In über 20 Städten und Gemeinden hat sich die kostendeckende Vergütung (KV) für Solarstrom als besonders wirkungsvolles Markteinführungsprogramm bewährt.

Kostendeckende Vergütung bedeutet: Die Stadtwerke kaufen den in ihr Netz eingespeisten Solarstrom zu einem Preis auf, der so hoch ist, daß sich der Bau und Betrieb von privaten Solaranlagen betriebswirtschaftlich rechnet.

Die Stromwirtschaft kritisiert, die kostendeckende Einspeisevergütung stelle einen Verstoß gegen die Prinzipien des freien Marktes dar. Das ist richtig, doch gibt es höherwertige Gesichtspunkte.

Solarstrom von Hausdächern und -fassaden könnte weit mehr als 20 % des deutschen Strombedarfs decken. Doch Solarstrom kostet zur Zeit etwa zehnmal mehr als Strom aus Kohle und Atomkraft und hat deshalb im freien Strommarkt keine Chance.

Die erneuerbaren Energien sind überlebenswichtig! Deshalb muß die neue Technik zunächst ertüchtigt werden, sich am freien Markt zu behaupten; Stichwort "Markteinführung". Wer würde einen Nichtschwimmer zum Schwimmenlernen gleich ins tiefe Wasser stoßen?

Wer soll die Markteinführung der Solarenergie bezahlen?

Der Ruf nach dem Staat als dem scheinbar unerschöpflichen Geldgeber liegt nahe, ist aber in Anbetracht der hohen Kosten, der knappen Staatskassen und des allgemein angestrebten Subventionsabbaus unzeitgemäß. Entsprechendes gilt für die kommunalen Kassen...

Die Stromwirtschaft setzt auf grüne Tarife: Interessierte Kunden sollen durch freiwillige Mehrzahlungen die Markteinführung übernehmen. Doch der Vorschlag scheint lebensfremd - oder verbirgt sich dahinter der heimliche Wunsch nach Ineffektivität?

Der Solarenergie-Förderverein geht vom Verursacherprinzip aus und kommt zu dem Schluß, daß die Markteinführung der Solarenergie eine Gemeinschaftsaufgabe aller Stromkunden ist. Wer Strom benötigt, soll dessen umweltfreundliche Herstellung auch bezahlen.

Kommunen können die Elektrizitätsversorgungsunternehmen (EVU) mit der Markteinführung beauftragen

Die organisatorischen Voraussetzungen für die Markteinführung der erneuerbaren Energien durch die Gemeinschaft aller Stromkunden können am besten die Elektrizitätsversorgungsunternehmen schaffen. Aus naheliegenden Gründen sperren sie sich allerdings gegen diese Verpflichtung. Deshalb ist es nur konsequent, wenn die Kommunen als Vertreter ihrer Bürger die Stromversorger mit der Durchführung der kostendeckenden Vergütung beauftragen.

Nach einem Urteil des Verwaltungsgerichts Regensburg ist die Bereitstellung von elektrischer Energie eine gemeindliche Aufgabe. Aktenzeichen RN 3 K 97.1905

Beeinträchtigt kostendeckende Vergütung die Wettbewerbsfähigkeit der Stadtwerke?

Nach dem neuen Energiewirtschaftsgesetz darf jeder Stromerzeuger an jeden Stromverbraucher Strom verkaufen. RWE zum Beispiel könnte den Stadtwerken in Köln dessen Kunden abwerben. Die Stadtwerke können sich jedoch nicht "revanchieren", denn die Gemeindeordnungen (außer in Bayern) verbietet ihnen den Verkauf von Strom ins Umland. Diese einseitige Benachteiligung der Stadtwerke im Wettbewerb führt bei manchen Stadtwerken zu panikartigen Reaktionen auf jeden Vorschlag, der die Strompreise im Stadtgebiet erhöhen könnte. Die Stadtwerke fürchten einen nicht wieder gut zu machenden Verlust von Kunden. Mit diesen Befürchtungen müssen Kommunalpolitiker sich argumentativ auseinandersetzen, wenn sie die kostendeckende Vergütung einführen wollen. In diesem Zusammenhang drei Hinweise:

1.) Die Zahlung kostendeckender Vergütung für Solarstrom kann ein verkaufspsychologisches Werbeargument für die Stadtwerke sein. Eine forsa-Umfrage im Auftrag des RWE ergab eine Zustimmung von 80 % der Stromkunden zu einer Preiserhöhung für die Solarenergie

2.) Viele Stadtwerke erzeugen keinen Strom, sondern verteilen lediglich Strom, den sie beim regionalen oder überregionalen Stromerzeuger einkaufen. Solche reinen Verteiler-Stadtwerke brauchen keinen Verlust von Kunden zu befürchten, weil die Kunden dem städtischen Stromnetz nicht "davonlaufen" können.

3.) Stadtwerke, die selber Strom erzeugen (nicht nur weiterverteilen), könnten Probleme bekommen, weil der von ihnen eigenerzeugte Strom zu teuer ist. Dies hängt aber nicht mit der kostendeckenden Vergütung von Solarstrom zusammen.

Die Hinweise 2 und 3 sollen nachfolgend erläutert werden.

Das neue Energiewirtschaftsgesetz erlegt die Zahlungspflicht für Einspeisung von privat erzeugtem Solarstrom den Netzbetreibern auf

Im liberalisierten Markt wird unterschieden zwischen den Erzeugern von Strom und den Betreibern der Netze. Wirtschaftliche Trennung ist vorgeschrieben. Die Erzeuger leben vom Verkauf ihres Stroms, die Netzbetreiber leben von den Netzgebühren, die auch Durchleitungsentgelt genannt werden.

§ 2, letzter Satz des neuen Stromeinspeisungsgesetzes besagt bezüglich der Einspeisevergütung: "Mehrkosten auf Grund der §§ 2 und 4 können bei der Rechnungslegung der Verteilung oder Übertragung zugeordnet und bei der Ermittlung des Durchleitungsentgelts in Ansatz gebracht werden."

Die Mehrkosten aus der kostendeckenden Vergütung werden somit auf das Durchleitungsentgelt des Netzbetreibers aufgeschlagen.

Stadtwerke sind Netzbetreiber. Sie dürfen die Mehrkosten auf die Endkunden abwälzen, gleichgültig von welchem Stromerzeuger die Kunden sonst ihren Strom beziehen. Die städtischen Stromkunden können dem Netzbetreiber und seiner Durchleitungsgebühr nicht "weglaufen".

Manche Stadtwerke betreiben auch eigene Stromerzeugung. Wenn der von ihnen erzeugte Strom zu teuer ist, werden sich die städtischen Kunden einen anderen Stromerzeuger aussuchen, möglicherweise sogar die französische EdF. Der Grund dafür liegt dann aber nicht in der kostendeckenden Vergütung von Solarstrom, denn deren Mehrkosten werden nicht auf die Stromerzeugungskosten der Stadtwerke aufgeschlagen.

Wer legt die Höhe der KV fest? Gibt es eine individuelle Berechnung? Werden auch unnötige Ausgaben erstattet?

Die kostendeckende Vergütung deckt alle Kosten zum Bau und Betrieb der Solaranlage, auch die Kapitalbeschaffungskosten. Die zugestandene Rendite ergibt sich aus dem langfristigen durchschnittlichen Realzinssatz umlaufender Wertpapiere im Inland: 6,5 % für Eigenkapital und 8 % für Fremdkapital. Das ist die gleiche Rendite, die von der staatlichen Strompreisaufsicht auch den Stromversorgern für deren Investitionen zugestanden wird.

Kosten, die vermeidbar wären, werden nicht vergütet. Um endlose Diskussionen darüber auszuschließen, legt die Strompreisaufsicht NRW alljährlich unter Mitwirkung der VDEW-Landesgruppe NRW, der Verbraucherzentrale NRW, EUROSOLAR und dem Städtetag NRW am Round Table regenerative nach gründlicher Marktbeobachtung eine anlegbare Einspeisevergütung fest.

Die anlegbare Einspeisevergütung gilt unter der Voraussetzung einer Vertragslaufzeit von 20 Jahren und Volleinspeisung. Sie betrug für Anlagen, die bis zum 31.12.1996 ans Netz gingen, 2,01 DM/kWh, für Solaranlagen, die bis zum 31.12.98 ans Netz gingen 1,89 DM/kWh. und ab 1.1.99 beträgt sie 1,76DM/kWh. Der letztgenannte Wert gilt bis zu einer Anlagengröße von 10 Kilowatt. Die nächste Überprüfung und ggf. Neufestlegung der KV erfolgt voraussichtlich im November 1999.

Die so errechnete kostendeckende Vergütung wird inzwischen auch von den Preisaufsichten in Baden-Württemberg, Bayern, Hessen, Niedersachsen, Saarland und Schleswig-Holstein ausdrücklich anerkannt. Die Einspeisevergütung für Strom aus Anlagen, die in den kommenden Jahren ans Netz gehen, wird entsprechend dem dann erreichten Preisniveau der Solartechnik voraussichtlich niedriger festgelegt werden.

Freiwillige Einführung der kostendeckenden Vergütung (KV) durch die EVU ist seit 1990 möglich. Neuerdings sind auch unterschiedliche Stromtarife im Versorgungsgebiet zulässig

Eine Änderung der Bundestarifordnung Elektrizität durch den Bundesrat im Jahr 1989 machte kostendeckende Vergütung für progressive EVU auf freiwilliger Grundlage möglich. Auch nach Inkrafttreten des neuen Energiewirtschaftsgesetzes am 28.4.1998 bleibt diese Möglichkeit erhalten. Die kostendeckende Vergütung kann durch jedes EVU eingeführt werden, welches ein Verteilernetz betreibt: Dieser Möglichkeit sind bis jetzt - meist auf Druck ihrer Eigner - etwa 20 westdeutsche EVU gefolgt.

Die KV könnte auch im Konzessionsvertrag einer Gemeinde mit einem regionalen oder überregionalen EVU vereinbart werden, sogar nachträglich.

Nach § 10 des neuen Energiewirtschaftsgesetzes sind nunmehr bei Vorliegen "sachlich gerechtfertigter Gründe" auch unterschiedliche Stromtarife in einem Versorgungsgebiet zulässig. Dies kann von Bedeutung sein, wenn nicht alle Gemeinden in einem größeren Versorgungsgebiet kostendeckende Vergütung wünschen.

Wie erhält der Solaranlagenbetreiber die kostendeckende Vergütung?

Der Netzbetreiber schließt einen Liefervertrag mit dem Solaranlagenbetreiber ab. Dem Solaranlagenbetreiber wird darin eine feste Vergütung des eingespeisten Solarstroms verbindlich und unkündbar für 20 Jahre zugesagt. Für den Netzbetreiber gehören nunmehr die Zahlungen für den Solarstrom zu den unvermeidbaren Kosten, die er auf die Durchleitungsentgelte aufschlagen kann. Die Umlage der Mehrkosten auf die Tarifkunden erfolgt mit der gleichen Berechtigung, wie früher die Umlage anderer Kosten, z.B. für die Entschwefelung und Entstickung der Kraftwerke. Das EVU / Der Netzbetreiber teilt die Mehrkosten - nachdem sie entstanden oder aufgrund einer realitätsnahen Prognose absehbar sind - der Strompreisaufsicht mit und beantragt eine entsprechende Strompreiserhöhung. Nach der Bundestarifordnung BTO Elt, § 11, letzter Satz, muß die Strompreisaufsicht dem Antrag stattgeben. Letztendlich werden diejenigen belastet, die den ins Netz eingespeisten Solarstrom verbrauchen, nämlich die Stromkunden. Sie bezahlen - wie schon weiter oben erwähnt - einen Aufschlag auf die Durchleitungsgebühr des Netzbetreibers, unabhängig davon, woher sie ihren konventionellen Strom beziehen. Sogar der Strom aus den französischen Atomkraftwerken der EdF würde ggf. mit einem Solarstromaufschlag des lokalen Netzbetreibers versehen.

Wie stark werden die Stromkunden belastet?

Durch einen Beschluß des Kommunalparlaments kann die Zahl der kostendeckend vergüteten Solaranlagen in der Weise "gedeckelt" werden, daß die Strompreiserhöhung für alle Stromkunden einen bestimmten Betrag, z.B. einen Pfennig pro Kilowattstunde ("Solarpfennig") nicht überschreitet. Für den durchschnittlichen Stromverbraucher steigen damit die Ausgaben für Haushaltsstrom insgesamt um 80 Pfennig im Monat, für sparsame Stromkunden sogar noch weniger. Dies ist ein Betrag, der erheblich kleiner ist als der Betrag, um den die Stromkunden bei Wegfall des Kohlepfennigs entlastet wurden.

Unterschied zu bisherigen Markteinführungsverfahren: Privates Kapital wird mobilisiert

Die Aussicht auf eine marktübliche Rendite mobilisiert private Kapitalgeber. Sie investieren in private Solaranlagen und übernehmen Kosten und Risiko. Ihr eingesetztes Kapital erhalten sie im Verlauf von 20 Jahren - mit Zinsen - zurück.

Anreiz für Verbesserung und Verbilligung der Solaranlagen

Da die Solarstrom-Einnahmen nur vom Ertrag der Anlage abhängen, wird jeder Betreiber versuchen, den Stromertrag zu maximieren und die Kosten zu minimieren - ein wirksamer Anreiz zur Auswahl der preisgünstigsten und technisch ausgereiftesten Anlagen!

Minimierung des Kontroll- und Genehmigungsaufwandes

Die kostendeckende Vergütung unterscheidet sich von allen bisher bekannten Förderprogrammen: Nicht mehr der Bau einer Solaranlage wird durch Zuschüsse unterstützt, sondern die Einspeisung von Solarstrom ins öffentliche Netz wird angemessen vergütet. Dies reduziert den Kontroll- und Genehmigungsaufwand auf die einfache Formel:
Kein Solarstrom - kein Geld! Solaranlagen werden bis zum Ende der Vertragslaufzeit sorgfältig in Betrieb gehalten.

Kostendeckende Vergütung - Investitionsförderprogramm mit hohem Arbeitsplatzeffekt

Für einen finanziellen Anreiz, der erst in den folgenden 20 Jahren ausgezahlt wird, gehen private Investoren bei Errichtung ihrer Anlage mit dem vollen Investitionsbetrag in Vorleistung. Die kostendeckende Vergütung erweist sich damit als wirkungsvolles Investitionsförderprogramm. Sie versorgt eine wachsende Zahl von Installateuren, Händlern und Produzenten mit Aufträgen.

Außerdem führt die steigende Nachfrage zum Neubau von Produktionsanlagen und dies wiederum zur Ausnutzung aller sich ergebenden Preissenkungsmöglichkeiten.Eine Vielzahl bisher ungenutzter Forschungsergebnisse kann erstmals erprobt werden. Solaranlagen auf deutschen Dächern werden das Vertrauen der Schwellenländer in diese Technik stärken und sind eine gute Werbung für den Export.