Bis zum Jahr 2030 werden nach Schätzungen von Wissenschaftler:innen des ISE Freiburg 104 GWh stationäre Speicherkapazität benötigt. Besonders relevant gilt dabei die Langzeit­speicherung, um Dunkelflauten im Winter zu überbrücken. Aber Stromspeicher haben auch darüber hinaus viele Funktionen: Wenn bei viel Sonne und Wind zu viel Strom im Netz ist, können Speicher entlasten.

Die gute Nachricht vorweg: Auf der Jahrestagung des Deutschen Wetterdienstes (DWD) 2024 stellte Vizepräsidentin Renate Hagedorn klar, dass es auch unter dem Blickwinkel des Klimawandels keine Hinweise gäbe, dass sogenannte Dunkelflauten – Phasen, in denen weder Sonne noch Wind ausreichend Strom liefern – in den vergangenen Jahren zugenommen haben. Damit sei die Stromerzeugung aus Windkraft und Photovoltaik auch künftig nicht risikoreicher geworden. Die Energieerzeugung aus Wind und Sonne ergänzte sich auch 2024 gut, wie die letzten DWD-Daten deutlich zeigten. Die kombinierte Betrachtung des jährlichen Verlaufs von Windgeschwindigkeit und Sonneneinstrahlung ergab ein gewohntes Muster: Während die höchsten Strahlungswerte in den Sommermonaten erreicht wurden, lieferten die Wintermonate die stärksten Winde.1

Entwarnung gibt es dennoch nicht. Trotz fehlender eindeutiger Definition wurden in verschiedenen Studien Untersuchungen zur Häufigkeit von Dunkelflauten durchgeführt. Zweiwöchige Phasen, in der die modellierte mittlere Residuallast - also der tägliche Strombedarf, der nach Abzug der Einspeisungen von Wind- und Solarenergie aus dem gesamten Stromverbrauch übrig bleibt - über 70 GW betrug, in Deutschland von 2006 bis 2016 im Schnitt alle zwei Jahre einmal auf.2 Jede Forderung nach einer Energiewende stößt demnach unweigerlich auf die Frage, wie dieses Problem zu lösen sei. Klar ist: Ohne Speicher keine 100-prozentige Energiewende. Dabei geht es nicht nur um die Überwindung örtlicher Distanzen zwischen Erzeugungszentren und Verbrauchsregionen, sondern auch um die zeitliche Verschiebung der Energie.

Für eine vollständige Versorgung mit erneuerbaren Energien muss die Elektrifizierung aller Sektoren konsequent vorangetrieben werden. Überall dort, wo bislang fossile Brennstoffe genutzt werden, sollen Strom, Batterien oder Umwandlungsprodukte wie Wasserstoff und Methanol zum Einsatz kommen. Heizungen werden über Wärmepumpen elektrisch betrieben, der Individualverkehr auf Elektroautos umgestellt, und Digitalisierung sowie Künstliche Intelligenz sorgen für zusätzlichen enormen Strombedarf. Auch energieintensive Industrien wie Chemie- und Stahlunternehmen benötigen große Mengen schnell verfügbarer Energie. Gleichzeitig soll die Abhängigkeit von Energieimporten drastisch reduziert werden. Die Folge: Der Strombedarf wird massiv steigen. Und damit auch der Speicherbedarf. Der Strombedarf Deutschlands lag in den letzten Jahren bei unter 500 TWh.3 Experten des ISE Freiburg gehen davon aus, dass sich der Strombedarf bis 2045 verdreifachen könnte.4

Die Energiewende steht also nicht nur vor der Herausforderung, genügend Strom zu erzeugen, sondern ihn auch zuverlässig zu speichern und zu verteilen - klimaschützend, versorgungssicher und bezahlbar. Ohne Speicherlösungen, Effizienz und Lastmanagement bleiben 100 % Erneuerbare nur eine Vision.

 

Stromversorgung bei Nacht

Kurzzeitspeicher 

Kurzzeitspeicher dienen primär dazu, einen kurzfristigen Ausgleich von Angebot und Nachfrage zu gewährleisten und das Stromnetz stabil zu halten. Sie speichern elektrische Energie über Zeiträume von Sekunden bis wenigen Stunden und geben sie bei Bedarf blitzschnell wieder ab. Diese Fähigkeit ist zentral: Sie fangen schwankenden Windstrom oder überschüssige Solarenergie auf und gleichen Lastspitzen aus, wenn abends der Stromverbrauch steigt. Ihre kritischste Rolle spielen sie als Regelleistung – dem Notfallmechanismus des Netzes. Die Frequenz muss konstant bei 50 Hertz liegen. Sobald Erzeugung und Verbrauch auseinanderfallen, gerät sie ins Wanken. Dann agieren Kurzzeitspeicher als Turbo-Stabilisatoren: Sie reagieren in Sekunden, gleichen kleinste Ungleichgewichte aus und verhindern, dass aus einer Störung ein Blackout wird. 

Batteriespeicher sind die bekannteste Technologie im Bereich der Kurzzeitspeicher – sowohl in Privathaushalten (PV-Speicher) als auch in Großanlagen. Dank ihrer schnellen Lade- und Entladefähigkeit sind sie ideal, um tageszeitliche Schwankungen netzdienlich auszugleichen.

Auch Pumpspeicherkraftwerke (PSKW) bleiben unverzichtbar. Sie speichern große Energiemengen über Stunden bis Monate und sind für alle drei Stufen der Regelleistung geeignet: Sie reagieren entweder innerhalb von Sekunden („Primärreserve), fünf Minuten („Sekundärreserve”) oder Viertelstunden („Minutenreserve”). Ihre hohe Leistung und schnelle Verfügbarkeit machen sie zu einem Rückgrat der Netzstabilität. 

Neben diesen etablierten Technologien gewinnen Schwungradspeicher an Bedeutung. Mit überschüssiger elektrischer Energie wird ein Schwungrad angestoßen und beschleunigt – die Energie wird dann als Rotationsenergie gespeichert. Dieser Speicher reagiert extrem schnell und ist besonders zyklenfest. Für die kurzfristige Frequenzstabilisierung ist das ideal. Ein Beispiel ist das Projekt HYDRAD5  der Hochschule Flensburg, das Schwungräder mit Photovoltaikanlagen kombiniert. Auch Druckluftspeicher (CAES) bieten Potenzial: Sie speichern Energie in Form von komprimierter Luft in unterirdischen Kavernen. Das Kraftwerk Huntorf bei Elsfleth6 gilt als Pionier dieser Technologie, arbeitet allerdings noch mit Erdgas. Reine Druckluftspeicher – etwa im ADELE-Projekt7 werden bislang nur erforscht, gelten aber als flexibel und für Regelleistung geeignet. Zusammengefasst: Kurzzeitspeicher sind die unentbehrlichen Puffer, die ein von Wind und Sonne abhängiges Energiesystem tagtäglich stabil hält.

Langzeitspeicher 

Neben dem Problem der Netzstabilität und kurzfristigen Kapazitätsverschiebung, müssen auch saisonale Angebotsschwankungen ausgeglichen werden. Experten gehen von Wochen bis Monaten aus6, für die wir Langzeitspeicher benötigen. Wir sollten daher alle Optionen offenhalten, um die wechselnde Energieerzeugung auszugleichen. Besonders in den Wintermonaten, wenn die Sonneneinstrahlung gering und der Stromverbrauch hoch ist, ermöglichen Langzeitspeicher die Nutzung von Energieüberschüssen aus sonnen- und windreichen Zeiten. Im Gegensatz zu Kurzzeitspeichern zeichnen sich Langzeitspeicher durch hohe Energiespeicherkapazität bei vergleichsweise geringer Lade- und Entladeleistung aus. Technologisch kommen verschiedene Konzepte zum Einsatz. Große Hoffnungen werden auf Power-to-X (PtX)-Verfahren gesetzt, bei denen überschüssige elektrische Energie die chemischen Bindungen von Ausgangsstoffen verändert. Ein zentrales Beispiel ist die Elektrolyse, bei der Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff gespalten wird. Der Wasserstoff kann als Energieträger gespeichert werden, während der Sauerstoff entweicht. 
Bei Power-to-Liquid (PtL) werden überwiegend synthetische flüssige Kraftstoffe aus erneuerbarer Energie erzeugt.

Auch Großbatterien eignen sich, um Kapazitätsreserven im Stromnetz bereitzustellen. In Deutschland steigt die Zahl der Anträge für Netzanschlüsse solcher Speicher, getrieben durch fallende Batteriezellenpreise und die Chancen der EE-Integration. Die Wirtschaftlichkeit von Großbatterien hängt derzeit jedoch stark von Preissignalen an der Leipziger Strombörse (EEX) ab, da Betreiber nur bei hohen Differenzen zwischen Lastspitzen und Überschusszeiten wirtschaftlich handeln können. Ein echter Kapazitätsmarkt, in dem Großbatterien gezielt für Netzstabilität und Reserveleistung vergütet werden, ist bisher nicht vollständig etabliert. Für eine zuverlässige Bereitstellung wären stärkere Anreize, langfristige Vergütungsmechanismen und sichere Finanzierungsbedingungen notwendig. Nur so könnten Großbatterien systematisch als Planungssicherheit für das Stromnetz und zur Absicherung von Dunkelflauten eingesetzt werden. 

Fazit

Eine verlässliche, 100 % erneuerbare Energieversorgung erfordert ein integriertes System aus Erzeugung, Kurzzeit- und Langzeitspeichern sowie intelligentem Lastmanagement. Ohne Speicherlösungen bleibt die Vision einer vollständig erneuerbaren Stromversorgung ein fragiles Projekt – Speicher sind das Herzstück der Netzstabilität und der Schlüssel, um kurzfristig Stromangebote aus Wind und Sonne auszugleichen und um Dunkelflauten zu überbrücken. 

 

Fortsetzung: Schaubild