Ein fauler Kompromiss?

Der Atomkompromiss von Rot/Grün aus dem Jahr 2000 hatte keinen Bestand. Trotz vertraglicher Vereinbarungen, trotz gesetzlicher Regelungen! Haben wir nichts daraus gelernt?

Inzwischen wird ein neuer Atomkompromiss vorbereitet.

Die Unionsparteien, sowie die FDP haben sich festgelegt. Die SPD hat bereits Zustimmung signalisiert und fordert offen, die Kohlenutzung auszubauen 1. Die Linken lehnen den Kompromiss und die mit ihm verbundenen Gesetze zur Einschränkung der dezentralen Erneuerbaren Energien ab 2.

Alle Aufmerksamkeit richtet sich jetzt auf die Grünen, die auf einem Sonderparteitag am 25. Juni in Berlin ihre Position endgültig bestimmen wollen. Ihrer Entscheidung kommt besonderes Gewicht zu, da man den Grünen die höchste Kompetenz in Fragen des Atomausstiegs und des Ausbaus der Erneuerbaren Energien zutraut. Eine Zustimmung der Grünen würde das Vertrauen der Bevölkerung in die schwarz/gelben Beschlüsse erhöhen.

Aber ist dieses Vertrauen wirklich gerechtfertigt? Ist es sinnvoll, dem Gesetzespaket von Union und FDP zuzustimmen, nur weil man den Atomausstieg auch will?

Wir alle wissen: in einer Regierungskoalition müssen Kompromisse gemacht werden. Aber dürfen wir von den Grünen, einer in Energiefragen kompetenten Oppositionspartei, nicht deutlichere Kritik an falschen
Weichenstellungen erwarten?

Im Einzelnen geht es um folgende Kritikpunkte:

Tempo und Unumkehrbarkeit des Atomausstiegs

Wenn das Restrisiko nicht hinnehmbar ist, müssen alle Atomanlagen sofort (!) abgeschaltet werden, selbst auf die Gefahr hin, dass es vorübergehend zu Stromsperren kommen wird. Leben und körperliche
Unversehrtheit unserer Mitbürger, wie sie Artikel 2 Satz 2 unseres Grundgesetzes schützt, sind ein höheres Gut als wirtschaftliche Prosperität und der Luxus unbegrenzter Energieverfügbarkeit.

Der Atomausstieg muss in der Verfassung verankert werden (so wie in Österreich).

Einstieg in die fossile Energiegewinnung verhindern

Die Gefahren des Klimawandels für die menschliche Zivilisation sind keineswegs gebannt. Den Warnungen der Klimaforscher zum Trotz steigen die CO2-Emissionen auch in Deutschland schon wieder stark an.
Das ist ein schrilles Alarmzeichen!

Neben einer ambitionierten Energieeinsparung, z.B. durch Wärmedämmung im Wohnungsbereich, gibt es daher zum Ausbau der Erneuerbaren Energien keine Alternative, wollen wir das Überleben der Menschheit
sicherstellen.

Schnelleres Wachstum der dezentralen Erneuerbaren Energien braucht politische Unterstützung. Diese wird von Schwarz/Gelb derzeit ausdrücklich nicht gewollt und von Rot/Grün viel zu verhalten eingefordert. Zwar drängen die Energiepolitiker der Grünen verbal auf eine Beschleunigung des Wachstums der Erneuerbaren Energien, doch die von ihnen bisher tatsächlich genannten Ziele bedeuten im Fall der Solarenergie kein Wachstum, sondern sogar ein Schrumpfen des solaren Zubaus 3. Insofern wird die Öffentlichkeit und die grüne Basis durch Schönreden getäuscht.

Die Einspeisevergütungen von Solar- und Windenergie im Binnenland müssen auf attraktive, zuverlässig planbare Werte eingestellt werden, die mehrjährige Investitionsplanungen ermöglichen. Das wird von Schwarz/Gelb anders gesehen.

Aber auch die grünen Energieexperten sind nicht gewillt, von dem in das EEG eingeführten demotivierenden planwirtschaftlichen Ansatz abzugehen, die Solarstromvergütung immer dann besonders stark abzusenken, wenn sich das Wachstum der Solarenergie schneller beschleunigt, als vorher geplant ("atmender Deckel") 4.

So wird das Vertrauen der Investoren in die kontinuierliche und vorhersehbare Unterstützung der Solarenergie durch die Politik nachhaltig zerstört. Die Chancen, die sich durch den schnelleren Ausbau im Jahr 2010 ergaben, wurden nicht genutzt.

Wachstum der Windenergie wieder beschleunigen

Der Ausbau der Windenergie im Binnenland ist bereits seit Jahren rückläufig. Im Jahr 2010 wurden nur noch 1.500 MW installiert 5. Im selben Jahr waren es bei der Solarenergie 7.400 MW.

Da Windenergie und Solarenergie sich jahreszeitlich gut ergänzen, muss auch die Windenergie besser gefördert werden. Weder von den Regierungsparteien noch von SPD oder Grünen hören wir hier Rufe nach
eine Verbesserung der Einspeisevergütung für Windstrom im Binnenland 6.

Schwerpunkt des Ausbaus auf dezentrale Solar- und Windenergie und dezentrale Stromspeicher legen

Die Gesetzentwürfe der Regierungsfraktionen sehen die stärkere Förderung von Erneuerbare Energien nur in zentralistischen und zudem besonders teuren Großprojekten wie Offshore-Windparks vor, was große
Ausbauten des Stromfernleitungssystems notwendig macht. Die Projekte werden vorwiegend in den Händen der Großkonzerne liegen, die die Verbraucher schon jetzt mit überzogenen Strompreisen belasten.

Initiativen zur Einführung einer angebots- und nachfrageabhängigen Strompreisgestaltung

Schon jetzt ist vorhersehbar, dass bei vermehrter Nutzung von Sonnen- und Windenergie Zeiten des Stromüberschusses und andererseits Zeiten des Strommangels auftreten werden. Dieses Problem ist lösbar:
dezentrale Stromspeicher bei den Verbrauchern. Speicher lohnen sich wirtschaftlich nur, wenn der zu speichernde Überschussstrom billig zur Verfügung gestellt wird und wenn zu Strommangelzeiten hohe Preise
für den gespeicherten Strom gezahlt werden. Wir vermissen bei allen Parteien - auch den Grünen - Initiativen zur Einführung einer angebots- und nachfrageabhängigen Strompreisgestaltung. So könnten Aktivität und Erfindungsreichtum von Unternehmern und Ingenieuren angeregt werden, Strom, wenn er billig ist, zu speichern (Entwicklung von dezentralen Speichern) und wenn der Strom teuer ist, den Stromverbrauch zeitlich hinauszuzögern (Lastmanagement).

Appell an alle verantwortlichen Mandatsträger

Verweigern Sie diesem faulen Energiewendekompromiss ihre Zustimmung! Setzen Sie sich stattdessen mit für unsere Ziele ein: Attraktive Vergütungen für Binnenland-Windenergie und Solarenergie und die Einführung einer marktgerechten Strompreisgestaltung für alle Verbraucher.

Andere Umweltvereine wie BUND und die atomkritische Ärzteorganisation IPPNW kritisieren die Atomgesetze ebenfalls

BUND: "Kein grüner Segen für diese Atompolitik" unter
http://www.bund.net/offenerbrief

IPPNW: "Parteien droht Abstrafung durch die Wähler" unter
http://www.ippnw.de/startseite/artikel/d1f9fd1d4d/parteien-droht-abstrafung-durch-waeh.html

Der Solarenergie-Förderverein Deutschland e.V. entschließt sich der Kritik dieser beiden Verbände an.

Fußnoten

17.04.2011 Sigmar Gabriel in der ZDF-Sendung 'Berlin direkt'

09.06.2011 – Gregor Gysi - Redebeitrag im Bundestag.
Atomausstieg bis 2014 - Für eine erneuerbare und demokratische Energieversorgung

Am 9.6.2011 teilte Hans-Josef Fell (energiepolitischer Sprecher der Grünen) in einem Rundbrief mit der Überschrift 'Union stellt Ausbau Erneuerbarer Energien in Frage' mit: "Wir Grüne haben diese
Woche hingegen beschlossen, dass das Ausbauziel für die Photovoltaik von jährlich 3000 auf 5000 MW angehoben werden soll. Eine Deckelung wird von uns strikt abgelehnt."
Anmerkung des SFV: Im Jahr 2010 wurden 7.400 MW neu installiert. Die angestrebten 5.000 MW sind somit kein Wachstum, sondern bedeuten ein Schrumpfen. Die Tatsache, dass Union und FDP das Wachstum der
Solarenergie noch stärker beschneiden wollen, darf keine Entschuldigung für den mangelnden Ausbauwillen der Grünen Parteispitze sein.

§ 20 2a EEG 2009

Hermann Albers, BWE, bei der Anhörung im Bundestag am 08.06.11

Hans-Josef Fell (Bündnis 90 die Grünen) am 05.06.11 auf seiner Internetseite: "(...) Es ist ein erster richtiger Schritt, dass sich die Regierung bei der Onshore-Windkraft nun einsichtig zeigt und die Förderung - wie im Referentenentwurf für die EEG-Novelle vorgesehen - doch nicht verschlechtern wird. (...)"