Unsere Erde ist ein fragiler Planet. Eigentlich besteht er nur zu einem kleinen Teil aus fester Erdmasse, die wie Eisschollen auf einem Kern aus flüssiger, heißer Magma treiben. Wie [[Bild 1, Bild 1]] zeigt, schlummert tief unter unseren Füßen mit dem flüssigen über 1000° C heißen Magmakern eine Wärmemasse, von der ein Bruchteil dazu ausreichen würde, dass wir nie wieder kalte Füße bekämen. Könnten wir diesen für menschliche Vorstellung unerschöpflichen Energievorrat der Geothermie nutzen, hätten wir eine zuverlässige, regelmäßige und konstante Energiequelle, die uns Tag und Nacht, Sommers wie Winters zur Verfügung stünde.

In manchen Gegenden der Welt tritt diese Kraft unmittelbar zu Tage und kann bequem genutzt werden. Island, beispielsweise, kann nahezu seinen gesamten Energiebedarf aus Geothermie decken und sogar energieintensive Industrien wie die Aluminiumherstellung davon unterhalten. Aber wie sehen heutzutage und in naher Zukunft die technischen Möglichkeiten aus, dieses Potential auch bei uns zu nutzen? Hinweise zur Beantwortung finden sich in einem Sachstandsbereicht des Deutschen Bundestages aus dem Jahre 2003 , dessen Inhalt die Grundlage dieses Artikels ist. Im Schwerpunkt steht dabei die elektrische Energieerzeugung.

Schnitt durch unsere Erde
Bild 1: Schnitt durch unsere Erde (aus ).

Derjenige Leser, der im Geiste schon bei Wuppertal die flüssige Magma aus dem Bohrloch sprudeln sieht, muss leider enttäuscht werden. In unseren Gegenden ist die Erdkruste mit 30 km zu dick, als dass der Bereich des flüssigen Erdkerns mit heutigen technischen Mitteln erreicht werden könnte. Allerdings sind durchaus Tiefen erreichbar, in denen nutzbare Wärme zu gewinnen ist. Die Temperatur nimmt mit der Tiefe durchschnittlich etwa 3°C pro 100 m zu. Daraus ergeben sich für die Nutzung der Erdwärme in unseren Breiten grob drei Bereiche:

Oberer Bereich: Nahe der Oberfläche ist die Temperatur vergleichsweise gering. Einige Meter im Boden beträgt sie im Durchschnitt etwa 10°C. Das reicht nicht aus, direkt ein Haus zu heizen oder gar warmes Wasser zu erzeugen. In diesem Bereich ist daher nur eine passive Wärmenutzung möglich, indem man dem Erdreich mit Wärmepumpen Wärmeenergie entzieht. Ohne zusätzlichen Energieeinsatz kann hier keine Wärme gewonnen werden. Auch die Erzeugung elektrischer Energie ist nicht möglich.

Mittlerer Bereich: Im mittleren Tiefenbereich ab etwa 1000 m ist eine aktive Wärmenutzung möglich, da die Temperatur des Erdreiches dort 40°C übersteigt. Solche Temperaturen machen es möglich, direkt mit Erdwärme zu heizen oder warmes Brauchwasser zu erzeugen, ohne dass eine Wärmepumpe benötigt wird. Erzeugung elektrischer Energie ist zwar theoretisch möglich, aber durch den nur kleinen Temperaturunterschied zur Umgebung an der Oberfläche ist der Wirkungsgrad viel zu gering.

Unterer Bereich:
Ab einer Temperatur von etwa 100°C ist die Erzeugung elektrischer Energie möglich. Dieser Bereich fängt je nach Gegend etwa bei 3000 m Tiefe an. Höhere Temperaturen von 120°C bis 140°C oder mehr sind allerdings erwünscht, denn mit der Temperatur steigt der Wirkungsgrad. Bis zu 7000 m ist es derzeit technisch möglich zu bohren.

Obwohl sich tief unter uns der flüssige, heiße Erdkern befindet, verbrennen wir uns nicht die Füße, denn das Gestein der Erdkruste ist ein schlechter Wärmeleiter. Daher beträgt der Wärmefluss aus dem Erdinneren zur Oberfläche nur 0.07 W/m². Zum Vergleich: Die Sonne liefert etwa 1000 W/m², also mehr als vier Größenordungen mehr Energie pro Fläche. Die Erdwärme dicht unter der Oberfläche stammt also fast ausschließlich von der Sonne. Trotzdem sind die tiefen Erdschichten nutzbar, denn die derzeit dort gespeicherte Energiemenge ist enorm. Ein Gesteinsblock von 1 km x 1 km mit 7 km Tiefe enthält etwa 10% des deutschen Jahreswärmebedarfs. Damit könnte der Energiebedarf an Strom und Wärme einer darüber liegenden Kleinstadt für Jahrhunderte gedeckt werden. In diesem Sinne steht eine Erdwärmenutzung tieferer Schichten in unseren Breiten immer für "lokalen Abbau" der gespeicherten Wärmeenergie. Geothermische Energie kann bei uns also nur in einem weiteren Sinne zu den regenerativen Energien gerechnet werden.

Insgesamt könnte man in Deutschland eine Energiemenge aus dem Boden holen, mit der sich eine Strommenge herstellen lässt, die dem 600fachen deutschen Jahresstrombedarf von ca. 2 EJ (Exa-Joule) entspricht, denn das technische Gesamtpotenzial zur geothermischen Stromerzeugung liegt bei ca. 1200 EJ (etwa 300 000 TWh). Das zusätzliche Potenzial an thermischer Energie (Wärme bei Kraft-Wärme-Kopplung) beträgt das 1,5fache bis 2,5fache des Strompotenzials. Verteilt auf 1000 Jahre, um Nachhaltigkeitsaspekten genüge zu tun, ließe sich etwa die Hälfte des deutschen Stromverbrauchs durch Geothermie erzeugen. Damit wäre in etwa der Grundlastanteil gedeckt.

Aus ökologischer Sicht, und vor allem auch aus Kostengründen, wäre jedoch eine Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) der Anlagen wünschenswert. Würde der gesamte Wärmebedarf Deutschlands durch geothermische KWK-Anlagen bereitgestellt (und nicht mehr), so würden diese Anlagen außer der Wärmeerzeugung mit 140 TWh/a rund 1/4 des deutschen Strombedarfs decken. Dazu sind jedoch Fernwärmenetze notwendig. Betrachtet man alle geothermischen Anlagen, die an bestehende Fernwärmenetze angeschlossen werden könnten, so ergäben sich lediglich 10 TWh/a, also etwa 2% der jährlichen Stromerzeugung in Deutschland. Je nach Sichtweise kann die Geothermie also einen großen oder einen fast vernachlässigbaren Beitrag zur deutschen Stromerzeugung liefern.

Die Nutzung der Erdwärme erfolgt typischerweise durch zwei Bohrlöcher, wobei eines etwas schräg angesetzt wird, so dass sie in der Tiefe einen gewissen Abstand von etlichen 100 m haben (siehe Bild 2). Durch das eine Loch wird kaltes Wasser hinuntergepumpt, und durch das andere steigt es als heißes Wasser wieder herauf. Dazu muss das heiße Gestein zwischen den Bohrlöchern wasserdurchlässig sein. Wasserführende Schichten ("Aquifere") sowie sogenannte "Störungszonen" sind das von Natur aus. Diese machen jedoch nur etwa 5% des technischen Potenzials aus. Der weitaus größte Teil besteht aus kristallinem Gestein ("Hot-Dry-Rock", HDR), das erst mit entsprechenden Verfahren für die Geothermie zugänglich gemacht muss. Durch hohen Wasserdruck oder Sprengungen werden dabei für das Wasser Kanäle geschaffen. Während die geothermische Nutzung von wasserführenden Schichten und Störungszonen heute beherrscht wird, steht die Nutzung der Hot-Dry-Rock-Gesteine noch am Anfang der technischen Entwicklung.


Bild 2: Typischer Aufbau eines geothermischen Kraftwerks (Anklicken für höhere Auflösung).

Insgesamt steckt die technische Nutzung aktiver Erdwärme noch in den Kinderschuhen. Jedoch gibt es erste Beispiele für einen Aufbruch in der Branche:

In Aachen wird in Zukunft die neue Verwaltungszentrale der RWTH (für Insider: das sog. "Super-C") mit Geothermie beheizt werden ; eine Tiefenbohrung auf über 2500 m ist schon erfolgt.

Auch die Entwicklung bei der geothermischen Stromerzeugung steht noch am Anfang. Es gibt erste Projekte, wie beispielsweise in Neustadt-Glewe, Mecklenburg-Vorpommern, mit einer 250 kW-Anlage . Ein weiteres Beispiel gibt es am Oberrhein, einer Gegend wo schon bei vergleichsweise geringen Tiefen hohe Temperaturen vorhanden sind. Bei Landau in der Oberpfalz wird zur Zeit ein geothermisches Kraftwerk errichtet, das ab 2007 mit einer Leistung 2 MW bis 2,5 MW Strom erzeugen soll .

Als Fazit bleibt festzuhalten, dass die Nutzung aktiver Geothermie zwar noch am Anfang steht, dass sie jedoch ein beachtenswertes Potenzial zur Energieversorgung in Deutschland hat.


[[Refer]]

Referenzen:

[1] H. Paschen, D. Oertel, R. Grünwald, "Möglichkeiten geothermischer Stromerzeugung in Deutschland - Sachstandsbericht", TAB-Arbeitsbericht, Deutscher Bundestag Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung, A-Drs. 15(17)70, Feb. 2003, http://www.tab-beim-bundestag.de/de/untersuchungen/u084.html

[2] Geologischer Dienst NRW, Website: http://www.gd.nrw.de/zip/a_pjgt01.pdf

[3] http://www.superc.rwth-aachen.de

[4] http://www.geothermie.de/ng-brossmann.pdf

[5] Geothermische Vereinigung e.V., http://www.energieportal24.de/artikel_1488.htm

[6] Aus: Wikipedia, Stichwort Geothermie: Picture taken with the friendly permission of Siemens Germany by Christian Kuhna, E-Mail: christian.kuhna@siemens.com. Copyright "Siemens Pressebild" http://www.siemens.com.

[[Leser]]

Leserbrief:

Sehr geehrter Herr Waffenschmidt,

als aktiver Förderer der Erneuerbaren Energien verfolge ich auch die Artikel zum Thema Geothermie. Aus meiner Sicht ist Geothermie im eigentlichen Sinne keine Erneuerbare Energie, da Wärmeenergie einem Speicher (dem Erdinneren) irreversibel entnommen wird. Genau an diesem Punkt bin ich auch hinsichtlich der Geothermie etwas skeptisch:
Wie Sie schreiben, ist "unsere Erde ein fragiler Planet". Wenn nun an einigen wenigen Stellen dem Erdinneren "geothermische" Energie entnommen wird, ist dies sicherlich so unerheblich wie die Feuerstelle unserer Vorväter für die CO2-Konzentration in der Atmosphäre. Sollte die Geothermie eines Tages die Größenordnung der Verbrennung fossiler Energieträger erreichen, frage ich mich, ob dann nicht unter Umständen mit Änderungen der Wärmeverteilung im Erdinneren zu rechnen ist, die zu messbaren Spannung im Erdmantel und damit vielleicht zu Erdbeben oder anderen unerwünschten Erscheinungen führt?
Sind Ihnen diesbezügliche Betrachtungen bekannt?

Mit freundlichen Grüßen
A. Krejsa / Strausberg

Sehr geehrter Herr Krejsa,

ich habe mich sehr über Ihren Brief gefreut. Es tut gut zu erfahren, dass ein mühevoll getippter Artikel auch gelesen wird. Besonders freut es mich dann, wenn jemand nicht einfach nur darüber hinwegliest, sondern sich tiefere Gedanken um den Inhalt macht, wie Sie. Darum habe ich mich auch hingesetzt und nachgelesen und -gedacht, um auf Ihre Bedenken eingehen zu können.

Zunächst einmal stimme ich Ihnen zu, dass "Geothermie im eigentlichen Sinne keine Erneuerbare Energie" ist, wie ich ja auch schon mit ähnlichen Worten in meinem Artikel bemerkt habe.

Sie schreiben allerdings bei der Begründung, dass dem Erdinnern die Energie "irreversibel" entnommen wird. Grundsätzlich und letztendlich haben Sie damit Recht (sozusagen formaljuristisch), aber ich möchte diesen Punkt ein wenig ausführlicher beleuchten, damit es nicht zu Missverständnissen kommt.

Die Nutzung der Geothermie, auf die ich mich beziehe, sieht vor, Wärmeenergie aus der Erdkruste in 3 km bis 7 km zu entnehmen. Dabei würde dem genutzten Bereich mehr Wärme entzogen als aus dem tiefen Erdkern nachfließen kann, sodass sich der Bereich während der Nutzung abkühlt. Wenn der Bereich ausgekühlt ist, wird die geothermische Nutzung eingestellt. Dieser Prozess ist nicht endgültig irreversibel, da der Untergrund sich nach der Nutzung durch den natürlichen Wärmefluß aus dem Erdkern wieder aufwärmen kann. Allerdings kann man ausrechnen, dass es bei dem geringen Wärmestrom von 70mW/m² einige Jahrhunderte bis Jahrtausende dauern wird, bis die Wärmeenergie nachgeflossen ist. Eine nachhaltige Nutzung ist daher nicht möglich. Die Wärme, die aus dem Erdinneren nachfließt, ist natürlich irreversibel verloren (Hierauf beziehe ich mich, wenn ich vorher geschrieben hatte, dass Sie Recht haben, mit der Behauptung, der Prozess sei irreversibel). Allerdings geht diese Wärme sowieso auf natürliche Weise seit Milliarden Jahren irreversibel verloren. Alle Modelle gehen von einem weiterhin konstanten Wärmefluß aus dem Erdinnern aus, woraus man ersehen kann, dass der Wärmeverlust der Erde nicht zunehmen wird.

In dem Zusammenhang muß man auch bemerken, dass nur ein geringer Teil der gespeicherten Wärme ausreicht, um signifikante Mengen an Energie zu nutzen. Das technische Gesamtpotential des 600-fachen Jahresstrombedarfs wurde unter der Randbedingung abgeschätzt, dass im Mittel nur rund 5% der vorhandenen Wärmeenergie genutzt wird.

Zu Ihren Bedenken hinsichtlich der Wärmeverteilungs-Änderung möchte ich zunächst aus dem Sachstandsberichtes des Deutschen Bundestages (auf den ich mich auch in meinem Artikel berufe) zitieren. In Kapitel V.3.2 schreiben die Autoren:
"Eine Abkühlung des Untergrundes wird zu Veränderungen der Chemie im Reservoir - mit allen damit verbundenen Effekten - führen. Da sich dies aber in großer Tiefe abspielt und i. Allg. keine Verbindung mit der Biosphäre besteht, sind Umwelteffekte auf Flora und Fauna bisher nicht bekannt geworden.
Durch lokale Auskühlung des Untergrundes oder durch Änderung des Porendruckes im Gestein kann es zu mikroseismischen Erscheinungen kommen. Bei den Versuchen in Soultz-sous-Forêts wurde Mikroseismizität bisher jedoch nur bei den Stimulationen und damit bei der Erzeugung des Wärmetauschers und nicht bei der Zirkulation beobachtet. In seismisch labilen Zonen könnten durch diese Mikroseismizität kleine Erdbeben vor ihrem natürlichen Eintritt angestoßen werden. Dies ist in der Praxis jedoch sehr unwahrscheinlich, da solche Lokationen bei einer Standortuntersuchung bzw. spätestens bei den in situ durchgeführten Spannungsmessungen auffallen würden.
Eine Kontraktion der Speicherschichten aufgrund der Abkühlung des Gesteins kann theoretisch zu einer Absenkung der Erdoberfläche führen. Solche Absenkungen werden allerdings nur innerhalb sehr langer Zeiträume und in sehr geringem Umfang auftreten. Verglichen mit Absenkungen, wie sie aus dem Bergbau bzw. aus der Erdöl- und Erdgasförderung bekannt sind, sind diese Auswirkungen vernachlässigbar. Eine Schädigung der Gebäudeinfrastruktur durch Absenkungen ist damit sehr unwahrscheinlich."

Da ich auch wie sie mistrauisch bin, habe ich einmal abgeschätzt, um wieviel sich der Boden durch die Abkühlung absenken mag. Dazu habe ich für einen Block der Dicke von 4000m (Bereich 3 km bis 7 km) angenommen, dass 5% der Wärmeenergie entnommen wird (s.o.). Da die Wärmeenergie proportional zur Temperatur ist, entspricht das dann im Mittel 5°C Abkühlung (5% von 100°C Temperaturdifferenz zur Oberfläche). Mit einem Wärmeausdehnungskoeffizient von 3ppm/K (lt. Wikipedia für Granit) ergibt sich eine Längenänderung von 6 cm. Das scheint mir wirklich vernachlässigbar zu sein.

Insgesamt halte ich persönlich die Auswirkungen der Geothermie, so wie die Nutzung in dem Bericht beschrieben ist, für unkritisch. Und die potentielle Erzeugung des gesamten Strombedarfes sowie eines großen Teils des Wärmebedarfs ist energetisch sicherlich nicht vernachlässigbar und fast schon in der Größenordnung unseres Verbrauchs an fossilen Energieträgern. Wirklich bedenklich finde ich nur, dass auf diese Weise keine nachhaltige Nutzung möglich ist.

Möglicherweise anders mag es aussehen, wenn es möglich würde, direkt den Erdkern anzubohren, nachhaltig die benötigte Energie aus dem Innern zu holen und damit den Wärmefluß zur Oberfläche zu erhöhen. Aber da bin ich überfragt, was die Auswirkungen angehen mag. Man müsste das mal im Vergleich zu der Energiemenge sehen, die Vulkane jährlich ausspucken. Bedenken, dass unsere Enkelkinder dann auf einem ausgekühlten Eisbrocken sitzen bleiben habe ich nicht, denn die im kompletten Erdkern gespeicheter Energie ist gewaltig. Aber da es noch Science-Fiction ist, "in Wuppertal die flüssige Magma aus dem Bohrloch sprudeln zu sehen", bleiben auch die Auswirkungen darauf Spekulationen.

Ich hoffe, meine Antworten helfen Ihnen weiter. Wenn Sie noch weitere Fragen oder Anmerkungen haben, schreiben Sie ruhig zurück, gerne auch als E-Mail.

Mit freundlichen Grüßen,
E. Waffenschmidt