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Der Anlass: Warnmeldung des Bundesamts für Bevölkerungs- und Katastrophenschutz (BBK)

Am 27. November 2018 erschien im Deutschlandfunk folgende Warnmeldung des Bundesamts für Bevölkerungs- und Katastrophenschutz (BBK)

Warnung vor längerem Stromausfall mit gravierenden Folgen

In Deutschland könnte es bei einem längeren und großräumigen Stromausfall zu gravierenden Versorgungsmängeln kommen.
Das geht aus einem internen Papier des Bundesamts für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe hervor, von dem die Zeitungen der Funke Mediengruppe berichten. Darin listet die Behörde schwerwiegende Folgen auf. Betroffen wären neben Heizungen, Aufzügen und Licht beispielsweise auch die Kühlungen in Supermärkten. Die meisten Tankstellen könnten keinen Treibstoff mehr herausgeben. Innerhalb von Stunden könnten Telefone und Internet nicht mehr genutzt werden. An Bargeld würde man nicht mehr herankommen. Auch die medizinische Versorgung würde nur für kurze Zeit aufrechterhalten werden können. Nach 24 Stunden käme es zu weitgehenden Einschränkungen in Krankenhäusern und der Wasserversorgung.

Laut dem BBK-Papier ist Deutschlands Stromversorgung zwar grundsätzlich sehr sicher. Dennoch könne es zu langanhaltenden und großräumigen Stromausfällen kommen, etwa durch schwere Naturkatastrophen, aber auch durch Cyberangriffe und physische Angriffe auf Versorgungseinrichtungen.

Soweit die Meldung im Deutschlandfunk.

Im Zusammenhang mit der eskalierenden Kohleausstiegsdiskussion könnte man auf die Idee kommen, hier verberge sich eine Warnung der Kohlekraftwerksbetreiber vor dem Ausstieg aus der Kohleverstromung.
Doch das Gegenteil ist der Fall!

Warnung vor dem Kohleausstieg oder dringende Mahnung zum Kohleausstieg?

Offensichtlich geht die o.a. BBK-Meldung auf eine umfangreiche Studie des Büros für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag (TAB) zurück.
Die ursprüngliche Studie läuft unter der Überschrift "Gefährdung und Verletzbarkeit moderner Gesellschaften - am Beispiel eines großräumigen und langandauernden Ausfalls der StromVersorgung"
Sie stammt bereits aus dem Jahr 2010 und wurde seitdem mehrfach weiter aktualisiert und leider bestätigt. In nüchterner Sprache schildert sie an wenigen Beispielen die grauenvollen Verhältnisse, die sich ergeben würden, wenn die derzeitige fossil-zentrale Stromversorgung zusammenbrechen und die gesamte Gesellschaft im tödlichen Strudel des Unterganges mitreißen würde.

In der Zusammenfassung dieser Studie wird sogar auf die Verletzung des Grundgesetzes hingewiesen:

»Fazit
Wie die zuvor dargestellten Ergebnisse haben auch die weiteren Folgeanalysen des TAB gezeigt, dass bereits nach wenigen Tagen im betroffenen Gebiet die flächendeckende und bedarfsgerechte Versorgung der Bevölkerung mit (lebens)notwendigen Gütern und Dienstleistungen nicht mehr sicherzustellen ist. Die öffentliche Sicherheit ist gefährdet, der grundgesetzlich verankerten Schutzpflicht für Leib und Leben seiner Bürger kann der Staat nicht mehr gerecht werden."

(Hervorhebung durch SFV)


Im Folgenden versuchen wir die Problematik anschaulicher zu machen:

Die Energieversorgung der Gesellschaft kann durch verschiedene Energieträger erfolgen, z.B. durch Torf, Brennholz, Briketts, Heizöl, Erdgas, Petroleum, Benzin, Dieselkraftstoff, elektrischen Strom. Diese Vielfalt vermittelt eine gewisse Sicherheit. Fallen einige der Energieträger aus, so kann man sich dort mit einem anderen behelfen. (Wie klimafreundlich die einzelnen genannten Energieträger hergestellt oder genutzt werden, soll hier einmal außer Betracht bleiben.)
In Mitteleuropa ist diese Ausweichmöglichkeit früherer Jahrhunderte zwischen vielen Energieträgern nicht mehr gegeben, da die Energieversorgung von Bevölkerung und Wirtschaft immer ausschließlicher auf elektrischen Strom umgestellt wird. Ein Zusammenbruch der Elektrizitätsversorgung würde also Alle treffen und somit eine Katastrophe auslösen, bei der keiner mehr dem anderen zur Hilfe kommen kann. In dem oben erwähnten TAB-Bericht ist das ausführlich dargestellt.
Entscheidend für die Folgenschwere der einzelnen Ausfälle ist die Größe der betroffenen Region. Wir werden das im Beispiel des Eisregens im Münsterland 2005 ausführlicher darstellen.
Wenn nun auch noch ein zentral gesteuertes und durch leistungsfähige Fernübertragungsleitungen verbundenes Stromnetz alle Stromerzeuger und Stromverbraucher untrennbar miteinander verbindet, dann ist die finale europa-übergreifende Katastrophe nur noch eine Frage der Zeit. Auslöser kann ein Unfall sein oder ein Terrorakt, eine Cyber-Attacke oder ein Extremwetterereignis oder auch nur ein Programmierfehler.

Da wir aus Klimaschutzgründen auf Erneuerbare Energien - hauptsächlich auf Sonnen- und Windstrom umsteigen müssen - sollten wir unser Augenmerk darauf richten, dass wir überlebensfähige schwarzstartfähige Energiezellen mit dezentralen Solar- und Windanlagen, dezentralen Energiespeichern und kurzen Verbindungsleitungen zwischen Erzeugern, Speichern und Verbrauchern vorsehen. Millionen von dezentralen Energiespeicher, die als Notstromanlagen (NSA) geschaltet werden, garantieren uns die notwendige Überlebensfähigkeit.

Mast-Münsterland

Beispiel für einen kleinen Blackout: Eisregen Nov. 2005 im Münsterland mit sehenswertem Video

Um den Vortrag anschaulicher zu gestalten, nennen wir als Beispiele den Eisregen im November 2005 im Münsterland, bei dem unter dem Gewicht der dick Eis-ummantelten Leitungsseile bei gleichzeitigem Sturm zweiundachtzig Höchstspannungsmasten zusammenbrachen.
Siehe dazu das sehr empfehlenswerte Video , "Schneechaos im Münsterland".

Die Folgen eines Blackouts werden mit der Größe der betroffenen Region schwerer und ihre Beseitigung wird problematischer

Damals 2005 im Münsterland waren glücklicherweise nur 250.000 Menschen betroffen, etwa 0,3 Prozent der Bewohner Deutschlands. Das ermöglichte den konzentrierten Einsatz sämtlicher verfügbarer mobiler Notstromaggregate aus ganz Deutschland sowie aller dafür ausgebildeten Techniker und Montagetrupps. Und dennoch war die Stadt Ochtrup drei Tage lang ohne Strom. In den landwirtschaftlichen Massentierhaltungs-Betrieben war z.B. ein Melken der Tausende von Kühen ohne Melkmaschinen nicht mehr möglich. Trinkwasser ließ sich in diesem Fall glücklicher Weise provisorisch aus dem massenhaft gefallenen Schnee erzeugen.
Zu den sonstigen Problemen empfiehlt sich ein Blick in die vorerwähnte TAB-Studie.

Wenn ein solches Extremwetterereignis bundesweit eingesetzt hätte, wären die Folgen nicht mehr beherrschbar gewesen, allein schon deshalb, weil mehr materielle und personelle Reserven (z. B. fahrbare Notstromanlagen und ausgebildete Techniker) für einen solchen Fall deutschlandweit nicht vorhanden sind.

Die Gefahr von Hitzewellen

Auch wochenlange Hitzewellen können bei fossil und zentral organisierter Stromversorgung zum Auslöser werden.

Die Erhitzung des Kühlwassers oder das Fischsterben in überhitzten sauerstoffarmen Flüssen oder schlicht der Mangel an Kühlwasser zwingt Wärmekraftwerke zur Reduzierung ihrer Leistung oder gar zum Abschalten. Gleichzeitig nimmt der Stromverbrauch durch den zunehmenden Einsatz von Klimaanlagen zu. Wenn dann auch noch der Transport der Steinkohle per Schiff wegen niedrigen Wasserstandes vermindert wird und noch zwei Kraftwerke ungeplant ausfallen, kann es zum Blackout kommen.

Die Leiterseile der Höchstspannungnetze werden durch den fließenden Strom erhitzt und verlängern sich durch die Wärmeausdehnung. Deshalb hängen sie schließlich bis fast zum Boden durch. An extrem heißen Tagen fehlt Kühlung durch die Umgebungsluft. Es muss dann der Stromfluss erheblich reduziert werden, damit es nicht zu einem Bodenkontakt kommt.

Unerwartete kaskadierende Ausfälle

Im Mai 2018 wurde das Ergebnis einer Studie der TU Dresden veröffentlicht, die unter dem Stichwort "kaskadierende Ausfälle" aufzeigt, wie sich in ausgedehnten Stromnetzen die Überlastung einzelner Stromnetzmaschen auf andere Stromnetzmaschen auswirken würde und aufzeigt, dass es zu einem gefährlichen Aufschaukeln von Ausfällen kommen kann. So zeigte das Simulationsprogramm der TU Dresden bei unglücklichen Kombinationen von Zufallsschäden eine kaskadenartige Zunahme versagender Netzmaschen an.

Ein Terrorakt, bei dem z.B. die elektronische Fernsteuerbarkeit der Stromverbraucher dazu genutzt wird, durch wiederholtes gleichzeitiges Ein- und Ausschalten aller Stromverbraucher die Stromerzeugungsanlagen zu überlasten, kann ein gesamtes Versorgungsgebiet lahm legen. Der Virus "Stuxnet", der einen großen Teil der iranischen Urananreicherungsanlagen zerstörte, hat demonstriert, dass es möglich ist, gezielt und hinterhältig fernsteuerbare technische Anlagen nicht nur abzuschalten, sondern sie sogar zu zerstören. Die Tatsache, dass die deutsehen Stromnetze "intelligent" und damit fernsteuerbar gemacht werden sollen, lässt hier erhebliche Bedenken aufkommen, ob auf diese Weise nicht geradezu den IT-Terroristen der Weg vorbereitet wird.

Bedenkliche Höhe des Restrisikos als Argument für die Verfassungsbeschwerde

Die TAB-Studie belegt erhebliche Schadenshöhen und Opferzahlen beim Versagen der Stromversorgung.
Sie empfiehlt ein Konzept zur Notstromversorgung auf der Basis dezentraler Stromerzeuger mit Inselnetzfähigkeit.
Beim Versagen der derzeitigen zentral gesteuerten Stromversorgung mit fossilen Großkraftwerken und einem ausgedehnten Fernübertragungsleitungsnetz würden die Schadenshöhen und Opferzahlen deutlich höher liegen als beim Versagen eines dezentral organisierten Stromerzeugungssystems mit Solar- und Windenergie, mit Stromspeichern und kurzen Verbindungsleitungen zu den Stromverbrauchern.

Auch die Wahrscheinlichkeit, dass es bei einem zentral organisierten System zu einem Total-Blackout mit hohen Schadenshöhen bzw. Opferzahlen kommt, ist deutlich höher.
Das Produkt aus Schadenshöhe mal Eintrittswahrscheinlichkeit, das sogenannte Restrisiko, liegt deshalb beim zentralgesteuerten Fossilsystem weit über dem eines dezentral organisierten Systems der Erneuerbaren Energien.
In seinem Kalkar-Beschluss vom 8. August 1978 entschied das Bundesverfassungsgericht damals, dass die Bevölkerung ein Restrisiko als „sozialadäquate Last" zu tragen habe, „wenn es nach dem Stand von Wissenschaft und Technik praktisch ausgeschlossen erscheint, dass solche Schadensereignisse eintreten werden." Jede bekanntwerdende Erhöhung der Eintrittswahrscheinlichkeit würde die Bundesregierung allerdings verpflichten, von sich aus die Frage der Betriebsgenehmigung neu zu überdenken. (Wenn meine Erinnerung in diese BVerfG-Entscheidung richtig ist, wäre zu fragen, ob nicht die Bundesregierung bereits bei Befolgung des damaligen BVerfG-Urteil verpflichtet gewesen wäre, den Umstieg von der fossilen Stromversorgung auf eine dezentral organisierte Versorgung mit erneuerbaren Energien und Stromspeichern anzuordnen.