„Ich bin so wütend, dass wir trotz unserer Intelligenz in dieser Lage sind!“ In diesem Satz einer Workshop-Teilnehmerin gipfelt eine Runde unseres World Cafés, in der es um die emotionalen Aspekte rund um Ursachen und Auswirkungen der Klimaerwärmung geht. Zuvor sind Stichworte wie „Naturzerstörung“, „Artensterben“, „Profitgier“ und „falsche Subventionen“ gefallen.

München, im Univiertel. Ana Zirner (anasways.com) und ich (andreas-sanders.com) sind mit unserem Klimaworkshop für Unternehmen in einer der Top10 Agenturen für Design und Kommunikation in Deutschland. Kennengelernt haben Ana und ich uns bei einer öffentlichen Klimaveranstaltung in Prien am Chiemsee. Ana hat sie moderiert. Ich habe damals mit einem Impulsreferat über die Klimakrise eröffnet. Wissenschaftliche Hintergründe, wo stehen wir, worauf steuern wir zu, welche Aufgaben stehen vor uns, warum sind sie so groß geworden, und was kann jeder einzelne tun. Auch da gab es dann im Laufe des Abends das World Café. Eine Station hieß „Meine Utopie für eine bessere Welt“. Dort konnten alle Teilnehmer ihre Wunschwelt skizzieren.

Kurz darauf gab es eine Anfrage, ob wir die Veranstaltung auch in einem Unternehmen durchführen könnten. Klar! Wir haben uns zusammengesetzt, das Konzept überarbeitet und bald darauf standen wir vor den Mitarbeitern der Agentur für Design und Kommunikation, von unserer Sache überzeugt – aber eine Frage lag uns im Bauch. Was werden die Top-Designer zum Design unserer Präsentationen sagen?  

Am Anfang sind die World-Café-Gruppen noch etwas zurückhaltend. Es gibt verschiedene Themen und in festen Zeitintervallen wechseln die Teilnehmer zu anderen Themen-Tischen. Nur am „Emotionen“-Tisch gibt es gleich regen Austausch. Ana und ich gehen von Anfang an in die Gruppen und setzen Impulse, die die Diskussionen überall in Gang bringen. Bei „Selbstreflektion“ reden die Beteiligten am Tisch zum Beispiel darüber, warum und wo sie entgegen besseren Wissens handeln. Am „Diskurs“-Tisch geht es z.B. darum, ob das Thema Klimawandel aktuell nervt, und falls ja, wie es konkret dazu kommt. Eine andere Frage ist, ob man sich überhaupt damit auseinandersetzen will bzw. wie viel oder wenig. Am „Utopien“-Tisch geht es wie immer anfangs am zaghaftesten zu. Nach „Ich wünsche mir, dass mehr Leute Fahrrad fahren“ und „Ich wünsche mir eine Welt, in der weniger verschwendet wird“ frage ich: „Sind dass denn wirklich Utopien?“ An den Gesichtsausdrücken und manchem Schmunzeln erkenne ich, dass den Teilnehmern ihre Zurückhaltung bewusst wird. Den Moment nutze ich und sage: „Also, eine meiner schönsten Utopien ist, dass sich die Menschen global so entwickeln und mit gemeinsamen Werten aufeinander zugehen, dass Politiker sehr bald überflüssig werden.“ Für dieses Bild einer Wunschwelt schauen mich einen Moment lang rund um den Tisch große Augen an. Dann bewegt die Dreistigkeit in meiner Aussage die Mundwinkel der Teilnehmer nach oben.

Und dann sprudelt es los:  

„Weg mit wachstumsgetriebenem Kapitalismus!“ und  

„Industrie und Kapital arbeiten nur noch gemeinnützig!“ und  

„Jedes Gesetz wird von einem wissenschaftlichen und einem ethischen Rat überprüft!“  

„Ja, und wirkliche Mitbestimmung durch die Bevölkerung!“  

„Armut und Reichtum müssen weg!“  

„Und Waffen auch!“.  

Die Protokollschreiberin der Runde kommt kaum noch mit.

Ana und ich schauen uns an, grinsen und freuen uns. Diesen Effekt kennen wir schon seit unserer ersten gemeinsamen Veranstaltung. Ana schickt bei jeder Veranstaltung voraus, dass es nicht um political correctness geht. Es geht nicht darum, in irgendwas besonders „gut“ oder „fortschrittlich“ zu sein, sondern es geht erstmal nur darum, ehrlich zu sein. Auch damit, wo wir stehen und warum wir dort stehen.

Wir kennen auch schon das Dilemma und Ohnmachtsgefühl, das viele Teilnehmer der Klimaveranstaltungen beschreiben. Da sind z.B. der empfundene Mangel an zuverlässigen Informationen, dazu die inzwischen von jedem beobachtbaren Auswirkungen der Klimaerwärmung und die Nachrichten über bevorstehende weitere Gefahren. Andererseits ist da der Wille, durch eigenes Verhalten und eigene Entwicklung möglichst klima- und umweltschonend zu wirken. Verstärkend kommt noch das oft beschriebene Gefühl hinzu, dass diejenigen die Folgen werden ausbaden müssen, die nur wenig für die Situation können, und dass von den Menschen wie du und ich kaum einer gefragt wird oder wirklich Einfluss nehmen könnte. Da schwingt viel Enttäuschung mit, über die immer offenkundiger werdenden Mängel in der Ausgestaltung von Demokratie.

 

Berglandschaft

Der andauernde Mangel an angemessenem politischen Handeln suggeriert, dass die Klimakrise schon nicht so schlimm sei. Obwohl die zu Klima forschenden Wissenschaftler unermüdlich bekräftigen, dass die Klimaerhitzung sogar sehr schlimm ist und vielfältig mit anderen Katastrophen wie z.B. Artensterben, Dürren, und Extremwetter verknüpft ist.

Verunsicherung ist das Resultat. Auch eine wachsende Zahl von Menschen, die für Unternehmen in Gesamtverantwortung stehen, beschreiben ihre Situation so. Besonders diejenigen, die auch ihre Verantwortung den Menschen gegenüber ernst nehmen. Und wenn sie das sogar über den Unternehmensrahmen hinaus tun, umso stärker wird die Verunsicherung empfunden. Da stehen einerseits derart motivierte Überlegungen, andererseits aber die Situation verharmlosende Normierungen und die wirtschaftliche Verantwortung. Letztere ist jedoch in einer völlig veralteten krisenfördernden Ordnung gefangen. Was ein Teil der Unternehmensverantwortlichen längst sieht, wird von politisch Verantwortlichen weitgehend ignoriert. Immer wieder drängt sich der Eindruck auf, diese Ignoranz dient dem Schutz von vermeintlichen Schwergewichten des untauglich gewordenen Wirtschaftsgefüges.

Als Karikatur dargestellt, sehe ich da einen Wirtschaftsminister, der sich in Gestalt eines Sumoringers auf nachhaltigkeits- und gemeinwohlorientierte Unternehmer wirft, während hinter ihm fossile, sprichwörtliche Zigarren rauchende, graue alte Männer noch mehr schädliche Subventionen aus der allgemeinen Steuerkasse plündern.

Ein bedeutender Gedanke hinter unserem Angebot ist, Unternehmen zu unterstützen, die im Spannungsfeld zwischen der beschriebenen Verunsicherung und ihrem eigenen Veränderungswillen stehen. Wir wollen Orientierungshilfen geben, Kräfte aktivieren, Möglichkeiten zeigen, aktiv begleiten.

Agentur für Design und Kommunikation, in der Werkstatt. „Das riecht erdig, fühlt sich etwas feucht und weich an und die Blätter knistern wenn sie brechen.“ Einer der Teilnehmer steht an der Schale mit Waldboden und hat einen Teil daraus mit beiden Händen gegriffen und erforscht. Zwischen Daumen und Fingern zuerst vorsichtig gerieben, dann die ganze Probe zur Nase gehoben und schließlich mit geneigtem Kopf bei festerem Zugreifen gelauscht.  

Waldboden ist eine wundervolle Naturerfahrung. Substrat für ständiges Entstehen und Vergehen. Ort ständiger Erneuerung. Ein kleiner Kreislauf, verknüpft mit anderen Kreisläufen.

Daneben steht eine Schale mit unterschiedlichen Gesteinen und Kieseln und Sand. Auch das ergibt einen Kreislauf.

In noch einer anderen Schale ist Wasser. Darin steht ein Eisblock und schmilzt langsam. Wasser ist das Medium, das alles andere verbindet. Noch ein Kreislauf. Es erodiert, transportiert, aus darin gelösten Stoffen kann Neues entstehen. Zum Beispiel Kalkschalen von Meeresbewohnern. Wasser steht überhaupt für Leben.

Die Workshop-Teilnehmer sehen, tasten, riechen, hören und schmecken sogar was in den Schalen im Raum verteilt steht. Dieses Erkunden mit allen Sinnen ist eine Anleihe aus meinen GAIATOR-Erlebnissen (gaiator.de). Da bin ich mit Gruppen in der Natur unterwegs und wir erkunden an Ort und Stelle die Kreisläufe, die alles Geschehen in der Natur verbinden. Ob draußen oder im Workshop, die Erfahrung von Natur mit allen Sinnen ist gleichzeitig Besinnung. Das ist auch gemeint als „mit Sinn erfüllen“.  

Diese Erlebnisse sind ganz bewusst als Kontrast zu den gewohnten Mechanismen des unternehmerischen bzw. insgesamt wirtschaftlichen Geschehens gesetzt.

Alles was uns Menschen ausmacht kommt aus der Natur. Jedes Atom in uns stammt aus der Natur und ihrer langen Entwicklungsgeschichte. Mit allem was uns ausmacht ist jeder Mensch Teil der großen Kreisläufe der Natur. Von ihr abhängig und sie beeinflussend. Genau so wie jede Pflanze, jedes Tier, wie jeder Fels, wie das Wasser und die Luft.

Wir atmen den Sauerstoff, den schon die Pflanzen des Karbon vor über 300 Millionen Jahren freigesetzt haben. Wir trinken das Wasser, das schon die Dinosaurier vor 150 Millionen Jahren getrunken haben. Unser Blut enthält Eisen, das aus der Zeit der Entstehung der Erde stammt.

Die Verbindung zu vielem was in uns existiert ist im Zuge ‚moderner‘ Entwicklungen überlagert und verschüttet worden. Die Verbindung mit unserer Herkunft ist was zunehmend mehr Menschen vermissen.

 

Pilze

Natur ist Ausgleich. Alles was in der Natur passiert beruht auf Ausgleich.

Design-Werkstatt, die „Stille Runde“. Eigentlich soll der Inhalt gar nicht mit den anderen geteilt werden. Manche erzählen aber, was sie geschrieben haben.  

„Avocados und die weittransportierten exotischen Früchte kommen nicht mehr in den Einkaufswagen.“  

Alle Workshop-Teilnehmer haben auf einem kleinen Zettel notiert, was sie konkret ändern wollen. Jeder für sich. Die Zettel sollen in die Hosentaschen oder Geldbörsen, als symbolische Erinnerung.  

„Das wird schwer, aber ich werde meinen Konsum deutlich reduzieren. Ich will mich nicht mehr so manipulieren lassen von der vielen Werbung.“

Wir ermutigen, ruhig erst einmal mit einem kleinen konkreten Vorhaben zu beginnen. Erfolgserlebnisse helfen weiter zum nächsten Schritt. Wenn die regelmäßig folgen, ist das besser als langes Kämpfen mit einem großen selbstgesteckten Ziel.

So geht es nahtlos in die Plenumsrunde über, in der auch die Agentur und das Arbeitsumfeld in den Fokus kommen.

„Lasst uns alle mehr darauf achten, dass nicht immer überall das Licht brennt.“

„Wir können mal besprechen, ob sich nicht ein Teil der Geschäftsreisen durch Online-Konferenzen ersetzen lässt.“

„Ich werde häufiger mit dem Rad zur Arbeit kommen.“

In einen stillen Moment hinein sagt jemand: „Und ich werde meine Sinne weiter aktivieren, das war schön heute. Zurück zur Natur!“

Gegen Ende des Workshops sind wir begeistert wie viel in Bewegung geraten und wie gut die Stimmung dabei ist. „Nachdenklich“ und „sehr motiviert“ sind die häufigsten Selbsteinschätzungen beim Abschlussplenum. Manche fanden den Teil der einleitenden Präsentation, in dem ich eine Bestandsaufnahme mache, wo wir in der Klimaerwärmung stehen, erschütternd. „Aber es ist gut, dass wir endlich informiert sind.“ Ana konnte neue Blickwinkel eröffnen und Wertschätzung für die Verbindung zwischen Mensch und Natur stärken.

Am nächsten Nachmittag erreicht uns die schönste Reaktion. In einem Anruf aus der Agentur für Design und Kommunikation erfahren wir, dass sich schon den ganzen Tag lang immer wieder Gruppen zusammengefunden und über Abläufe und Gewohnheiten in der Agentur gesprochen haben. Klimabewusst hatte die Geschäftsführung zuvor schon einiges entschieden. Zum Beispiel die 100 Prozent regenerative Stromversorgung. Aber es gibt einige weitere Vorschläge für klima- und umweltpositive Veränderungen. Eine Nachfolgeveranstaltung mit Ana und mir soll es auch geben. Ach ja, und das Design unserer Präsentation, das hat gefallen.

Individuelle und kollektive Verhaltensweisen, die in Zeiten der Klimakrise nicht mehr tragbar sind, basieren oft auf Gewohnheiten. Das ist ein tückischer Aspekt. Veränderung kann erst passieren, wenn die bequem gewordenen Gewohnheiten erkannt werden. Oder sie ist auf Grund von Vorschriften und Verboten von außen erzwungen. Letzteres provoziert Widerstand. Ersteres braucht vorwurfs- und urteilsfreien Raum.  

Ana und ich, wir sind beide tief mit der Natur verwurzelt. Und wir blicken beide aus Perspektiven abseits des Mainstream. Wir sind Beobachter und denken ausgeprägt vernetzt. Das fließt in unsere Workshops ein. Urteilsfrei, interaktiv, und mit breitem fachlichem Hintergrund schaffen wir den Raum für klima- und umweltpositive Entwicklung.  

Damit gehen wir einen Weg, der sich von anderen Umweltberatungen grundlegend unterscheidet. Eine Beratung, die zahlenbasiert „von außen“ Veränderungen hin zu mehr Klima- und Umweltschutz in ein Unternehmen tragen will, steht fast immer vor Akzeptanzhürden. Das ist eine Kritik, die auch im Zusammenhang mit Umwelt-Zertifizierungsverfahren zu finden ist. Ein dauerhafter Erfolg stellt sich jedoch nur ein, wenn die Mitarbeiter Veränderungen geschlossen mittragen.

Unser Weg besteht deshalb darin, die Mitarbeiter von Unternehmen einzuladen, zu unterstützen und kompetent zu begleiten, ihr Unternehmen selbst zu analysieren. Kaum jemand könnte das besser als die im Unternehmen Tätigen mit all ihren Erfahrungen. Das ist der niedrigstschwellige Ansatz, die Unternehmensentwicklung erfolgreich zu machen. Es ist der Erfolg aller beteiligten Mitarbeiter. Wir steuern die benötigten Informationen bei, achten auf Perspektivvielfalt und sorgen für die Erlebnisatmosphäre.  

Da in den meisten Unternehmen nicht die zeitlichen und personellen Kapazitäten frei sind für die Umsetzung der Maßnahmen, bieten wir als zweites Modul an, den Entwicklungsprozess zu begleiten. In loser Folge oder intensiv über einen vereinbarten Zeitraum, mit definierten Etappenzielen. Begleiten heißt zum Beispiel, Detailerhebungen im Unternehmen durchzuführen, unternehmensspezifisch bestmögliche Lösungen zu recherchieren, oder auch die Umsetzung von Maßnahmen zu koordinieren etc. Alle Schritte immer in enger Kommunikation mit Mitarbeitern und Geschäftsführung.

Nachhaltigkeit ist zu einem vielgeschundenen Wort geworden. Wir sind überzeugt, dass wir mit unserer Arbeit Menschen unterstützen können, wirklich etwas von Dauer und allgemeinem Nutzen zu erschaffen.