Die Verfassungsbeschwerden von fünf deutschen Umweltverbänden für ausreichenden Klimaschutz haben eine wichtige Hürde genommen. Das Bundesverfassungsgericht hat die Bundesregierung, Bundesrat, Bundestag und mehrere Ministerien sowie Fachgremien offiziell zur Stellungnahme aufgefordert.

Berlin/ Aachen, 15. August 2025 - Die Verfassungsbeschwerden von fünf deutschen Umweltverbänden für ausreichenden Klimaschutz haben eine wichtige Hürde genommen. Das Bundesverfassungsgericht hat die Bundesregierung, Bundesrat, Bundestag und mehrere Ministerien sowie Fachgremien offiziell zur Stellungnahme aufgefordert. Diese Aufforderung bedeutet in der Regel, dass sich das Bundesverfassungsgericht mit der rechtlichen Argumentation und den gestellten Anträgen  ernsthaft auseinandersetzt. Die Institutionen haben bis zum 15. Oktober 2025 Zeit, Stellung zu nehmen.

Greenpeace und Germanwatch, der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) und Solarenergie-Förderverein Deutschland (SFV), sowie die Deutsche Umwelthilfe (DUH) hatten im Herbst gemeinsam mit über 54.000 Einzelpersonen gegen die unzureichende Klimapolitik der Bundesregierung Beschwerde eingelegt. Die Argumentation der Klagen hat durch das jüngste Votum des Internationalen Gerichtshofs (IGH) Rückenwind erhalten. Dieser stellte fest, dass alle Staaten schnellen und effektiven Klimaschutz betreiben müssen, um Menschenrechte und Völkerrecht zu achten.

Susanne Jung, SFV-Geschäftsführerin, erklärt: „Der IGH hat deutlich gemacht, dass sich die Klimapolitik rechtsverbindlich an 1,5 Grad orientieren muss, nicht an 2 Grad – und dass dafür viel schneller und ambitionierter gehandelt werden muss, als es Deutschland und die EU bisher tun. Außer unserer gemeinsamen Verfassungsklage 2018/2021 war bisher keine Umweltklage vor dem Verfassungsgericht erfolgreich. Die jetzige Zwischenentscheidung stimmt uns positiv. Wir hoffen, dass wir jetzt einen Schritt näher dran sind, den Klimaschutz wiederholt verfassungsrechtlich durchsetzen zu können - für den Erhalt der Lebensgrundlagen aller.“

Verena Graichen, politische Geschäftsführerin des BUND, erklärt: „Diese Zwischenentscheidung des Verfassungsgerichts macht uns große Hoffnung, dass das Gericht die neue Bundesregierung zu mehr Klimaschutz verpflichtet. Der verantwortungslose Kurs zurück ins fossile Zeitalter muss schnellstens beendet werden. Wir brauchen einen deutlich beschleunigten Übergang zu 100 Prozent erneuerbaren Energien und Maßnahmen für den natürlichen Klimaschutz. Ansonsten drohen nach dem IGH-Gutachten Schadensersatzforderungen in Milliardenhöhe der Länder des globalen Südens gegen Industriestaaten wie Deutschland.“

Der BUND und der SFV hatten im September 2024 gemeinsam mit vier Klagenden – Kerstin Lopau, Karola Knuth, André Wendel, Dr. Mareike Bernhard – beim Bundesverfassungsgericht eine Klimaklage gegen die Bundesrepublik Deutschland eingereicht. Das Ziel- und Ambitionsniveau der deutschen Klimapolitik ist deutlich zu niedrig. Maßstab des Handelns muss die klimawissenschaftlich fundierte, rechtlich verankerte Grenze von global 1,5 Grad maximaler Erderhitzung sein, um die Folgen der Klimakrise noch beherrschbar zu halten. Das „Treibhausgas-Budget”, welches Deutschland bei fairer Verteilung 2020 noch zustand, ist inzwischen aufgebraucht und sogar überzogen, wie die Klageschrift unter Hinweis auf IPCC-Berechnungen aufzeigt. Durch die letzte Novelle des Klimaschutzgesetzes (KSG) ist wahrscheinlich, dass Deutschland nicht einmal mehr seine eigenen – unambitionierten – Klimaziele einhält.

Die Verfassungsbeschwerde wird von Rechtsanwältin Dr. Franziska Heß und Prof. Dr. Dr. Felix Ekardt juristisch vertreten. Beide hatten bereits 2018 im Auftrag von SFV und BUND die erste Verfassungsbeschwerde erarbeitet. Diese Klage war 2021 in wesentlichen Punkten erfolgreich. Der weitere Prozessverlauf liegt, auch zeitlich, im Ermessen des Verfassungsgerichts. Auf die Stellungnahmen der Prozessparteien kann eine mündliche Verhandlung folgen.