Beginnen möchte ich mit einem Beispiel:
Bei einer Diskussion zur nationalen CO2-Besteuerung von fossilen Brenn- und Treibstoffen kam die Frage auf, ob die Bundesrepublik im Kampf gegen den Klimawandel berechtigt sei, die Öl-, Gas- und Kohlelieferungen aus anderen europäischen Ländern beim Überschreiten der deutschen Grenze mit einer CO2-Steuer zu belasten.

Dies sei nicht zulässig, hieß es in der nämlichen Diskussion, denn die Europäische Gemeinschaft sei eine Handels-Gemeinschaft, deren oberstes Ziel der (steuer-)freie Austausch von Waren über die europäischen Binnengrenzen hinweg sei.

Auch in vielen anderen Zusammenhängen wird der freie Warenaustausch als oberstes Ziel genannt und als schlagendes Argument akzeptiert.

Um dieses "oberste Ziel" soll es heute gehen. Der freie Markt - das Glaubensbekenntnis der Neoliberalen.

Der Begriff "Neoliberal" wird in zig verschiedenen Bedeutungen gebraucht. Das Internet ist voll von Definitionen, was denn nun "neoliberal" sei. Ich selber gebrauche es hier als Bezeichnung für die tonangebenden Wirtschaftspolitiker, die zur Verteidigung ihrer klimafeindlichen Wirtschaftspolitik bisweilen von der "unsichtbaren Hand" des freien Marktes faseln, der sogar die egoistische Verfolgung der einander widerstreitenden Eigeninteressen zu einem für alle (oder war es nur für die Mehrheit?) positivem Endergebnis führen könne.

Das Wort von der unsichtbaren Hand, stammt aus Adam Smith' Werk "Der Reichtum der Nationen". Ob Adam Smith dies möglicherweise ironisch gemeint hat, tut hier nichts zur Sache.
Die Neoliberalen von heute behaupten jedenfalls unerschrocken, dass der Wettbewerb - wenn er sich nur frei genug entwickeln kann - letztlich zum Nutzen aller Teilnehmer sei. Sie sprechen damit dem Markt schon nahezu göttliche Fähigkeiten zu, übersehen dabei aber etwas ganz trivial Entscheidendes:

Der "freie Markt" ist zukunftsblind!

Der freie Markt reagiert nicht auf zukünftige Gefahren und der Begriff Vorsorge für die Gemeinschaft ist ihm fremd.

Die Markt-Gläubigen, die da glauben, man könne in einem markt-gesteuerten System den Klimawandel abwehren, irren sich gewaltig. Der freie Markt kann nicht diejenigen belohnen, die sich z.B. eine große Solaranlage und ein Windrad und einen effizienten Energiespeicher anschaffen. Und die Naturgesetze kennen keine Moral und auch kein Erbarmen; sie reißen alle - ob schuldig oder unschuldig - mit in den Strudel der Klimakatastrophe.

Es wird deshalb höchste Zeit, dass wir erkennen, wie der freie Markt das Verhalten der überwiegenden Mehrzahl in die falsche Richtung lenkt:

  • Billige, seit hundert Jahren etablierte Fossil-Energie,
  • Autos mit immer PS-stärkeren Verbrennungsmotoren,
  • Landwirtschaft ohne Rücksicht auf Natur-, Umwelt- und Tierschutz

sind einige der verheerenden Folgen des freien Marktes.
Noch einmal: Wir müssen endlich erkennen, dass der freie Markt uns direkt in den Klimawandel treibt. Auf keinen Fall kann man deshalb mit der Gesetzgebung des freien Marktes die Klima-Katastrophe verhindern.
Auch die kleinen Schritte in die Gegenrichtung (die "richtige Richtung") helfen uns nicht grundlegend. Sie zeigen, dass es auch anders gehen kann, aber sie verzögern unser Taumeln in die Katastrophe nur um wenige Stunden.

Sagen wir es doch deutlich: Wenn wir nicht eine grundsätzliche Umkehr des derzeitigen Steuerungsprinzips erstreiten, sind wir verloren!

Was ist also zu tun?

Die Menschen können wir nicht verändern. Sie werden weiterhin das jeweils preisgünstigste Angebot wahrnehmen, den billigsten Strom, den billigsten Treibstoff, das billigste Schnitzel.

Wir müssen deshalb den Weg über die Gesetzgebung wählen. Die gesetzlichen Rahmenbedingungen müssen grundlegend geändert werden. Klimafreundliches Verhalten muss den größeren Gewinn abwerfen und den geringeren bürokratischen Aufwand verlangen. Das Prinzip ist leicht zu verstehen, aber es bedeutet eine Herkules-Aufgabe, alle entgegenstehenden Gesetze zu ändern!

Freiwillig werden die Vertreter der Bundesregierung und die Mehrheitsfraktionen im Bundestag die Gesetze nicht auf Klimaschutzbelange umstellen, werden doch inzwischen die Gesetzestexte weitgehend von den Vertretern der Wirtschaftsverbände selbst entworfen. Eine skandalöse Entmachtung des Parlaments, das diesen zunehmend klimafeindlichen verschlimmerten Gesetzen unter rücksichtslosem Zeitdruck ohne inhaltliche Erörterung zustimmen muss!

Versuche, das Parlament zu entmachten, hat es bereits früher gegeben. Nach den bitteren Erfahrungen zum Ende der Weimarer Republik haben deshalb im Jahr 1949 die Mütter und Väter des Bonner Grundgesetzes das Bundesverfassungsgericht geschaffen und ihm ausdrücklich die Aufsicht über den Gesetzgeber erteilt. Jetzt wird es sich zeigen, ob das BVerfG die ihm erteilte Aufgabe tatsächlich erfüllen kann.

Der Solarenergie-Förderverein Deutschland ruft das Bundesverfassungsgericht an. Wir erwarten von den Verfassungsrichtern in Karlsruhe natürlich keine neuen Gesetze, sondern eindeutige Hinweise auf eine grundrechtskonforme Gesetzgebung.

Unsere Verfassungsklage zeigt auf, dass die Missachtung der klimatischen Veränderungen die Grundrechte, insbesondere das Recht auf Gesundheit und das Überleben der Bevölkerung und jedes einzelnen von uns gröblichst gefährdet. Sie zeigt auf, dass der neoliberale Vorrang des freien Marktes gegenüber der staatlich gebotenen Vorsorge für die überlebenswichtigen Lebensgrundlagen in die Katastrophe führen würde.


Ihr Geschäftsführer
Wolf von Fabeck