Wenn Pia Anderer abends eine Solarparty für die Nachbarschaft gibt, hatte sie oft vorher bereits einen vollen Tag in der Energieberatung hinter sich. An Wochenenden ist sie mit der Solar-Selbstbaugruppe unterwegs oder steht auf Infoveranstaltungen mit Rat und Tat zur Seite. Pia, jahrelange Freundin und Mitglied des SFV, ist in Aachen bestens vernetzt und so viel unterwegs, dass wir uns gefragt haben: Wie(so) machst du das eigentlich?

© H. Kluttig Abb 1 — Mit dem Liegetandem durch die Region •  

Liebe Pia, als wir dich für ein Interview im Solarbrief angefragt haben, hast du direkt zugesagt. Anschließend warst du doch etwas irritiert, als klar wurde, dass es um dich als Person geht, und nicht die Energiewende. Warum war das im ersten Moment für dich so schwierig?

Ich habe mich gefragt, welchen Sinn könnte ein solches Interview haben bzw. was daran für andere interessant sein könnte. 


Beim SFV haben wir dich als sehr engagierte und ausdauernde Person kennengelernt. Und wir haben festgestellt, dass die Energiewende viel weniger erfolgreich wäre, wenn es nicht Leute wie dich gäbe, die sich dafür einsetzen. Aus unserer Sicht bist du daher auch ein notwendiger Bestandteil – wie das Solarmodul auf dem Hausdach. Aber lass uns mal an den Anfang gehen: Studiert hast du damals Physik in Bonn. Wie bist du zu den Energiethemen gekommen?

Als ich 1984 mit dem Studium fertig war, fand ich den Bereich Energieerzeugung und Versorgung insbesondere mit Erneuerbaren Energien sehr interessant. Aber damals gab es keine Stellen, weder in der Industrie noch an den Unis. Ich bewarb mich in Aachen im Phillips Forschungslabor, da dort ein Null- oder Niedrigenergiehaus messtechnisch untersucht wurde. Ich landete allerdings in der Lichtgruppe. Energiesparlampen wurden entwickelt, LEDs waren in der Forschung. In der Zeit, Anfang der 90er Jahre wurde der Wind  e. V. gegründet mit dem Ziel, eine „große“ Windanlage zu errichten. Solche Anlagen waren damals neu und ich fand es super in einer Gruppe, es waren hauptsächlich Studenten, die Sache voran zu bringen. So konnte ich auch in der mir fremden Stadt Leute kennenlernen. Die 80 kW-Anlage wurde 1993 als Gemeinschaftsanlage mit rund 90 Anteilseigner:innen errichtet. Heute arbeiten wir verbliebenen Geschäftsführer:innen nach knapp 30-jähriger Laufzeit daran, die Anlage zurück zu bauen. Später war ich viele Jahre in einem Ingenieursbüro beschäftigt und habe Studien zur Wasserkraftnutzung, insbesondere Potentialstudien erstellt, bevor ich zuletzt als Energieberaterin bei der Verbraucherzentrale war.


Das ist ja spannend. Als ich mich vor einigen Jahren für das Studium der Erneuerbaren Energien entschied, gab es ja bereits ein richtiges Berufsfeld in der Branche, sogar dezidierte Studiengänge. Aber bei dir war das ja noch eine absolute Nische. Was war der Auslöser, dass du dich für diese zukunftsweisenden Technologien interessiert hast?

Ich hatte mich für Zukunftsforschung interessiert und Publikationen verfolgt, zum Beispiel die des Club of Rome, der schon 1972 die Grenzen des Wachstums aufzeigte. Der Bericht machte deutlich, dass die Ressourcen unseres Planeten endlich sind und wir beim Handeln die Zukunft mitdenken müssen. Das hat mich damals wie heute bewegt, ich wollte einen sinnvollen Beitrag leisten. 

 

Du hast ja einen Blumenstrauß an Erfahrungen, was Erneuerbare Energien angeht. Hast du eine „Lieblingstechnologie“?

Das kann ich gar nicht so sagen. Solarenergie ist toll, weil es etwas zum „Mitmachen“ ist. Windanlagen sehe ich gerne, sie erzeugen auf kleiner Fläche viel Strom. Wasserkraft geht mit Gewässern einher und das gefällt mir am meisten. Auch im Urlaub – ich schaue mir gerne Wasserkraftanlagen an. Eine weitere Technik gibt es aktuell, die mich bewegt. Das sind Wärmepumpen. In den letzten Jahren stellten sie einen Schwerpunkt meiner Beratungstätigkeit dar und ich möchte mich auch zukünftig auf dem Gebiet engagieren. Aber weniger wegen der Schönheit, sondern eher wegen der Dringlichkeit [lacht]. 

© H. Kluttig Abb 2 — Der Schaltschrank der 80kW Wind­anlage muss ausgetauscht werden. • 

© aachen-hat-energie.de Abb 3 — Die 80 kW-Gemeinschaftsanlage von 1993 mit ca. 90 Anteilseigner:innen •  

Abb 4 — Hier bin ich, Taalke, bei einer Führung auf dem Besucher-Windrad in Aachen •  

Abb 5 — Herzlich Willkommen Nachbarschaft! 
Pia ist »packsdrauf«-Solar-Botschafterin •  

Wir kennen uns ja vor allem über die Zusammenarbeit bei der »packsdrauf«-Initiative, die du maßgeblich mit aufgebaut hast. Du hast hier schon ehrenamtlich mitgewirkt, als ich noch gar nicht beim SFV war. Und du bietest auch heute noch regelmäßige »packsdrauf«-Fortbildungen in deiner Freizeit an. Wird dir das nicht manchmal zu viel? Dich in Deiner Freizeit auch noch mit Themen zu beschäftigen, die du bereits im Berufsalltag zu genüge hast?

Klar, das kommt schon vor. Ich komme nach Hause und denke „Puh, warum hast du da schon wieder zugesagt, warum machst du das wieder?“ Aber hinterher bin ich immer zufrieden und denke, dass es sich gelohnt hat. Denn die Leute, die ich bei verschiedenen Aktionen treffe, sind interessiert und engagieren sich. Und ich lerne sogar noch dazu, in vielen Beratungen, auf jeder Solarparty oder packsdrauf-Fortbildung. Das finde ich genial. 


Hast du auch mal Tiefpunkte durchlebt? Wo du vielleicht alles hinschmeißen wolltest? Wie gehst du dann damit um?

Klar. Zum Beispiel wenn ich Donald Trump höre oder die anderen „Klimaleugner“, mein Gott. Da denke ich schon mal: warum sollen wir uns hier so abstrampeln, wenn es in manchen Regionen keinen Klimaschutz mehr gibt. Aber es hilft ja nicht, wenn man nichts macht. Ich versuche dann, es nicht so sehr an mich ranzulassen und bewusst positive Nachrichten zu empfangen. 

Die gibt es ja auch reichlich. Ich bin zum Glück eher ein positiver Typ. Am Ende zählt jedes zehntel Grad, das dem Globus erspart bleibt, auch wenn das bei vielen Menschen noch nicht im Bewusstsein ist. 


Das treibt dich dann an? Das jedes Grad zählt?

Ja, und dass die Zeit drängt. 


Wie machst du das bei schwierigen Beratungen? Wie erreichst du die Leute, die eigentlich gar keinen Bock haben?

Die meisten Leute, mit denen ich im Kontakt bin, sind zum Glück sehr aufgeschlossen und wollen etwas ändern. Der Vorteil z. B. bei der Energieberatung ist, dass die Leute freiwillig kommen und grundsätzlich interessiert sind. Bei »packsdrauf« und den Solarpartys ist es genauso. Aber die Menschen haben natürlich unterschiedliche Beweggründe, sich mit dem Energiethema zu beschäftigen und reden hilft. Häufig geht es um Kosten, Fördermittel, aber auch um Klimaschutz und Energieeinsparung. Zum Glück gibt es bei der Energiewende noch viele Co-Benefits, die dargestellt werden können.

Fällt es dir leicht, so auf dein Gegenüber einzugehen?

Ja, man bekommt mit der Zeit ein Gespür dafür, wie man welche Menschen erreicht. Es gibt so viele Interessierte, die informiert werden wollen oder die unsicher sind und Unterstützung brauchen. Die zu erreichen ist wirklich gut. Es gibt aber auch kurze Gespräche, wenn jemand nur über Politik meckern will oder lange, die wir schon mal Lebensberatung nennen.


Seit Mitte April hast du deinen Berufsalltag bei der Verbraucherzentrale hinter dir gelassen und startest gerade in die Rente. Hast du dir bereits Projekte vorgenommen, denen du nun die freie Zeit widmen möchtest?

Ach, da gibt es so vieles. Wir haben einen tollen Gemeinschaftsgarten, Weit-Wanderungen und Radtouren stehen auf dem Plan. Ich bleibe voraussichtlich freiberuflich als Energieberaterin tätig. Aber natürlich in reduziertem Umfang. Der Ausbau der Windenergie in Aachen liegt mir am Herzen. Und bei der Aufklärung zu Wärmepumpen will ich weitermachen. Die Besichtigungen von Wärmepumpen im Altbau, die ich in Anlehnung an die Solarpartys in den letzten drei Jahren organisiert habe, konnten schon einigen Menschen bei ihren Entscheidungen helfen und Unsicherheiten ausräumen. Und das macht wirklich Freude, wenn die Leute rückmelden, dass ihnen diese Art des Erfahrungsaustauschs viel gebracht hat. Ich freue mich, dass auch Solarbotschafter:innen schon Wärmepumpen-Partys organisiert haben. Also, du siehst: Es gibt etliche Optionen. Über Langeweile muss ich mir keine Sorgen machen.


Am Anfang unseres Gesprächs hast du auch gesagt, dass das Vernetzen eines der wichtigsten Punkte im Ehrenamt ist. Stimmt’s?

Ja, absolut. Auch bei der Arbeit. In Aachen kenne ich inzwischen viele engagierte Menschen. Ich habe festgestellt, dass man gemeinsam vielfältigere Ideen entwickelt und mehr schaffen kann als alleine. Und dass mich das zufrieden macht. Das kann ich nur empfehlen! 

 

Danke für das Interview!

© O. Hönow Abb 6 — Dachhaken setzen ist mühselig, führt aber kein Weg dran vorbei. •  

Abb 7 — Die erste montierte PV-Anlage der Aachener Selbstbaugruppe ist fertig. •