Vor ein paar Monaten kontaktierten uns gleich mehrere SFV-Mitglieder mit derselben Frage: In ihrem Briefkasten fanden Sie ein Schreiben der HUK Coburg, welches Elektroauto-Besitzer:innen aufforderte, sich für das e-Auto einen CO₂-Bonus von 300-350 EUR zu sichern. Genau genommen über einen Vertragspartner der Versicherungsgesellschaft. “Jetzt mit dem e-Auto Geld verdienen” so wurde die Treibhausgasprämie auf einem der Flyer beworben, – und das Beste: den Bonus gibt es jedes Jahr aufs Neue.


Was steckt hinter diesem CO₂-Bonus?


Recherchiert man auf der Seite des Kooperationspartners (co2.auto GmbH), findet man Antworten. Dort steht: “Manche Unternehmen sind gesetzlich dazu verpflichtet, die Emissionen der von ihnen verkauften fossilen Treibstoffe zu reduzieren. Um wieviel genau, ist durch die Treibhausgasminderungsquote oder THG-Quote festgelegt.” [1]


Genau genommen ist die THG-Quote verordnet worden, um die im Verkehr entstandenen CO₂ Emissionen zu reduzieren. Da Mineralölkonzerne über den Verkauf fossiler Kraftstoffe die größten CO₂-Emissionen in diesem Sektor verursachen, müssen sie nun jedes Jahr ihre Emissionen prozentual mindern. Laut Verordnung stehen den Unternehmen dafür verschiedene Optionen zur Verfügung: Sie können ihren Treibstoffen zum Beispiel Biofuels beimischen oder in sogenannte elektrisch basierte Antriebe investieren (Grüner Wasserstoff). Oder aber – und hier kommen Sie ins Spiel – die Konzerne erkaufen sich die CO₂-Einsparung, die bereits von Dritten im Verkehr geleistet wurde. Während die Mineralölkonzerne in den ersten Jahren ihre Quote hauptsächlich durch Beimischung von Biokraftstoffen erreichen konnten, sind sie nun dazu verpflichtet, Wasserstoff oder Elektromobilität im Verkehrssektor zu fördern. Erreichen die Unternehmen die Quote nicht, drohen Strafzahlungen. 2022 betrug die Pönale 600€ pro Tonne CO₂, immerhin der 20-fache CO₂-Preis.


Neu ist, dass seit 2022 auch "Betreiber eines Ladepunktes" (dazu gehören auch Elektroautobesitzer:innen) an diesem Quotenhandel teilhaben können: E-Auto-Fahrer können ihre CO₂-Einsparungen an die quotenpflichtigen Unternehmen verkaufen, damit diese ihre Pflicht erfüllen, heißt es weiter [2]. In dem Bereich der Quoteneinhaltung per Kompensation hat sich durch die neue Verordnung ein neuer Markt gebildet, aus Mineralölkonzernen, Privatpersonen und Quotenhändlern. Letztere übernehmen die Kommunikation mit e-Auto-Eigentümer:innen und den Verkauf der Zertifikate an die Mineralölkonzerne. Der Bonus für ein angerechnetes e-Auto liegt zwischen 300 und 400 Euro.

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Abb 1 — Werbung für die THG-Quote an ein SFV Mitglied • 

Das Problem


Genau an dieser Stelle liegt der Hund begraben und beschreibt gleichzeitig eine ziemlich fragwürdige Praxis. Denn sobald Mineralölkonzerne im Stande sind, sich ihre Emissionsminderung bei Privathaushalten abzukaufen, die bereits in ein Elektroauto (nicht selten aus Klimaschutzgründen) investiert haben, werden sie die Emissionen, die sie wirklich im Verkehrssektor verursachen, nicht reduzieren. Das Unternehmen erfüllt dann die Quote, allerdings nicht durch neue, emissionsmindernde Maßnahmen im Verkehr, sondern durch bereits existierende. Und e-Auto-Besitzer:innen treten Ihre CO₂-Ersparnisse an BP, Shell oder Total ab, welche dann das Recht erhalten, weiter fossile Kraftstoffe in Verkehr zu bringen – der Anteil nachhaltigerer Antriebssysteme erhöht sich nicht, denn die e-Autos gibt es ja bereits.


Man könnte nun behaupten, dass die Aussicht auf die THG-Quote als weiterer Anreiz für Privatleute betrachtet werden könnte, in ein Elektroauto zu investieren. Und durch den Anstieg der Zahl an Elektroautos sinkt zwangsläufig auch die Nachfrage nach fossilen Kraftstoffen. Aber hätte man den Neukauf von Elektroautos nicht auch direkt finanzieren können, statt über Boni für Leute, die eh schon ein E-Auto fahren?


Würden die Konzerne direkt in neue Radwege, (batterieelektrischen) ÖPNV oder neue Elektromobilität investieren, würde sich der Bedarf an fossilen Rohstoffen weiter reduzieren. Aber warum sollten sie das tun? Das hieße ja, an dem Ast zu sägen, auf dem man sitzt und an dem die Dividendenausschüttungen für die Aktionär:innen gedeihen. Die zwei staatlichen Instrumente, welche hier zielführend wären, sind a) ein Zulassungsverbot für neue Verbrennungsmotoren, und b) eine Einpreisung der Umweltschäden durch CO₂-Ausstoß in Form einer effektiven CO₂-Abgabe. Alles weitere mag dann der Markt regeln.
Mit den geschilderten Kompensationsmethoden hingegen wird es nie zu den Dekarbonisierungs-Fortschritten kommen, die wir für die Eindämmung der Erderhitzung so dringend benötigen. Können bald auch die CO₂-Ersparnisse aus bestehenden Einfamilienhaus-Solaranlagen an RWE verkauft werden, um weiter Kohlestrom produzieren zu dürfen?

THG-Quotenhandel

Abb 2 — Funktionsweise der Treibhausgasminderungs-Quote für sogenannte Ladepunktbetreiber. Die Zertifizierung läuft laut unserer Recherche allerdings über das Umweltbundesamt. Der Verkauf der Quoten wird über den Zoll abgewickelt. Grafik: www.emcel.com CC-BY-SA • 

Den CO₂ Bonus ablehnen? Jein...


Nun ist es natürlich naheliegend, allen Elektroauto-Eigentümer:innen davon abzuraten, den CO₂-Bonus geltend zu machen. Wenn die Konzerne keine Zertifikate kaufen können, müssen die Emissionen anders reduziert oder Strafzahlungen geleistet werden. Wäre da nicht ein weiterer Haken bei der THG-Verordnung …


Denn: Wenn Sie sich entscheiden, Ihren Anspruch auf 350€ CO₂-Prämie geltend zu machen, stellt Ihnen das Umweltbundesamt die Zertifizierung für Ihr e-Auto aus. Darüber hinaus sind generell alle Elektrofahrzeuge und Ladestationen beim Umweltbundesamt registriert. Dementsprechend weiß das UBA auch, wie viele Elektroautos auf den Straßen sind, deren Eigentümer:innen sich die Prämie nicht haben ausgezahlt lassen. Am Ende des Jahres werden laut Verordnung alle Zertifikate, die von der gesamten E-Flotte noch übrig sind, von der Bundesregierung selbst an die Mineralölunternehmen versteigert. Die Erlöse gehen dann an den Bund. Ein Boykott dieses Systems würde also letztlich nur dazu führen, dass der Bund mehr Geld erhält. Ob damit dann Klimaschutzprogramme, Sozialpolitik oder der Ankauf von Kriegsflugzeugen bezahlt werden, steht dann auf einem anderen Blatt. Das heißt aber auch: Die Bundesregierung eignet sich die Früchte der Klimaschutz-Bemühungen von e-Auto-Fahrer:innen an und verkauft sie an die Mineralölindustrie. Die Verordnung ist so konstruiert, dass de facto alle Einsparungen durch Elektroautos den Mineralölkonzernen angerechnet werden dürfen. Und auch wenn es die Konzerne zur Kasse bittet, ist das − mit Verlaub − ganz schön dreist!


Unser Fazit:


Allen Elektroautobesitzer:innen muss klar sein, dass das Geld, das sie annehmen, Geld eines ziemlich fragwürdigen Klimadeals ist. Es ist auch klar, dass die Mineralölunternehmen nur mitmachen, weil die Pönale bei Nichteinhaltung der Quote teurer wäre und sie über diese Lösung Geld einsparen können. Andere NGOs empfehlen zwar, den Bonus auf jeden Fall anzunehmen, da ihr Zertifikat am Ende sowieso den Ölkonzernen in die Hände fällt. Wir finden aber, dass wir uns lieber politisch dafür engagieren sollten, die Verordnung durch Regelungen (wie die oben erwähnten) zu ersetzen, welche die Mineralölkonzerne unter einen ernstzunmehmenden Veränderungsdruck stellen. 


Wenn Sie den Bonus annehmen wollen oder schon angenommen haben, dann überlegen Sie doch, ob Sie mit der Prämie nicht direkt Klimaschutzmaßnahmen unterstützen wollen. Das Geld wäre bei Energiegenossenschaften, Klima-NGOs oder in einem Balkonmodul gut aufgehoben. Wir freuen uns zu hören, was Sie mit dem Geld angestellt haben. 

Quellen und weitere Infos zum Nachlesen

 

[1] und [2]  https://co2.auto

Grafik: www.emcel.com 

Weitere Infos: