dadurch kann sichergestellt werden, dass sich die Windenergienutzung an geeigneten Standorten konzentriert und zugleich die gegenüber Windenergieanlagen besonders empfindlichen Teilräume des Landes freigehalten werden... Aus der Antwort geht weiterhin hervor, dass im Entwurf des Regionalplans Nordhessen nur noch 0,16 Prozent und im Entwurf des Regionalplans Mittelhessen nur noch 0,33 Prozent der Regionsfläche für die Windenergienutzung zugelassen sind. Mit anderen Worten: Mehr als 99 Prozent der Landesfläche muss nach Ansicht der Landesregierung nicht vor der Klimakatastrophe geschützt werden, sondern vor der Windenergie. So wird das Gegenteil von dem erreicht, was der Bundesgesetzgeber erreichen wollte.

Außerdem liefert der Landesentwicklungsplan durch frei auslegbare Kriterien unsinnige Ablehnungsgründe. Dazu zwei Beispiele:

Höhenbegrenzungen für Windanlagen

Wie sachfremd generelle Höhenbegrenzungen im Zusammenhang mit der Windenergie sind, zeigt folgende Überlegung: Heute werden bereits Windanlagen mit 6 MW Leistung gebaut und die Höhe mancher Türme erreicht 160 Meter. Die Länge der Flügel liegt bei über 60 Metern, die Gesamthöhe überschreitet somit 220 Meter. Ein wichtiger Vorteil dieser größeren Anlagen liegt darin, dass sie höhere Luftschichten mit stetigerer Windströmung erreichen und deswegen auch im hügeligen oder bewaldeten Binnenland wirtschaftlich arbeiten können. Zwar sind die großen Windanlagen auf größere Entfernung sichtbar, aber wegen der erheblich geringeren Drehzahlen wirken sie eher majestätisch ruhig und die Abstände zwischen diesen Anlagen (achtfacher Rotordurchmesser) sind riesig. Außerdem erzeugen diese Anlagen bei gleicher Stromproduktion weniger Geräusche als ein entsprechendes Ensemble kleinerer Anlagen.
Noch vor 15 Jahren hätte man sich diese großen Anlagen nicht einmal vorstellen können. Damals wurden Windenergieanlagen vornehmlich im Küstenbereich errichtet. Ihre Leistungen lagen bei 100 kW, ihre Masthöhen betrugen etwa 30 Meter. Hätte man damals eine gesetzliche Beschränkung der Bauhöhe vorgenommen - vielleicht auf 50 Meter - so hätte man die Weiterentwicklung der Windenergie im Keim erstickt. Windenergie wäre eine Technik für Anwendungen in Küstennähe geblieben.
Auch heute ist die Entwicklung der Windenergie noch nicht zu Ende. Wir warnen deshalb vor einer generellen Beschränkung der Bauhöhe. Natürlich gibt es z.B. in der Nähe von Flugplätzen die Notwendigkeit von Höhenbeschränkungen. Doch sollte nicht mehr zugelassen werden, dass mit Rücksicht auf das Landschaftsbild die Gesamthöhe eingeschränkt werden muss.

Abstände von Windanlagen zu Siedlungsgebieten

Wie sachfremd willkürlich festgelegte Abstände zu Siedlungsgebieten sind, mag die folgende Überlegung zeigen: Die Erbauer von Windanlagen erzielen laufend Erfolge bei der Reduzierung der von einer Windanlage ausgehenden Geräusche [3]. Diese Geräusche hängen somit vom Typ und Baujahr der Windanlage ab. Eine Abstandsregelung für Windanlagen müsste jeweils der Weiterentwicklung der Technik angepasst werden. Doch eine gesonderte Abstandsregelung für Windanlagen ist überhaupt nicht erforderlich aus folgendem Grund: Es gibt in der Deutschen Gesetzgebung ein ausgefeiltes Regelwerk, die Technische Anleitung zum Schutz gegen Lärm, die immer dann herangezogen wird, wenn die Bevölkerung gegen den Lärm aus einer beliebigen Quelle geschützt werden soll. Wenn dieses Regelwerk nicht ausreicht, sollte es verbessert werden. Es ist jedoch nicht einzusehen, dass ausgerechnet die Windenergie eine diskriminierende Sonderbehandlung erfährt. Ein Verweis auf die Technische Anleitung zum Schutz gegen Lärm im Landesentwicklungsplan muss genügen.

Zwei Beispiele für die Behinderung der Solarenergie

Versagung von Genehmigungen für den Bau von Solaranlagen aus Gründen des Denkmalschutzes

Eine Solar- und Photovoltaikanlage auf einem denkmalgeschützten Gebäude, einem Gebäude in einer geschützten Gesamtanlage oder sogar in der Umgebung eines Kulturdenkmals ist gemäß Hessischem Denkmalschutzgesetz [4] genehmigungspflichtig und jede Anfrage muss von der zuständigen Unteren Denkmalschutzbehörde geprüft werden. Das Hessische Landesamt für Denkmalschutz dokumentiert selbst auf seiner Internetseite an neun Bildbeispielen [5] seine Genehmigungs-, genauer gesagt, seine Versagungspraxis. In kaum einem dieser Fälle wurde dem Eigentümer erlaubt, eine Solaranlage in der gewünschten Größe und Effektivität zu errichten. Man hat den Eindruck, dass die Behörde bemüht war, einer Liebhaberei des Antragsstellers ein wenig entgegenzukommen, mehr aber nicht. Bei der gebotenen Abwägung zwischen privaten und öffentlichen Interessen wurde der Tatsache offenbar kein Gewicht zugemessen, dass die Errichtung einer Solaranlage nicht nur im privaten, sondern aus Klimaschutzgründen auch im öffentlichen Interesse steht - und zum Beispiel sogar die Emissionen mindert, die an anderer Stelle Baudenkmäler zerstören.
Wir regen an, dass die untere Denkmalschutzbehörden gesetzlich verpflichtet werden, dem Bau von beantragten Solaranlage unter der Auflage zuzustimmen, dass die Solaranlage so zu errichten ist, dass das darunter befindliche Baudenkmal in seiner Substanz im Wesentlichen unverändert bleibt und bei einem späteren Rückbau der Solaranlage wieder in seiner ursprünglichen Form sichtbar wird.

Versagung der Genehmigung von Solaranlagen im Rahmen einer Ortssatzung

Immer wieder erreichen uns Meldungen darüber, dass im Rahmen von Ortssatzungen die Errichtung von Solaranlagen generell oder für bestimmte Straßenzüge untersagt wird. Dieser Verstoß gegen das Gebot eines wirkungsvollen Klimaschutzes muss ggf. durch eine gesetzliche Bestimmung im Baugesetzbuch untersagt werden.

Zu Kernfrage 2:

Wie ist ein vollständiger Wechsel von erschöpflichen und klima- und umweltbelastenden Energiequellen zu emissions- und rückstandsfreien erneuerbaren Energien zu beschleunigen?

Unser Vorschlag:

Keine Genehmigungen für den Neubau fossiler Kraftwerke! Wenn die grundlegende Entscheidung getroffen ist, den vollständigen Wechsel zu beschleunigen, ist die logische Konsequenz, dass volkswirtschaftliche Fehlinvestitionen in fossile und atomare Energien zu vermeiden sind.

Ferner sind der Nutzung der konventionellen Energien zukünftig alle Privilegien zu entziehen, soweit dies mit der Rechtssicherheit vereinbar ist.

Zu Kernfrage 3:

Welche europäischen und bundespolitischen Rahmenbedingungen sind dafür erforderlich, und wie groß sind die landes- und kommunalpolitischen Handlungsspielräume (unterscheiden zwischen den Bereichen Strom- und Wärmeversorgung)?

Hier regen wir Bundesratsinitiativen an.

Über den Bundesrat kann das Land Hessen auf die Bundesgesetzgebung Einfluss ausüben. Wir schlagen folgende Gesetzesinitiativen vor:

Fußnoten


[1] Installierte Windleistungen und Ackerflächen - Vergleich Hessen gegenüber Sachsen-Anhalt
(Stand 31.12.2007, Quelle DEWI-Magazin 32 http://www.dewi.de/dewi/index.php?id=74&L=1&tx_ttnews[tt_news]=61&tx_ttnews[backPid]=46&cHash=e0773139d0

Windanlagen in Hessen 477 MW
Windanlagen in Sachsen Anhalt 2787 MW

Ackerfläche in Hessen 8950 qkm
Ackerfläche Sachsen Anhalt 12870 qkm
Quellen: statistische Landesämter


[2] Kleine Anfrage der Abg. Heidel und Posch (FDP) vom 08.05.2007 betreffend Windenergienutzung und Antwort des Ministers für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung Drucksache 16/7338   17.08.2007 HESSISCHER LANDTAG http://starweb.hessen.de/cache/DRS/16/8/07338.pdf


[3] Windanlagen können zweierlei Arten von Geräuschen erzeugen. Tonhaltige Geräusche (also Geräusche bei denen ein bestimmter Ton mitgesummt werden könnte) und ein neutrales Rauschen der Flügel, etwa vergleichbar dem Rauschen von Bäumen bei Wind. Tonhaltige Geräusche deuten auf einen Fehler bei der Auslegung des Getriebes oder auf sonstige Resonanzen hin. Durch richtige Auslegung werden sie immer weiter minimiert. Auch das Rauschen der Flügel wird durch verbesserte Profile weiter vermindert.


[4] Gesetz zum Schutze der Kulturdenkmäler (Denkmalschutzgesetz) Vom 23. September 1974 GVBl. I S. 450 in der Fassung vom 5. September 1986 GVBl. I S. 262, 270


[5] [link: http://www.denkmalpflege-hessen.de/LFDH4_Solar/index.html, http://www.denkmalpflege-hessen.de/LFDH4_Solar/index.html Beispiele für Solaranlagen auf denkmalgeschützten Häusern}

Anlagen

Anlage 1 Ökostromhandel löst das Problem des Klimaschutzes nicht grundlegend - Beipiel Kassel

Anlage 2 Vorschlag des SFV zur Einführung einer Bereitstellungsgebühr für nicht abgenommenen Strom aus Anlagen zur Nutzung Erneuerbarer Energien

Anlage3 Vorschlag des SFV: Netzausbau als nationale Aufgabe