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Rechtsgutachten: Menschenrechte und Klimapolitik
 

Einführungstext von Wolf von Fabeck

Nur nebenbei: In den Sommerferien habe ich "meinen" ersten Tornado erlebt. Zum Glück - zu meinem(!) Glück - war es nur einer von der kleinen Sorte und zog durch den anderen Ortsteil des Urlaubsortes ...

Das Wettergeschehen gibt leider den Pessimisten unter den Klimawarnern Recht. Der vierte Sachstandsbericht des IPCC, der vor Kopenhagen die Öffentlichkeit alarmierte, ist schon jetzt offenkundig überholt. Das Aus-der-Kontrolle-Geraten des Monsunsystems z.B. wurde dort nicht einmal erwähnt [1], obwohl weitsichtige Wissenschaftler bereits seit langem davor warnten [2]. Die Menschen in Pakistan erleben es nun, was es bedeutet, wenn der Monsun aus dem Gleichgewicht gerät und wenn die dadurch ausgelöste Hochwasserkatastrophe die Infrastruktur eines ganzen Landes weitgehend zerstört. Das meist gebrauchte Wort in Pakistan ist seit Wochen der Schrei um Hilfe, nicht nur um Hilfe durch Zelte, sauberes Wasser und Nahrung, sondern der verzweifelte Wunsch, das Gebet, der wilde Fluch, es möge endlich Schluss sein mit diesem Wahnsinns-Regen. Jetzt und in Zukunft!

Doch die Verantwortlichen bei uns tun so, als verstünden sie die Sprache der Opfer nicht. Sie rufen zwar zu Spenden auf, geben sich aber keine Mühe, die naturwissenschaftliche Ursache für die immer dichtere Folge von Wetterkatastrophen zu verstehen. Und dann planen sie neue Kohlekraftwerke. Und stoppen den schnellen Ausbau der Solar- und der Windenergie.

Die bedenkenlose Art und Weise, wie derzeit die Interessen der fossilen und atomaren Energiewirtschaft durch den Gesetzgeber unterstützt werden, kann langfristig zum Untergang der menschlichen Zivilisation führen. Sie ist folgenschwer und maßlos, ist wegen ihrer globalen Auswirkung und ihrer Unumkehrbarkeit beispiellos, noch nie da gewesen und - Sie merken es schon an meinen fast hilflosen Formulierungsversuchen - ist folglich nicht mit gängigen Begriffen benennbar.

Die betriebene Energiepolitik ist zudem - hier wiederhole ich mich in meiner Fassungslosigkeit und Empörung - bislang von den bestehenden Gesetzen gedeckt, fast wie in einem Unrechtsstaat. Doch wir leben in keinem Unrechtsstaat! Wir können das, was da geschieht, noch nicht einmal Unrecht nennen, denn als Unrecht wird es von der Rechtswissenschaft bislang nicht angesehen.

Denjenigen von uns, die die naturwissenschaftlichen Zusammenhänge vom Prinzip her durchschauen und die das Verhängnis stoppen wollen, fehlt eine angemessene juristisch abstrakte Formulierung, mit der wir uns an das höchste deutsche oder europäische Gericht wenden können, damit es die welt- und selbstzerstörende Gesetzgebung in ihre Schranken weist.

Das Gros der Juristen und die von ihnen beratenen Politiker winken ab, wenn man die Sprache darauf bringt, dass man beim Bundesverfassungsgericht, beim Gerichtshof der EU oder beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte eine Klage gegen das Bundesimmissionschutzgesetz (BImSchG) einbringen will, das die Genehmigung von Kohlekraftwerken erlaubt. Sie winken auch ab, wenn man die Kürzung der Solarstromvergütung auf Verfassungsmäßigkeit prüfen lassen will. Die Lösung solcher Fragen läge alleine im Ermessensspielraum des Gesetzgebers, sagen sie.

Wir beim SFV geben uns mit dieser Auskunft nicht zufrieden.

Wenn es tatsächlich so sein sollte, dass die Justiz nur für die kleinen, mittleren und großen Vergehen zuständig wäre, vor dem Versagen des Gesetzgebers jedoch zurückweicht und sich für unzuständig erklärt,
dann wäre diese Wissenschaft nicht bis zum Ende durchdacht, dann fehlte ihr ein wesentliches Element und sie müsste weiterentwickelt werden, wie jede andere Wissenschaft auch, bei der sich Lücken zeigen.

Der Solarenergie-Förderverein Deutschland hat deshalb den Leiter der Forschungsgruppe Nachhaltigkeit und Klimapolitik Felix Ekardt, Professor für Umweltrecht und Rechtsphilosophie an der Universität Rostock am Ostseeinstitut für Umweltrecht, um ein Gutachten gebeten, das in diesen Tagen fertiggestellt wurde und das Sie jetzt unter Rechtsgutachten: Menschenrechte und Klimapolitik aufrufen können.

Die vorliegende Studie untersucht die grundrechtliche Durchsetzbarkeit einer anspruchsvolleren Klimapolitik auf der Grundlage der deutschen, europäischen und völkerrechtlichen Grundrechtsgarantien. Das Ergebnis in drei Sätzen vorab:

Die bisherige nationale, europäische und internationale Klimapolitik bleibt hinter den Anforderungen der Grundrechte zurück. Bei richtiger (Neu-)Interpretation dieser Rechte unter Berücksichtigung neuerer naturwissenschaftlicher Erkenntnisse ergibt sich, dass die nationale und transnationale Politik zu einem Mehr an Klimaschutz verpflichtet ist. Dies kann sich beispielsweise zu einer Pflicht zu einem raschen Wechsel der Energieträger verdichten.

Mit dieser Studie wollen wir einen gesellschaftlich wichtigen Diskussionsprozess weiter vorantreiben, der die Lücke zwischen den naturwissenschaftlichen Erkenntnissen der Klimaforschung und dem
Instrumentarium der Rechtswissenschaft schließen soll. Ein solcher Diskussionsprozess kommt erst in Gang, wenn eine "kritische Masse" engagierter Menschen die Fragestellung erkennt und zu ihrem eigenen
Problem macht.

Es darf nicht dabei bleiben, dass Juristen und Politiker abwinken, wenn es um die Befassung der höchsten Gerichte mit Fragen des Menschenrechtsschutzes vor technischen Fehlentwicklungen geht.
Die Hilfeschreie der Klima-Opfer in Pakistan und in der ganzen Welt, sollen endlich die Ohren der höchsten Gerichte erreichen, die die weitere Ausbreitung des furchtbaren Geschehens noch mildern können.

Lassen Sie sich deshalb vom Lesen des anspruchsvollen Textes - es sind über 50 Seiten - nicht abschrecken. Richter und Rechtsgelehrte, die sich mit Fragen des Verfassungsrechts befassen, gebrauchen andere sprachliche Formulierungen und Denk-Schemata, denn zu ihren Aufgaben gehört die Abwägung zwischen den Freiheitsrechten aller Interessengruppen einer kompliziert miteinander verflochtenen Gesellschaft. Dazu muss eine Fülle von Gedanken zu Ende gedacht werden.

Die fast gottähnliche Ferne zu diesen Richtern und Rechtsgelehrten muss von beiden Seiten überbrückt werden, denn die gewünschte höchstrichterliche Weichenstellung setzt ein modernisiertes gesellschaftliches Verständnis dafür voraus, was Grundrechtsschutz in einer durch Technologie bestimmten globalisierten Welt bedeutet.


Geben Sie deshalb die gewonnenen Erkenntnisse dorthin weiter, wo sie als Anregung aufgenommen werden können.

Damit leisten Sie Ihren Beitrag, genau so wichtig wie der heldenhafte Einsatz Tausender ungenannter Helfer im Überschwemmungsgebiet und ebenbürtig denjenigen, die sich die Euros für eine Spende vom Munde absparen.

Nehmen Sie sich die dafür notwendige Zeit

Mit guten Wünschen
Ihr SFV-Geschäftsführer
Wolf von Fabeck

Fußnoten

[1] Das Umweltbundesamt berichtete bereits im Juli 2008 ausführlich über eine ganze Reihe derzeit bekannter, aber im IPCC_Bericht teilweise noch nicht berücksichtigten Kipp-Punkte - unter anderem
auch über die Voraussage, dass der Monsun aus der Kontrolle geraten könne.
http://www.umweltbundesamt.de/uba-info-presse/hintergrund/kipp-punkte.pdf

[2] "Kippelemente im Klimasystem der Erde" Veröffentlichung des Potsdam Instituts für Klimafolgenabschätzung vom 05.02.2008 http://www.pik-potsdam.de/aktuelles/pressemitteilungen/archiv/2008/kippelemente-im-klimasystem-der-erde