Die Freunde der Solarenergie werden zwischen Euphorie und Depression hin- und hergerissen. Während noch vor knapp zwei Jahren der Ausbau der Solarsiliziumproduktion als unüberwindlicher Engpass erschien, häufen sich jetzt die Meldungen darüber, dass weltweit neue Solarsiliziumfabriken aus dem Boden schießen. Kürzlich zählte zum Beispiel ein informativer Bericht in Sonne Wind & Wärme 9/06 weltweit 27 Firmen auf, die nach Einschätzung des Autors bis Ende 2010 jährlich ausreichend Silizium für Solarzellen mit einer Spitzenleistung von 11 Mio. kWpeak produzieren könnten.

Leider lässt der Autor aber nur Unternehmensberater zu Wort kommen, nach deren Einschätzung die derzeit verlangten Preise für das Solarsilizium zu hoch seien. Hier werden Unternehmerinteressen dargestellt. Um diese Behauptung zu verstehen, muss man schon ein wenig um die Ecke denken. Versetzen wir uns dazu einmal in die Lage eines Unternehmers, der bereits eine Siliziumfabrik betreibt oder eine Siliziumfabrik plant. Er möchte für sein Produkt möglichst hohe Marktpreise erzielen. Konkurrenz wäre dabei hinderlich. Ihm liegt deshalb daran, dass möglichst wenig andere Solarsiliziumfabriken errichtet werden. Und wie kann er das erreichen?

Er wird die zukünftig auf den Markt geworfenen Mengen als überwältigend darstellen, die zukünftige Nachfrage sowie die erzielbaren Preise und Gewinne dagegen klein reden. Wenn er jetzt noch nicht liefern kann, wird er außerdem versuchen, potentielle Käufer zum Abwarten zu bringen, bis seine eigenen Produktionsanlagen laufen. Besonders wirkungsvoll - wenn auch etwas anrüchig - ist es, schon heute die Preissenkungen des kommenden Jahres anzupreisen, um potentielle Käufer zum Abwarten zu bringen und sie daran zu hindern, bei der lieferfähigen Konkurrenz zu kaufen.

Zusammengefasst: Die Unternehmen, die sich in der Siliziumproduktion etablieren, erwecken gerne den Eindruck, es gäbe bereits genügend oder gar schon zu viele Siliziumfabriken. Dies gehört zum psychologischen Kampf um die Maximierung des eigenen Gewinns. Wir sollten uns durch solche Manöver aber nicht zu falschen Schlussfolgerungen verleiten lassen.

Der Solarenergie-Förderverein Deutschland beurteilt die Entwicklung auf dem Solarmarkt nicht nach dem Gewinninteresse einzelner Unternehmen, sondern unter dem Gesichtspunkt, dass jeder Fortschritt in der Solarenergiegewinnung ein Fortschritt im Kampf gegen die Klimakatastrophe ist. Aufgabe der Erneuerbaren Energien ist die vollständige Ablösung der fossilen und nuklearen Energien nicht nur in Deutschland sondern weltweit. Und ist diese Aufgabe mit dem Aufbau der geplanten Siliziumfabriken schon in etwa erledigt? Keinesfalls!

Es ist zwar müßig, schon im gegenwärtigen Stadium der Entwicklung den zukünftigen Anteil des Solarstroms an den Erneuerbaren Energien präzise festzulegen, aber eine vernünftige Größenordnung dessen, was noch vor uns liegt, lässt sich schon jetzt nennen.

  • Windstrom und Strom aus Biomasse, Wasserkraft und Geothermie werden einen großen Anteil übernehmen. Zumindest aber der private Stromverbrauch der Weltbevölkerung in den industrialisierten Ländern sollte doch durch Solarstrom vom eigenen Dach oder der eigenen Fassade gedeckt werden können. Das bedeutet dort einen Anteil der Solarenergie an der Stromversorgung von etwa einem Drittel.

Unter mitteleuropäischen Verhältnissen und in Japan genügt für die Deckung des privaten Stromverbrauchs einer Person eine Solarstromanlage von ein bis zwei Kilowattpeak Leistung. In den USA und in Kanada liegen die Bedarfszahlen höher. Gehen wir zur vorsichtigen Abschätzung des Gesamtbedarfs auch in diesen Ländern nur von einem persönlichen Bedarf von 1 Kilowattpeak pro Person aus. Die Bevölkerungszahl von Europa, Kanada, den USA und Japan liegt etwa bei 1.000 Mio., ihr Gesamtbedarf dort allein für den privaten Stromverbrauch also bei deutlich über 1.000 Mio. Kilowattpeak. Auch durch intensive Effizienzsteigerungen könnte dieser private Gesamtbedarf wohl kaum unter 500 Mio. Kilowattpeak gesenkt werden. Dieser Mindestbedarf ist aber immer noch etwa fünfzig mal so viel wie die im oben erwähnten Artikel prognostizierte Jahresproduktion.

Mindestens fünfzig weitere Jahre müsste man also warten, bis das erste Zwischenziel - Deckung des privaten Strombedarfs allein in den industrialisierten Ländern - erreicht ist. Und wenn wir auch noch die Bevölkerung von China und Indien sowie der Entwicklungsländer wenigstens mit einer Minimalausstattung an Solarmodulen versorgen wollen (die Weltbevölkerung liegt bei 7.000 Mio.), würde es noch länger dauern.

Wenn wir aber nicht so lange warten wollen, dann muss das Wachstum weiter gesteigert werden. Kein Anlass also, mit den Anstrengungen innezuhalten!

Nur der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass bei unserer Abschätzung noch nicht der Bedarf für die Erhaltungsproduktion berücksichtigt wurde, der sich daraus ergibt, dass Solarzellen nur eine begrenzte Lebensdauer haben und dass nach dem Aufbau einer Erstversorgung die alten Solaranlagen durch neue ersetzt werden müssen. Die Solarindustrie würde also auch nach dem Erreichen des von uns skizzierten Zieles nicht arbeitslos werden.

Keine Rede also davon, dass es nun genug sein könnte mit der Planung neuer Siliziumfabriken! Wir brauchen weitere Gewinnanreize! Große Aufgaben warten noch auf die Siliziumindustrie!