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Danksagung für erläuternde Beiträge

Der vorliegende Beitrag entstand unter Beteiligung vieler Fachleute, die mir mit ihren Erläuterungen oder ihrem geduldigen Widerspruch geholfen haben.

Besonders danke ich den Herren Daniel Bannasch, Tomi Engel , Andreas Henze, Dr. Andreas Horn, Professor Dr. Uwe Leprich, Prof. Dr. Lorenz Jarass, Eike Schwarz, Dr. Patrick Schweisthal und vielen weiteren Diskussionsteilnehmern.

Das Thema wird weiter im Fluss bleiben. Weitere Diskussionsbeiträge erbitte ich unter fabeck@sfv.de

April 2014, Wolf von Fabeck

 

Zusammenfassung für Fachleute


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Wie kommt es zum übermäßigen Netzausbau? - Struktueller Fehler im EnWG

In § 12, Abs. 3 EnWG heißt es: "Betreiber von Übertragungsnetzen haben dauerhaft die Fähigkeit des Netzes sicherzustellen, die Nachfrage nach Übertragung von Elektrizität zu befriedigen und insbesondere durch entsprechende Übertragungskapazität und Zuverlässigkeit des Netzes zur Versorgungssicherheit beizutragen. (...)"

Hier wird die Befriedigung jeder Nachfrage nach Übertragung von Elektrizität ohne Einschränkung als hinreichende Voraussetzung für weiteren TransportNetzAusbau festgelegt.

Die Frage stellt sich, was als "Nachfrage nach Übertragung" anerkannt wird

Nachfrage nach Übertragung wird derzeit als gegeben angesehen, wenn Stromerzeuger und Stromverbraucher sich darüber einigen, eine zeitlich und leistungsmäßig übereinstimmend definierte elektrische Arbeit von einem Punkt des Stromnetzes zu einem anderen Punkt zu übertragen.

Welche kaufmännischen Abmachungen dieser Einigung zugrunde liegen, interessiert nicht. Es interessiert auch nicht, ob mit der gelieferten Leistung etwas Sinnvolles geschieht. Der Übertragungsnetzbetreiber ist zur Bereitstellung der notwendigen Übertragungskapazität sogar dann verpflichtet, wenn der Stromverbraucher den Strom nur deshalb aus dem Netz entgegennimmt, weil ihm Geld dafür geboten wird (negativer Strompreis) und er den Strom einfach "entsorgen" will.

Wie kommen die kaufmännischen Vereinbarungen zustande?

Derzeit verkaufen die Betreiber konventioneller Kraftwerke, insbesondere die Grundlastkraftwerksbetreiber, ihren Strom weit vor dem endgültigen Liefertermin am Terminmarkt oder OTC. Sie finden damit Stromverbraucher, die ihren Strom verbindlich abnehmen wollen.

Was geschieht bei nachträglichem Weiterverkauf?

Bis zum Tag vor dem Liefertermin können die Stromkäufer den eingekauften Strom weiter verkaufen. Damit wird der neue Käufer des Stroms zum neuen Abnehmer. Dem Stromerzeuger wird mitgeteilt, wer der neue Abnehmer seiner Stromlieferung werden wird.

Bis zum Tag vor dem Liefertermin können die Stromerzeuger ihre Stromerzeugungspflicht ebenfalls "verkaufen". Sie finden einen Ersatz-Stromerzeuger. Den bisherigen Stromkäufern wird mitgeteilt, wer ihr neuer Stromlieferant sein wird.

Am Tag vor dem Liefertermin teilt der nunmehr feststehende Stromlieferant dem ÜNB seinen "Fahrplan" mit. Dies wird als "Nachfrage nach Übertragung von Elektrizität" im Sinne von § 12, Abs. 3 EnWG anerkannt.

Dem Übertragungsnetzbetreiber genügt es, wenn ihm am Tag vor dem Liefertermin der "Fahrplan" des einspeisenden Kraftwerkes mitgeteilt wird und er erfährt, wo die Abnehmer sind. So kann er herausfinden, wo es eventuell Netz-Engpässe geben wird und wo er deshalb ausnahmsweise durch Redispatch eingreifen muss.

Wer erstellt für die Erneuerbaren Energien den Fahrplan?

Es sind die ÜNB selbst, die den Anfall von Strom aus Erneuerbaren Energien aufgrund der Wetterprognose zeitlich und örtlich kennen und ihn kaufmännisch am Spotmarkt anbieten. Da sie ihn in Befolgung der Ausgleichsmechanismusverordnung immer als billigstes Angebot - notfalls sogar mit negativem Strompreis - anbieten, finden sie auf jeden Fall Abnehmer. Die Übertragung des Stroms aus Erneuerbaren Energien wird also als zusätzliche(!) Nachfrage anerkannt. Damit wird formal die Bedingung nach § 12, Absatz 3 EnWG für weiteren Netzausbau erfüllt.

Die ÜNB müssen (man sollte besser sagen; "dürfen") somit ihre Netze für das gleichzeitige Angebot von Grundlaststrom plus EE-Strom ausbauen.

Prof. Lorenz Jarass hat aufgezeigt, dassdie BNetzA tatsächlich so so rechnet.


Kritik an diesem Verfahren

Die Tatsache, dass negative Preise am Spotmarkt auftreten, ist ein untrügliches Zeichen dafür, dass mehr Strom erzeugt wird als notwendig und mehr Netzausbau betrieben wird als notwendig und dass somit das Gebot der sparsamen Mittelverwendung verletzt wird.

Der Gesetzgeber lässt es zu, dass das einzige Intrument, das die Nachfrage nach Übertragung von Strom objektiv und diskriminierungsfrei feststellen könnte, nämlich der Spotmarkt, durch die Grundlastkraftwerksbetreiber umgangen werden kann.

Das Warnsignal des Spotmarkts für Überangebot wird nicht dazu benutzt, die Einspeisung der Grundlastkraftwerke zu unterbinden, sondern nur dazu, die EEG-Umlage zu erhöhen.

Der SFV fordert deshalb eine Teilnahmepflicht für alle Stromerzeuger: "Spotmarkt only"

Der Netzausbau sollte nicht die Bedürfnisse der Stromerzeuger befriedigen, sondern sollte sich an den Bedürfnissen der Stromverbraucher orientieren.
Eine dementsprechende Änderung des Energiewirtschaftsgesetzes wäre empfehlenswert. § 12 Abs. 3, EnWG könnte ergänzt werden, indem ausdrücklich die "kostenoptimierte" Befriedigung der Nachfrage der "Endkunden" nach Übertragung von Elektrizität genannt wird.

Im Folgenden sollen weitere Nachteile der derzeitigen Regelung aufgezeigt werden, und Maßnahmen genannt werden, wie einige dieser Nachteile vermieden werden könnten.

 

Vier Vorschläge für Strommarktdesign

Zunächst müssen die Bedürfnisse der Verbraucher objektiv festgestellt werden. Ob sie erfüllt sind, lässt sich an den Strompreisen des Spotmarkts erkennen. Sinken die Strompreise am Spotmarkt vorübergehend unter Null, so ist das ein Zeichen dafür, dass ein Stromüberangebot vorliegt. Wer in der betreffenden Stunde trotzdem Strom am Spotmarkt verkaufen will, muss in dieser Stunde sogar noch Geld dazugeben.

Die negativen Strompreise am Spotmarkt lassen sich als "Strafzahlungen" (Pönalie) für diejenigen Einspeiser auffassen, die mehr einspeisen wollen als die Verbraucher benötigen. Diese Strafzahlungen sind volkswirtschaftlich gesehen berechtigt, denn die betroffenen Einspeiser sind dafür verantwortlich, dass die Stromnetze unnötig verstärkt werden müssen und dass es teilweise sogar zur Verschwendung von unangemessen verbilligter elektrischer Energie kommt. Allerdings ist es ein schwerer Mangel des derzeitigen Verfahrens, dass sich einige Teilnehmer am Strommarkt diesen Strafzahlungen entziehen können, indem sie am Spotmarkt nicht teilnehmen.
Die konventionelle Stromwirtschaft allerdings ist mit den jetzigen Verhältnissen immer noch nicht zufrieden, allerdings aus einem anderen Grund, nämlich weil ihre schnell regelbaren Kraftwerke - insbesonder Gasturbinenkraftwerke - derzeit nicht häufig genug zum Einsatz kommen und ihre fixen Kosten nicht decken können.
So gibt es also (mindestens) vier Vorschläge für ein neues "Strommarktdesign", die hauptächlich davon bestimmt sind, wie man die lästigen „Strafzahlungen“ für die eigene Klientel vermeiden oder verringern könne.

Vorschlag 1 Die konventionelle Stromwirtschaft möchte es bei der derzeitigen Regelung belassen. Die nicht vollständig abregelbaren Grundlastkraftwerke sollen weiterhin den Spotmarkt umgehen können, wenn sie vorher am Terminmarkt Käufer für ihren Strom gefunden haben. So entgehen sie der Strafzahlung und dürfen trotzdem einspeisen. Dieser Vorschlag hat fünf Nachteile:

  • Einspeisung von EEG-Strom ist nur mit Strafzahlungen möglich und die EEG-Umlage wird aufgebläht.
  • Braunkohle- und Atomkraftwerke, die zu den umweltschädlichsten Kraftwerken gehören, erreichen eine maximale Auslastung und damit Umweltbelastung.
  • Negative Strompreise führen zur sinnlosen Stromverschwendung.
  • Die Netze müssen ausgebaut werden.
  • Schnell regelbare Gasturbinenkraftwerke kommen kaum zum Einsatz. Sie lassen sich allein mit dem Stromverkauf nicht wirtschaftlich betreiben. (Um den letztgenannten Nachteil zu vermeiden, schlägt die Stromwirtschaft gesonderte Entgelte für die Bereitstellung schnell regelbarer Kapazitäten vor ("Kapazitätsmarkt").

Vorschlag 2 Einige Ökostromhändler wollen die Strafzahlungen für sich selbst und ihre Lieferanten vermeiden, indem sie diese anweisen, bei erwartetem Stromüberangebot einfach abzuregeln. Dieser Vorschlag hat drei Nachteile:

  • Abregeln bedeutet für Solar- und Windanlagen, dass deren Energie teilweise ungenutzt bleibt. Sie erhalten zwar Schadenersatz, doch ökologisch ist diese Lösung bedenklich.
  • Die Grundlastkraftwerke bleiben, wie bereits unter Nr. 1. erläutert, ungeschoren
  • Die schnell regelbaren Gasturbinenkraftwerke kommen kaum zum Einsatz.

Vorschlag 3 Damit Solar- und Windstrom nicht mit Strafzahlungen belegt werden, sollen sie nicht über den Spotmarkt sondern auf direktem Weg an die Endkundenversorger weiter "gewälzt" werden. Hier gibt es zwei Nachteile:

  • Die Grundlastkraftwerke bleiben auch hier ungeschoren
  • Die Gasturbinenkraftwerke kommen weiterhin kaum zum Einsatz..

Vorschlag 4 Der SFV stellt folgende Lösung zur Diskussion:
Spotmarkt only: ALLE Stromerzeuger müssen zur Preisermittlung am Spotmarkt teilnehmen. Diese Regelung hat den Vorteil, dass die Strafzahlungen die marktwirtschaftlich angemessene Höhe erhalten und von allen gezahlt werden müssen, die für das Stromüberangebot verantwortlich sind, insbesondere auch von den Betreibern der Grundlastkraftwerke.

  • Die Nachteile der Vorschläge 1 bis 3 entfallen hier.

Außerdem gibt es Vorschläge mit einer Kombination der unter 1 bis 4 aufgeführten Maßnahmen

 

Vorschlag 4 (Spotmarkt only) soll den Erneuerbaren Energien den Vorrang zurückgeben
Häufig ist vom" Vorrang" der Erneuerbaren Energien die Rede. Gemeint ist damit der Einspeisevorrang. Solar- und Windstrom sollen fossilen Strom und Atomstrom aus dem Netz verdrängen. Tatsächlich verdrängen sie allerdings nur Strom, der am Spotmarkt angeboten wird. Hingegen werden Atom- und Braunkohlekraftwerke, die nicht oder nur in Ausnahmefällen am Spotmarkt teilnehmen, keineswegs abgeregelt, wenn es Überschüsse gibt. Solar- und Windstrom verdrängen also keineswegs den Braunkohle- und Atomstrom, sondern dürfen allenfalls parallel dazu eingespeist werden. DerEinspeisevorrang gegenüber Braunkohle- und Atomstrom ist damit praktisch abgeschafft.

Ergänzend sei angemerkt: In § 13 Abs. 2a Satz 5 EnWG ist sogar im Fall einer Überlastung der Netzkapazität ein Vorrang für ein "netztechnisch erforderliches Minimum" an Einspeisung aus konventionellen Stromerzeugungsanlagen vorgeschrieben. Diese Bestimmung beruht auf der Annahme, dass Anlagen zur Erzeugung von Strom aus Erneuerbaren Energien selber keinen Beitrag zur Netzstabilisierung leisten könnten.

In finanzieller Hinsicht gibt es außerdem erhebliche Nachteile für Strom aus Erneuerbaren Energien. In den Stunden des Überschusses zahlen Braunkohle- und Atomkraftwerksbetreiber (soweit sie nicht ausnahmsweise am Spotmarkt teilnehmen) keine negativen Strompreise. Die Übertragungsnetzbetreiber jedoch müssen für den eingespeisten Strom aus Erneuerbaren Energien negative Strompreise zahlen, die dann auf die EEG-Umlage umgelegt und den Stromkunden als angebliche Kosten der Energiewende präsentiert werden.
Das sieht nicht nach Vorrang für die Erneuerbaren Energien aus, sondern eher im Gegenteil nach "Zahlungsvorrang für die Erneuerbaren Energien", um es pointiert auszudrücken. Man könnte sogar von einer Diskriminierung der Erneuerbaren Energien sprechen. Diese Diskriminierung lässt sich beseitigen, wenn auch die Braunkohle- und Atomkraftwerke am Spotmarkt teilnehmen müssen.

 

Weiterer Ausblick - Speicherbau und lokale Differenzierung der Spotmärkte?


Schon jetzt ist zu beobachten, dass die Verhältnisse von Angebot und Nachfrage sich lokal immer weiter unterscheiden. So kommt es z.B. vor, dass in Westholstein ein Überangebot von Windstrom vorliegt, während in Süddeutschland ein Mangel herrscht. Ein einziger Spotmarkt für Deutschland, Frankreich und Österreich kann dieses Problem preislich nicht durch Angebot und Nachfrage abbilden. Vielmehr müssen die Übertragungsnetzbetreiber in solchen Fällen eingreifen und die Einspeisung aus Kohlekraftwerken im Norden kurzfristig untersagen, im Süden dafür zusätzlichen Einsatz verlangen ("Redispatch"). Eine unbefriedigende Lösung.

Je mehr fluktuierende Energien zum Einsatz kommen, desto häufiger werden solche Situationen auftreten. Eine denkbare Lösung besteht darin, dass mehr lokale Stromspeicher zum Einsatz kommen. Außerdem müsste das Börsengeschehen lokal aufgeteilt werden, damit die Betreiber der Speicher die "richtigen" Preissignale zur Einspeicherung bzw. Ausspeicherung erhalten.

 

Einführung in das Thema mit ausführlichen Erläuterungen für Einsteiger

Gleichgewicht zwischen Stromangebot und Stromnachfrage
Technische Voraussetzun für ein funktionsfähiges Stromnetz ist, dass stets genau so viel Strom (elektrische Leistung) in das Stromnetz eingespeist werden muss, wie aus ihm entnommen wird. Bei Abweichungen nach oben oder unten würden sonst die Sicherheitseinrichtungen ansprechen und es käme zu technischen Problemen bis hin zum Blackout. Die technische Systemführung erfolgt letztlich in den Schaltzentralen der Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB). Dort werden bis zum Tag vor der endgülten Stromeinspeisung alle "Fahrpläne" der konventionellen Stromerzeuger angemeldet. Außerdem liegen dort die aufgrund der Wettervorhersage vom ÜNB geschätzten Einspeisungsverläufe aus Wind- und Solarenergie vor. Im Wesentlichen geht es dann an den Schaltzentralen darum, die Einhaltung der Regeln zu überwachen und bei Gefährdung der Sicherheit ggf. korrigierend einzugreifen. § 13 und 13a des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) verleiht den ÜNB dafür sehr weitgehende Befugnisse.

Anmerkung: Zur Korrektur von Störungen im Minuten-Bereich steht dem ÜNB kurzfristig abrufbare "Regelleistung" sowohl für zusätzliche Leistungseinspeisung ins Stromnetz oder Leistungsentnahme aus dem Stromnetz zur Verfügung. Um das Thema nicht allzusehr zu erweitern, wird diese Thematik allerdings hier im vorliegenden Beitrag nicht weiter behandelt.

 

Das Regelwerk

Es gibt verschiedene Methoden, mit denen das technisch erforderliche Gleichgewicht zwischen Stromerzeugung und Stromverbrauch hergestellt werden kann. Die derzeit in Deutschland geltenden Regeln sind beschrieben in einem BDEW-VKU Praxis-Leitfaden - Stand 31.10.2013. Dort werden auch die gesetzlichen Grundlagen genannt. Diese Anwendungsregeln werden im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben immer wieder einmal überarbeitet.

 

Fehler im Regelwerk widerspricht dem Grundsatz der sparsamen Mittelverwendung

Derzeit gilt folgende Grundregel, die im Energiewirtschaftsgesetz festgehalten ist: § 12 Abs. 3 EnWG Betreiber von Übertragungsnetzen haben dauerhaft die Fähigkeit des Netzes sicherzustellen, die Nachfrage nach Übertragung von Elektrizität zu befriedigen und insbesondere durch entsprechende Übertragungskapazität und Zuverlässigkeit des Netzes zur Versorgungssicherheit beizutragen. (...)
Mit anderen Worten: Die Stromnetzbetreiber sind verpflichtet, ihre Stromnetze so auszubauen, dass alle Stromerzeuger jederzeit (auch gleichzeitig) ihre Höchstleistung in das Netz einspeisen können.
Diese Grundregel führt zu der durch die Bundesregierung mit höchster Priorität vorangetriebenen Verstärkung und weiterem Ausbau der Fernübertragungsnetze. Nach Auffassung des SFV widerspricht dieses Verfahren jedoch dem Grundsatz der sparsamen Mittelverwendung. Der Netzausbau sollte nicht die Bedürfnisse der Stromerzeuger befriedigen, sondern sollte sich an den Bedürfnissen der Stromverbraucher orientieren. Dies wäre eine entscheidende Veränderung im Rahmen des Strommarktdesigns. Im Folgenden soll aufgezeigt werden, wie dies erreicht werden könnte.

 

Beschreibung des derzeitigen Verfahrens

Die Kraftwerksbetreiber müssen sich selbst darum kümmern, dass sie Abnehmer (Stromverbraucher) für ihre eingespeiste Leistung finden. Wenn das der Fall ist, dürfen sie nach dem derzeitigen Strommarktdesign einspeisen. Einschränkungen, die sich daraus ergeben, dass die Netzkapazität an einigen Teilstrecken des Netzes nicht ausreicht, passen eigentlich nicht in das Konzept, denn sie widersprechen der oben genannten Verpflichung der Nezbetreiber zum vollständigen Ausbau des Netzes. Sie werden durch die Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB) behelfsweise dadurch überwunden, dass entfernter liegende Kraftwerke (vor dem Engpass) vorübergehend abgeschaltet werden und näher gelegene Kraftwerke (hinter dem Engpass) die Aufgabe übernehmen ("Redispatch").

 

Funktion des Stromhandels

Einspeiser, die bis zum Tag vor der Einspeisung ("day ahead") noch keinen Abnehmer gefunden haben, können ihre Einspeisung auf dem Spotmarkt der Strombörse anbieten. Dort finden sie zumeist noch Abnehmer, wenn sie den Strom nur billig genug anbieten.

Für energietechnische Laien klingt es zunächst etwas verwunderlich: Auch Strom kann an der Börse gehandelt werden. Aus Angebot und Nachfrage wird der sogenannte Clearingpreis ermittelt Dazu werden die Stromlieferungen gedanklich in zeitliche kurzzeitige und langzeitige Blöcke aufgeteilt und für die verschiedenen Liefertermine verkauft. Wenn der Liefertermin am nächsten Tag liegt, spricht man vom Spotmarkt. Wenn er weiter in der Zukunft liegt, spricht man vom Terminmarkt oder bei zweiseitigen Geschäften vom OTC-Markt (over the counter). Auch Privatkunden können am Strommarkt teilnehmen wenn sie das Geschäft durch einen Broker gegen Bezahlung durchführen lassen.

 

Informationen zum Spotmarkt

Am (Day-ahead) Spotmarkt werden täglich für jede Stunde des Folgetages ALLE Stromangebote und Nachfragen nach Strom, die bis dahin noch nicht verkauft oder gekauft worden sind, gesammelt und es wird daraus ein einheitlicher Strompreis (Clearingpreis) errechnet. Dieser Preis gilt dann für alle Spotmarkt-Teilnehmer, soweit sie zum Zuge kommen. Am Spotmarkt kostet also der Strom in jeder Stunde seinen extra Preis. Kaufinteressenten, die in dieser Stunde einen geringeren Strompreis zahlen wollten, gehen leer aus (sie dürfen die von ihnen gewünschten Strommengen nicht entnehmen). Verkäufer, die mehr als den Spotmarktpreis für ihren angebotenen Strom bekommen wollten, kommen nicht zum Zuge. (Kein Kraftwerk darf ohne einen Abnehmer einspeisen). Es wird also nicht nur der Spotmarktpreis festgelegt, sondern es entscheidet sich auch, ob das Stromangebot zum Zuge kommt.
Der Vollständigkeit halber sei noch erwähnt, dass nachträgliche Korrekturen für einzelne Viertelstunden zwischen zwei Geschäftspartnern noch nachträglich im Intraday-Handel bis 45 Minuten vor dem Liefertermin vorgenommen werden können. Doch für das allgemeine Verständnis der Vorgänge ändert diese Tatsache nichts Entscheidendes.

Die Spotmarktregelung ist deswegen vernünftig, weil niemand gezwungen wird, Strom zu einem Preis zu kaufen, der höher ist, als der von ihm angefragte Preis und niemand wird gezwungen, Strom zu einem Preis zu liefern, der niedriger ist als der, zu dem er ihn ageboten hat. Der Spotmarkt stellt somit ein genial einfaches und effektives Optimierungssystem dar. Seine Funktionsweise lässt sich mit Hilfe der folgenden Grafik leicht veranschaulichen.

Das untenstehende Diagramm ist ein Beispiel, in dem die Erneuerbaren Energien aus Vereinfachungsgründen noch nicht vorkommen. Es gilt nur für jeweils eine bestimmte Stunde eines bestimmten Tages. Dort sind Stromangebote (in Blau) von den verschiedensten Anbietern eingetragen, (soweit sie ihren Strom nicht schon vorher am Terminmarkt verkauft haben).

Es muss sich nicht um Kraftwerke (z.B. Kohlekraftwerke oder Gas und Dampfkraftwerke oder Gasturbinenkraftwerke) handeln, die ihren Strom anbieten. Es können auch Endkundenversorger sein, die sich am Terminmarkt verkalkuliert haben und ihre zu viel eingekauften Strommengen wieder loswerden wollen. Solche Fehlkalkulationen können z.B. vorkommen, wenn ein Stadtwerk einen hohen Anteil von Kunden mit Solaranlagen hat, die zu einer sonnigen Stunde weniger Strom aus dem Stromnetz ziehen als sonst üblich, weil sie ihren eigenen Solarstrom verbrauchen.

 

Die Merit Order für Angebot und Nachfrage

Die Stromangebote sind so sortiert, dass die billigsten Angebote links stehen und die teuersten Angebote ganz rechts. Die Sortierreihenfolge wird auch als Merit Order bezeichnet. Jedes Angebot hat eine bestimmte Breite (Strommenge) und eine bestimmte Höhe (Preis), stellt grafisch also ein Rechteck dar, von dem üblicherweise aber nur die obere Kante eingezeichnet wird. Die miteinander verbundenen oberen Kanten der Rechtecke ergeben die Angebotskurve (im Diagramm in Blau).
Im selben Diagramm sind auch Stromnachfragen (im Bild in Rot) - z.B. von den großen Chemiefabriken oder den verschiedenen Endkundenversorgern oder von Betreibern großer Stromspeicher eingetragen.

Bei den Stromnachfragen ist die Reihenfolge umgekehrt wie bei den Angeboten. Ganz links stehen die Nachfrager, die notfalls einen sehr hohen Preis für den Strom bezahlen würden. Rechts stehen die Nachfrager, die den Strom nur kaufen wollen, wenn er sehr billig angeboten wird. Nicht nur jedes Angebot, sondern auch jede Stromnachfrage hat eine bestimmte Breite (Strommenge) und eine bestimmte Höhe (Mindest- bzw. Höchstpreis).

Bild 1 Clearing zur Ermittlung des Spotmarktpreises
Spotmarkt Clearingpreis
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Clearing zur Ermittlung des Spotmarktpreises

Der verbindliche Börsenpreis am Spotmarkt (Clearingpreis) lässt sich am Schnittpunkt der (blauen) Angebotskurve mit der (roten) Nachfragekurve direkt ablesen (iehe Bild oben). In diesem Beispiel ergibt sich ein Börsenpreis von 11 Cent/kWh.
Alle Angebote rechts vom Schnittpunkt werden nicht berücksichtigt, denn sie hätten mehr als 11 Cent gebraucht.
Auch alle Nachfragen rechts vom Schnittpunkt werden nicht berücksichtigt, denn sie waren nicht bereit, 11 Cent für den Strom zu zahlen.
Alle berücksichtigten Anbieter erhalten 11 Cent pro kWh, z.B. sogar Anbieter 1 oder Anbieter 2 oder Anbieter 3, die mit 3 oder 3,5 Cent oder 4 Cent zufrieden gewesen wären.
Alle berücksichtigten Nachfrager, z.B. die eingezeichneten Endkundenversorger, brauchen nur 11 Cent/kWh zu zahlen, obwohl sie auch zu deutlich höheren Zahlungen bereit gewesen wären.

 

Die umgesetzte Geldmenge am Spotmarkt

Da Angebote und Nachfragen als Rechtecke dargestellt sind, deren Breite die Strommenge und deren Höhe den Strompreis darstellen, entspricht der Inhalt dieser Rechtecke, also das Produkt aus Strommenge mal Strompreis jeweils einer Geldmenge. Die gesamte am Spotmarkt in der dargestellten Stunde umgesetzte Geldmenge entspricht einem großen Rechteck, dessen rechte obere Ecke vom Schnittpunkt der Angebots- und Nachfragekurve und dessen linke untere Ecke durch den Nullpunkt des Systems gebildet wird.

Bild 2 Am Spotmarkt umgesetzte Geldmenge in einer Stunde
Umgesetzte Geldmenge
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Negative Strompreise als "Strafgebühr" (Pönalie)

Wenn Kraftwerksbetreiber nicht bereit sind, ihre Kraftwerke vorübergehend abzuschalten, aber für ihren überschüssigen Strom noch keine Abnehmer gefunden haben, bieten sie ihren Strom am Spotmarkt an. Meist finden sich Stromverbraucher, die den überschüssigen Strom abnehmen ("entsorgen"), wenn sie dafür Geld bekommen. Der Spotmarktpreis (Clearingpreis) wird dann negativ. Nicht der Stromempfänger muss zahlen, sondern der Stromlieferant. Für ihn stellt der negative Strompreis eine Art "Strafgebühr" bzw. Pönalie dar, die ökonomisch durchaus sinnvoll ist, denn Stromlieferungen, die eigentlich nicht benötigt werden, verursachen unnötigen Brennstoffverbrauch und unnötige Netzausbaukosten.

Bild 3 Fehlende Nachfrage führt zu negativen Spotmarktpreisen
Negativer Strompreis
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Wie blähen negative Strompreise die EEG-Umlage auf?

Damit bei Stromüberangebot der Strom aus Erneuerbaren Energien trotzdem in jedem Fall noch verkauft werden kann, wird er am Spotmarkt in der Merit-Order des Stromangebots ganz links eingeordnet. Die erwähnte "Strafgebühr" muss dann auch von den Anbietern des EEG-Stroms bezahlt werden. Dies ergibt sich aus der Ausgleichsmechanismus Verordnung:

  • Die Anbieter des EEG-Stroms am Spotmarkt sind die Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB).
  • Die ÜNB lassen sich die "Strafgebühr" über die EEG-Umlage erstatten.
  • Die EEG-Umlage besteht dann nicht nur aus allen EEG-Vergütungszahlungen, sondern zusätzlich auch noch aus der "Strafgebühr" des negativen Strompreises.

 

Wie funktioniert der Terminmarkt?

Am Terminmarkt werden zweiseitige Stromhandelsgeschäfte vorgenommen, bis auf sechs Jahre im Voraus. Es werden "Blöcke" gleichbleibender Leistung, z.B. 1 MW, mit einer Dauer von mindestens 12 Stunden - meist sogar über 24 Stunden, wöchentliche, monatliche, Quartals- und sogar Jahresmengen angeboten und gekauft. Zum Beispiel könnte ein großes Aluminiumwerk bei einem Braunkohlekraftwerk seinen regelmäßigen Strombedarf fest bestellen. Bei Vertragsabschluss erhält der Käufer gleichzeitig das Recht und die Verpflichtung, die vereinbarte Leistung aus dem Stromnetz zu entnehmen, der Verkäufer erhält das Recht und die Verpflichtung, sie in das Stromnetz einzuspeisen. Allerdings können beide Parteien ihre Rechte an andere Parteien weiter verkaufen, sofern diese bereit sind, auch die Verpflichtungen zu übernehmen. Das geschieht häufig. Sogar einen Tag vor dem Liefertermin – also am Spotmarkt - (und bis 45 Minuten vor dem Liefertermin im Intraday-handel) können solche Stromlieferungen noch angeboten werden, wenn jemand sich verkalkuliert hat und zu viel Strom eingekauft hat. Wenn er allerdings diese Strommenge nicht weiter verkaufen kann, ist er verpflichtet, sie abzunehmen und irgendwie zu verbrauchen oder zu „entsorgen“ (wie manche Leute spottend sagen). Für die Stromanbieter gilt, wenn sie am Terminmarkt oder im zweiseitigen Geschäft einen Käufer gefunden haben, dürfen sie einspeisen, selbst dann, wenn es eigentlich genügend Sonnen- oder Windstrom gibt. Und daraus ergeben sich mehrere Probleme, um die es im Folgenden geht.

 

Wie umgehen die Betreiber der Grundlastkraftwerke den Spotmarkt und seine negativen Strompreise?

Die Betreiber der fossilen Kraftwerke berufen sich darauf, dass sie ihre Stromproduktion bereits Jahre im Voraus auf dem Terminmarkt verkauft haben und deshalb Abnehmer für ihren Strom nachweisen können. Damit ist nach den heutigen Regeln die Voraussetzung für eine Einspeisung gegeben. Wenn dies zu einer Stunde geschieht, zu der - was immer häufiger vorkommen wird - gleichzeitig auch noch Strom aus Wind- und Sonnenenergie in großem Umfang in das Stromnetz eingespeist wird, dann gibt es am Spotmarkt nicht genügend Nachfrager für den Strom, denn die üblichen Nachfrager haben sich ja bereits am Terminmarkt eingedeckt. Der Clearingpreis am Spotmarkt sinkt.

EEG-Umlage Erhöhung bei negativem Strompreis

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Bild 4 Die vorhergehende Grafik zeigt quantitativ, wie das Sinken des Börsenpreises die EEG-Umlage in die Höhe treibt (der blaue Flächenanteil)

 

Der Solar- und Windstrom findet schließlich sogar erst dann Abnehmer (von "Käufer" kann man dann kaum noch sprechen), wenn der Börsenpreis (Clearingpreis) unter Null Cent/kWh sinkt, wenn also die Entgegennahme des Stroms auch noch durch eine Geldzahlung belohnt wird. Diese Geldzahlung muss dann durch die Stromlieferanten am Spotmarkt bezahlt werden und das sind in solchen Stunden vorwiegend die Übertragungsnetzbetreiber, die den gesetzlichen Auftrag ausführen, den Strom aus Erneuerbaren Energien an der Börse zu verkaufen. Die Übertragungsnetzbetreiber dürfen die ihnen dabei entstehenden Verluste mit der EEG-Umlage ausgleichen. Die wird um so höher, je weiter der Börsenerlös am Spotmarkt sinkt, und sie wird natürlich ganz besonders durch negative Börsenerlöse aufgebläht. Im ungünstigsten Fall kann der Clearingpreis bis auf minus 35 Cent absinken (ein weiteres Absinken wird durch die Ausgleichsmechanismusverordnung unterbunden). Die EEG-Umlage wird dann mit der Einspeisevergütung plus zusätzlich die erwähnten 35 Cent/kWh belastet, was bis zu 50 Cent/kWh bedeuten kann.
Die Braunkohlekraftwerksbetreiber dagegen, die ihre vorher abgeschlossenen Terminmarktverträge erfüllen, dürfen einspeisen, ohne für ihre Stromeinspeisung Geld zu bezahlen. Aber der wichtigste Effekt (der leicht übersehen wird): sie dürfen überhaupt einspeisen (denn sie haben einen Abnehmer für ihre Einspeiseleistung gefunden) und treiben damit die EEG-Umlage in die Höhe.

Wer sich mit dem Anschwellen der EEG-Umlage befasst, übersieht leicht die Tatsache, dass nicht der niedrige Clearingpreis die Ursache ist, sondern das Produkt aus Clearingpreis mal eingespeiste EEG-Strommenge. Wenn nur wenig EE-Strommengen eingespeist werden (also bei energiearmem Wetter) hat der Clearingpreis kaum Einfluss auf die EEG-Umlage: Er mag hoch oder niedrig, positiv oder negativ sein, er wird jeweils nur mit einer sehr geringen Strommenge multipliziert.

 

Zunehmende Unwirtschaftlichkeit der Gaskraftwerke

In ähnlicher Weise kommt es zur Unwirtschaftlichkeit der Gaskraftwerke. Vor dem Einsatz der Erneuerbaren Energien war es die unbestrittene Aufgabe der schnell regelbaren Gaskraftwerke, am Spotmarkt immer dann einzuspringen, wenn die am Terminmarkt festglegten Stromlieferungen insgesamt um die Mittagszeit nicht ausreichten. Doch diese Zeiten sind vorbei. Sehr häufig sind, wie vorausgehend beschrieben, die Nachfrager bereits voll mit Terminmarkt-Verträgen eingedeckt. Es besteht an sonnigen Tagen selbst um die Mittagszeit kein Strombedarf mehr. Die Gaskraftwerke kommen also immer weniger zum Einsatz. Am Terminmarkt aber haben sie keine Chance, da ihre laufenden Kosten höher sind. Ihre rasche Regelfähigkeit können sie am Terminmarkt nicht in klingende Münze umsetzen.
Würde der Terminmarkt wegfallen und die großen Kraftwerksbetreiber müssten ihre Leistung am Spotmarkt anbieten, entstünde für sie bald der Anreiz, ihre Grundlastkraftwerke im Sommerhalbjahr vorübergehend stillzulegen und stattdessen hauptsächlich ihre Gaskraftwerke zu nutzen, deren Stromgestehungskosten zwar etwas höher sind, die aber durch rechtzeitiges Abschalten am Spotmarkt die negativen Strompreise vermeiden können.
Der Vollständigkeit sei darauf hingewiesen, dass der CO2-Ausstoß pro Kilowattstunde bei Gaskraftwerken nur etwa halb so hoch ist wie bei Braunkohlekraftwerken.

 

Stromvernichtung bei negativem Strompreis

Die Tatsache, dass es bei Stromüberangebot zu negativem Strompreis kommt, wird von marktwirtschaftlich denkenden Menschen als Beleg für die "Weisheit des Marktes" genommen. Die Anreize dafür, den Stromüberschuss sinnvoll zu verwenden, z.B. ihn in Speichern für Zeiten von Strommangel aufzubewahren, würden damit immer weiter gesteigert. Doch ist eine "sinnvolle" Verwendung keineswegs garantiert. Ein negativer Strompreis stellt leider ebenso auch einen Anreiz dar, Strom sinnlos oder sogar umweltschädlich zu vernichten.

So ist es für einige Vermarkter von Wind- und Solarstrom preislich vorteilhaft, ihren Anlagenbetreibern einen Schadenersatz dafür zu zahlen, dass sie ihre Solar- und Windanlagen bei Erwartung negativer Spotmarktpreise einfach abschalten. Damit vermeidet der Vermarkter, dass er bei Einspeisung dieses Stroms auch noch den negativen Spotmarktpreis entrichten muss. Dem Anlagenbetreiber ist es, finanziell gesehen, gleichgültig. Er bekommt die erwartete Einspeisevergütung so oder so. Die EEG-Umlage wird nicht so stark in die Höhe getrieben (ein politpsychologischer Vorteil). Allerdings, der Volkswirtschaft und der Umwelt schadet die Abregelung der Solar- und Windanlagen. Und der Einspeisevorrang der Erneuerbaren Energien ist damit praktisch ausgehebelt.

Auch andere Arten der Stromvernichtung schaden der Volkswirtschaft und der Umwelt: Zum Beispiel der Volllastbetrieb der Kühlaggregate eines großen Kühlhauses bei gleichzeitiger bzw. abwechselnd darauf folgender Lüftung oder Heizung.

Oder ein Beheizen von Weichen bei Temperaturen über Null Grad Nach Wikpedia waren im Netz der Deutschen Bahn im Jahr 2012 48.500 von 72.000 Weichen mit einer Weichenheizung ausgerüstet. Davon wurden etwa 90 Prozent elektrisch betrieben.

Die Aussicht auf eine anstrengungslose Einnahme von 35 Cent pro verbrauchter Kilowattstunde (siehe § 8 "Preislimitierung in Ausnahmefällen", AusglMechV) kann zu den unsinnigsten Entscheidungen verführen, die jede Effizienz- und Einspar-Anstrengung konterkarieren.

 

Unnötiger Bau von Fernübertragungsleitungen.

Mehrere Energiewissenschaftler, z.B. Professor Dr. Lorenz Jarass, Hochschule Rhein-Main haben darauf aufmerksam gemacht, dass die Bundesnetzagentur bei der Berechnung der Kapazität von Stromfernleitungen davon ausgeht, dass gleichzeitig die Braunkohlekraftwerke mit voller Leistung Strom liefern, obwohl bereits die zukünftigen Offshore-Windanlagen ebenfalls ihre volle Leistung nach Süddeutschland liefern. Dieses unkontrollierte Nebeneinander-Einspeisen kann nur auftreten, wenn die Braunkohlekraftwerke ihren Strom lange vor dem Spotmarkt im Terminmarkt verkauft haben und sich damit das Recht auf ungekürzte Einspeisung in das Stromnetz gesichert haben. Mit dem Wegfall dieses Vorrechtes würden auch die Netzberechnungen zu einem anderen Ergebnis kommen.

 

Wo bleibt der Vorrang für die Erneuerbaren Energien?

Braunkohle- und Atomstrom werden bereits vorab auf dem Terminmarkt verkauft. Solar- und Windstrom kommen erst später am Spotmarkt in den Handel und dürfen allenfalls noch die verbleibenden Versorgungslücken füllen.

Wenn in besonders krassen Fällen am Terminmarkt die Einspeisung von Braunkohlestrom zur Stunde X mit 2 Cent/kWh bezahlt wird, am Spotmarkt jedochl für die Einspeisung von Solarstrom zur selben Stunde X sogar die EEG-Umlage mit bis zu fast 50 Cent pro kWh belastet wird, wird die Ungleichbehandlung besonders deutlich. (Anmerkung: die 50 Cent ergeben sich aus den weiter oben erwähnten negativen maximal 35 Cent Clearingpreis plus einer Einspeisevergütung von fast 15 Cent).

Durch den vorgezogenen Handel auf dem Terminmarkt schaffen die Betreiber der Fossil- und Atomkraftwerke "vollendete Tatsachen" und hebeln den theoretischen Vorrang der Erneuerbaren Energien aus.

Die hier beschriebenen Nachteile

  • die ständig anschwellende EEG-Umlage
  • die zunehmende Unwirtschaftlichkeit der Gaskraftwerke,
  • die ökologisch unsinnige "Vernichtung" von Strom, der zu negativen Strompreisen angeboten wird
  • die angeblich nicht ausreichende Kapazität wichtiger Fernübertragungsleitungen.
  • der verloren gegangene Vorrang der Erneuerbaren Energien

werden mit der weiteren Zunahme von Solar- und Windstromeinspeisung immer unerträglicher werden. Wer den Umstieg auf die Erneuerbaren Energien weiterführen will, sollte deshalb die gemeinsame Ursache für die beschriebenen Nachteile möglichst rasch beseitigen. Die gemeinsame Ursache liegt in einer Inkonsequenz des Gesetzgebers:

Es war zwar systemtechnisch eine richtige Entscheidung des Gesetzgebers, den Strom aus Sonne und Wind am Spotmarkt handeln zu lassen. Es war auch richtig, eine zentrale Organisation (die Übertragungsnetzbetreiber) mit dem Verkauf des Solar- und Windstroms am Spotmarkt zu betrauen, da andernfalls ein unübersehbarer und kostenträchtiger Organisationsaufwand von Hunderttausenden dafür nicht ausgebildeter EE-Anlagenbetreiber notwendig geworden wäre. Allerdings ist der Gesetzgeber inkonsequent geblieben, indem er den Handel am Terminmarkt als Nachweis für eine Einspeiseberechtigung weiter zugelassen hat, wohl wissend, dass den fluktuierenden Energien nach Lage der Dinge der Zugang zum Terminmarkt nicht möglich ist. Der angebliche Vorrang der Erneuerbaren Energien verkommt so zur unverbindlichen rhetorischen Floskel.

 

Danksagung für erläuternde Beiträge

Der vorliegende Beitrag entstand mit Hilfe vieler Fachleute, die mir mit ihren Erläuterungen oder Widersprüchen geholfen haben.

Besonders danke ich den Herren Daniel Bannasch, Andreas Henze, Dr. Andreas Horn, Professor Dr. Uwe Leprich, Prof. Dr. Lorenz Jarass, Dr. Patrick Schweisthal, Tomi Engel und vielen weiteren Diskussionsteilnehmern.

weitere Diskussionsbeiträge erbeten unter fabeck@sfv.de