Kürzlich ging eine Debatte durch die Medien zu NF3 - Stickstoff-Trifluorid. Dieses Gas werde für die Herstellung von Solarzellen benötigt und sei extrem klimaschädlich. Während seriöse Medien wie Geo [4] sich auf diese Feststellung beschränken, wird von weniger seriösen Publizisten schon der Nutzen von Solarzellen in Frage gestellt, denn womöglich würde durch die Herstellung von Solarzellen das Klima mehr geschädigt, als durch ihren Betrieb geschont. Was ist der Hintergrund in dieser Debatte?

Die Treibhauseigenschaften von NF3

Die Debatte wurde im Sommer dieses Jahres losgetreten mit einer Fach-Veröffentlichung durch zwei amerikanische Wissenschaftler [1 ]. Sie berichten die in der Fachwelt schon länger bekannte Tatsache, dass NF3 tatsächlich ein großes Potential zur Klimaschädigung hat: Seine Treibhauswirkung ist zwischen rund 10 000 und 20 000 mal stärker als dieselbe Menge Kohlendioxid (CO2), und seine Lebensdauer in der Atmosphäre beträgt zwischen 550 und 740 Jahren, je nachdem, welche Annahmen man trifft. Sie weisen insbesondere darauf hin - und das ist die Kernaussage der Veröffentlichung - dass NF3 nicht in der Liste klimaschädlicher Stoffe aufgeführt wird, die im Anhang des Protokolls der Klima-Vereinbarung von Kyoto zu finden ist. Die Emissionen werden daher weder protokolliert noch kontrolliert. Sie weisen ferner darauf hin, dass die geschätzte Menge von rund 4000 t an jährlich produziertem NF3 aufgrund der starken Treibhauswirkung durchaus klimarelevant sein kann. Die sich daraus ergebende Forderung nach einer Kontrolle von NF3 ist durchaus nachvollziehbar, insbesondere da die Verbrauchszahlen von NF3 weiter wachsen.

Verwendung

NF3 wird seit der Jahrtausendwende verstärkt in der Halbleiterindustrie angewandt. Seit dieser Zeit ersetzt der NF3-Prozess wesentlich klimaschädlichere Verfahren mit CF4 oder SF6 und führt zu einer Reduktion von 88 % der vergleichbarer Emissionen [3]. Zur Zeit des Kyoto-Protokolls (1995) war NF3 industriell noch nicht relevant und wurde daher nicht in den Anhang aufgenommen.

NF3 wird nicht bei kristallinen Solarzellen verwendet.

Man verwendet NF3 nahezu ausschließlich in der Halbleiterindustrie in Dünnschicht-Aufdampfanlagen (CVD-Anlagen). Diese werden eingesetzt bei der Herstellung von Halbleiterchips, aber insbesondere auch von Flachbildschirmen. Bei Solarzellen werden sie nur bei Dünnschicht-Solarzellen verwendet. Bei der Herstellung von kristallinen Siliziumsolarzellen wird NF3 nicht eingesetzt.

Es wird benötigt, um die Reaktionskammern der Aufdampfanlagen regelmäßig von Rückständen zu reinigen [2]. Man erzeugt dazu ein hochreaktives Plasma mit NF3. Das führt dazu, dass 97 % bis 99 % des NF3 in klima-unschädliche Produkte zerlegt wird. Man kann also davon ausgehen, dass lediglich etwa 1 % bis 3 % der hergestellten Menge NF3 tatsächlich in die Atmosphäre gelangt.

NF3 wird auch nicht zwingend bei allen Dünnschichtprozessen benötigt, sondern nur bei einigen. Wie Prof. Heuken von der RWTH Aachen als Spezialist für Dünnschichttechnologien erläutert, gebe es auch andere Reinigungsverfahren ohne NF3 oder eventuell die Möglichkeit, den Prozess so zu fahren, dass eine Reinigung nicht notwendig wird. Das ist allerdings nicht grundsätzlich für alle Prozesse möglich, sondern muss im Einzelfall geprüft werden. Des Weiteren gebe es die Möglichkeit, Restgase in einem speziellen Zusatzgerät ("Scrubber") in unschädliche Bestandteile zu zerlegen, so dass die Restmenge NF3 weiter verringert wird.

Aus diesen Gründen kann die entwichene Menge NF3 auch bei der Herstellung von Dünnschichtsolarzellen von Typ zu Typ und von Hersteller zu Hersteller stark variieren. Man kann daher nicht einfach angeben, wie viel NF3 zur Herstellung eines Quadratmeters von Dünnschicht-Solarzellen benötigt wird.

Es ist leider nicht einmal bekannt, wie viel der jährlich hergestellten Menge NF3 in der Produktion von Dünnschicht-Solarzellen verwendet wird.

Relevanz

Die Relevanz des Problems ergibt sich aus dem Vergleich mit anderen klimarelevanten Emissionen. Wenn alle pro Jahr hergestellten 4000 t NF3 in die Atmosphäre gelangten, entspräche das auf Grund der extremen Treibhauswirkung von NF3 der Klimawirkung von 67 Mio t CO2 [1]. Dies wäre der "Worst Case". Tatsächlich ist jedoch eher anzunehmen, dass aufgrund der üblichen Prozessführung etwa 1% bis 3% davon in die Atmosphäre gelangen. Dies entspräche 0,67 bis 2,1 Mio t CO2 pro Jahr.

Stoff Emissionen in Mill. t CO2-Äquivalent pro Jahr
NF3 - weltweite Produktion 2008 67
NF3 - weltweite Emissionen 2008 0,67 - 2,1
Kyoto Annex-I Emissions 2005
SF6 35
PFCs 42
HFCs 232
N2O 1130
CH4 1615
CO2 15128
Die weltgrößten Kohlekraftwerke
Scherer (Georgia, USA) 25
Tuoketuo-1 (China) 32
Einsparungen durch Solarzellen im Laufe ihres Lebens (20 Jahre)*
Weltweite Jahresproduktion 2008 (ca. 2 GWp)* 17,6
Weltweite Jahresproduktion Dünnschichtzellen 2008 (ca. 0,2 GWp)* 1,76
*) Eigene Abschätzungen (siehe Text)


Tabelle 1 listet diese Daten im Vergleich zu anderen klimarelevanten Emissionen auf. Im Vergleich zur Summe der Emissionen der 6 wichtigsten Klima-Gase bzw. -Gasgruppen (SF6, PFCs, HFCs, N2O, CH4, CO2) betragen die vermutlichen Emissionen von NF3 gerade einmal 0,0037% bis 0,012%, sind also noch kaum wahrnehmbar. Sollte die gesamte hergestellte Menge NF3 in die Atmosphäre gelangen, so würde dies etwa 0,37% an den Emissionen ausmachen.

Auch im Vergleich mit konventionellen Klimasündern scheint NF3 wenig klima-relevant zu sein: Das Treibhauspotential der jährlich vermutlich entwichenen Menge entspricht etwa 6 % des jährlichen Ausstoßes des weltgrößten Kohlekraftwerks (3,6 GW, Tuoketuo-1, China).

Deutlich relevanter fällt allerdings der Vergleich mit den durch Solarzellen eingesparten CO2-Emissionen aus. Um die weltweiten CO2-Einsparungen durch Solarzellen abzuschätzen, werden folgende Annahmen getroffen: Die weltweite Solarzellen-Produktion 2008 wird nach verschiedenen Internetberichten auf ca. 2 GWp geschätzt. Von dieser Gesamtmenge werden etwa 10% als Dünnschichtzellen angenommen. Zum Abschätzen des Einsparpotentials wird eine jährliche Stromproduktion von 800 kWh/kWp zu Grunde gelegt. Weiterhin wird eine Einsparung von 0,55 kg CO2/kWh im Vergleich zum konventionellen Strom-Mix angenommen. Diese beiden Werte gelten für Deutschland und werden hier zur Abschätzung weltweit verwendet. Mit diesen Angaben werden die eingesparten Emissionen über einer Lebensdauer von 20 Jahren berechnet. Benötigte Energie zur Herstellung wird nicht berücksichtigt, da es hier nur um die Größenordnung gehen soll.

Mit diesen Annahmen ergibt sich für die gesamte weltweite Jahresproduktion von Solarzellen ein CO2-Einsparpotential von 17,6 Mio t CO2 über die Lebensdauer von 20 Jahren und für die Dünnschichtzellen entsprechend 1,76 Mio t CO2. Obwohl diese Zahlen nur eine grobe Abschätzung darstellen (und bitte nicht bis auf die Kommastelle gezählt werden sollen), zeigt sich, dass die Emissionen von NF3 durchaus in der selben Größenordnung wie die CO2-einsparungen von Dünnschichtzellen liegen können.

Der Vergleich der Zahlen zeigt nur (aber auch nicht weniger), dass das Problem NF3 nicht vernachlässigbar ist und dringend genauerer Untersuchung bedarf. Wichtig ist es, eventuelle Emissionen von NF3 bei der Dünnschicht-Solarzellenproduktion zu unterbinden.

Fazit

Aufgrund des hohen Potentials als Klimaschädling sollte NF3 möglichst bald in die Kyoto-Liste aufgenommen werden und dessen Emissionen kontrolliert werden. Es müssen technische Maßnahmen vorgeschrieben werden, die ein Entweichen von NF3 in die Atmosphäre verhindern.

Zur Zeit sind die tatsächlichen Emissionen im Vergleich zu anderen klimaschädlichen Ausstößen sehr gering. Aber die Untersuchungen zeigen, dass die Klimawirkung von NF3 nicht zu vernachlässigen ist und in der selben Größenordnung liegt wie das CO2-Einsparpotential von Dünnschicht-Solarzellen.

Es ist unbekannt, wie viel Emissionen von NF3 bei der Produktion von Dünnschichtsolarzellen erfolgen und wie viel bei anderen Produkten (z.B. Flachbildschirmen). Daher ist es ganz wichtig, die benötigte Menge und die Wirkung von NF3 bei der Dünnschicht-Solarzellenproduktion näher zu untersuchen.

Kurz und knapp

  • NF3 ist ein hochpotentes Treibhausgas, das nicht in der Kyoto-Liste von Treibhausgasen aufgenommen ist und dessen Emissionen daher nicht kontrolliert werden. Es wird inzwischen in möglicherweise klimarelevanten Mengen hergestellt.
  • Bei der Verwendung werden 97% bis über 99% in klima-unschädliche Bestandteile zerlegt.
  • Es wird verwendet bei der Produktion von Halbleitern, Flachbildschirmen und Dünnschicht-Solarzellen. Es ersetzt wesentlich klimaschädlichere Stoffe. Der Anteil an der Produktion von Dünnschichtsolarzellen ist unbekannt.
  • NF3 wird nicht in der Produktion von kristallinen Solarzellen verwendet, die zur Zeit rund 90% des Marktes ausmachen.
  • In der Produktion von Dünnschicht-Solarzellen könnte die Verwendung von NF3 vemieden werden.
  • Das Treibhauspotential der jährlich vermutlich entwichenen Menge NF3 entspricht etwa 6 % des jährlichen Ausstoßes des weltgrößten Kohlekraftwerks (3.6 GW, Tuoketuo-1, China). Es liegt in der selben Größenordnung wie das CO2-Einsparpotential der Jahresproduktion von Dünnschicht-Solarzellen.

Referenzen

[1] Michael J. Prather, Juo Hsu, "NF3, the greenhouse gas missing from Kyoto", Geophysical Research Letters, Vol. 35, p. L12810, 2008
[2] Andrew D. Johnson, William R. Entley, Peter J. Maroulis, "Reducing PFC gas emissions from CVD chamber cleaning", Reprint with revisions from: Solid State Technology, Dec. 2000.
[3] Andrew D. Johnson, Peter J. Maroulis, and Mark I. Sistern, "Environmental Aspects of Solar Cell Manufacturing: Maintaining the Global Warming Advantage", Poster information by the manufacturer Air Products and Chemicals, Inc.
[4] Geo 11/ 008, S185