Kommentar zum Solarstrom-Vorschaltgesetz

Unterschiedliche Interessenlage führt zu unterschiedlicher Bewertung der neuen Einspeisevergütung

Von Wolf von Fabeck

Das Positive zuerst

Das Solarstrom-Vorschaltgesetz hat die parlamentarischen Hürden im Wesentlichen überwunden. Die Verabschiedung durch den Bundesrat am 19.12.03 dürfte nach der Zustimmung der CDU/CSU im Bundestag nur noch eine Formsache sein.

Die Abschaffung des bisher bestehenden 1000 MW-Deckels und die Zustimmung von CDU/CSU vermitteln den Eindruck einer höheren Rechtssicherheit, was bei der Kundenwerbung, bei der notwendigen Kapitalbeschaffung sowie auch bei der noch anstehenden Novellierung der übrigen EEG-Paragraphen hilfreich sein wird. Darüber besteht Einigkeit in der Solarszene.

Außerdem besteht Einigkeit darüber, dass angesichts der massiven Gegnerschaft von Wirtschaftsminister Clement und der Stromwirtschaftslobby kaum ein besseres, sehr leicht aber ein schlechteres Ergebnis möglich gewesen wäre.

Doch nun die Kehrseite der Medaille

Mehrfach schon sind wir gefragt worden, warum sich der Solarenergie-Förderverein und einige Solarinitiativen dem allgemeinen Jubel über die Verbesserung der Solarstromvergütung nicht anschließen.

Dazu unsere Antwort:

Die erwarteten Wachstumsraten reichen nicht aus.

Verschiedene Organisationen haben im Zusammenhang mit der Verbesserung der Einspeisevergütung jährliche Wachstumsraten der PV von über 10 Prozent vorhergesagt. Greenpeace schwärmt sogar von über 30%.

Ein Wachstum der genannten Größenordnung wäre - wenn man es mit den sonstigen Wachstumsraten unserer stagnierenden Wirtschaft vergleicht - eine erfreuliche Ausnahme, dennoch ist es kein Grund zum Schwärmen, sondern ist im Hinblick auf das zu erreichende Klimaschutz-Ziel völlig ungenügend. Die Photovoltaik, die zur Zeit etwa 0,1 Prozent des deutschen Strombedarfs deckt, muss in wenigen Jahren etwa 30 Prozent abdecken. Sie muss dreihundertmal so viel bringen wie heute.

Dass solche Wachstumsraten nicht unmöglich sind, beweist die rasante Ausbreitung der Handys, der PCs oder der Taschenrechner.

Unsere weit höhere Wachstums-Forderung findet eine einfache Erklärung in der unterschiedlichen Interessenlage gegenüber den Solar-Fachverbänden, denen ein leichtes Wachstum ihrer Mitgliedsfirmen ausreicht. Der SFV ist ein Umweltverein, der angesichts der aufziehenden Klimakatastrophe auf das schnellstmögliche Einführungstempo drängt.

Neue Vergütung nicht auf PV-Boom ausgelegt

Ohne Vorwurf gegenüber den Bundestagsabgeordneten, die sich aus aller Kraft bemüht haben, das Bestmögliche für die Photovoltaik herauszuholen und denen angesichts der Widerstände aus den eigenen Reihen die Hände weitgehend gebunden waren, stellen wir Folgendes fest: Die Staffelung der Vergütung in drei Stufen und die geringe "Spreizung" zwischen den Vergütungssätzen zeigt die Absicht, zukünftigen Betreibern gerade so viel - und auf keinen Fall mehr - zukommen zu lassen, dass sie nur eine bescheidene Verzinsung ihres Eigenkapitals erhalten. Alle Vergütungssätze liegen weit unter der für einen Solarboom notwendigen Vergütungshöhe von 80 Cent/kWh.

Auswirkung der niedrigen Vergütungshöhe auf die Anlagenbetreiber

Gewiss, auch nach unserer Einschätzung können nun Anlagenbetreiber mit genügend Eigenkapital bei den gegenwärtig geringen PV-Anlagenpreisen, bei günstiger Dachausrichtung und störungsfreiem Betrieb eine bescheidene Rendite erwirtschaften. Diese liegt aber meilenweit unter den Gewinnsätzen, die in der konventionellen Energiewirtschaft als selbstverständlich angesehenen werden. Unser Ziel, dass sich der Bau von PV-Anlagen für Geldanleger wirtschaftlich lohnen soll, ist bei weitem nicht erreicht: Für den potenziellen Anlagenbetreiber ist es weiterhin viel lukrativer, sein Geld auf der Bank anzulegen oder in Aktien z.B. eines Stromkonzerns zu investieren als in seine eigene PV-Anlage.

Auswirkung der niedrigen Vergütungshöhe auf Installateure und Hersteller

Die bisweilen gehörte Aufforderung an Hersteller und Installateure, nun aber endlich die Preise zu senken, klingt fast zynisch. Die geringe Vergütung lässt den Installationsbetrieben ohnehin keinen Spielraum bei der Preisgestaltung. Seit Jahren fehlen ihnen die finanziellen Mittel für eine Modernisierung der Produkte und Verfahren, für eine Schulung ihres Personals sowie zur Abdeckung von Gewährleistungsfällen. An eine Entwicklung neuer Produkte, gar an firmeneigene Forschung oder Entwicklung war und ist kaum zu denken.

Hier liegt eine gefährliche Verwechslung von Ursache und Wirkung vor: Niedrige Preise sind nicht die Ursache einer Massenproduktion, sondern auf längere Sicht ihre Folge.

Die Wirkungskette der Markteinführung:
  • Zunächst muss eine gewinnversprechende Einspeisevergütung angeboten werden. Dadurch steigt die Nachfrage.
  • Bei steigender Nachfrage steigen die Preise. - Doch, so ist es: Nach dem Gesetz von Angebot und Nachfrage steigen bei anwachsender Nachfrage zunächst die Preise. Der anfängliche Preisanstiegs hat eine wichtige Funktion in der Wirkungskette. Er ist das Signal, dass von interessierten Unternehmern mit Interesse wahrgenommen wird. Wenn dann gleichzeitig noch die Nachfrage bestehen bleibt, kann der nächste Wirkungsschritt folgen.
  • Die Einspeisevergütung muss so großzügig bemessen sein, dass trotz der steigenden Preise die Nachfrage nicht wesentlich zurückgeht. Dann ergibt sich ein Anreiz zum Bau neuer Produktionsstätten.
  • Mit dem Bau neuer Produktionsstätten setzt die Massenproduktion ein.
  • Fortlaufende Ausweitung der Massenproduktion bietet die Gelegenheit, die Ergebnisse firmeneigener Forschungs- und Entwicklungsprojekte zu nutzen.
  • Firmeneigene Forschungs- und Entwicklungsarbeiten sowie die bekannten Einspareffekte bei der Massenproduktion senken auf längere Sicht die Herstellungskosten.
  • Sinkende Herstellungskosten sowie gegenseitige Konkurrenz unter den Anbietern senken schließlich die Preise.

Die Preissenkung steht also erst am Schluss!!!

Wer ungeduldig gleich zu Beginn auf niedrige Preise drängt, hat die Wirkungskette möglicherweise nicht ganz verstanden. Er entzieht der Ausweitung der Produktions- und Installationsbetriebe die finanziellen Grundlagen.

Die zu niedrige Vergütungshöhe bremst also nicht nur die Nachfrage, sondern auch die Expansion der Betriebe. So kann es nur zu einem bescheidenen Wachstum kommen.

Zusammenfassung

Ziel 2 der Gesetzesänderung ist erreicht. Der befürchtete "Fadenriss" für das Installationsgewerbe wurde für die Mehrzahl der Firmen verhindert.

Ziel 1 aber, das wichtigere Ziel eines umweltpolitisch, arbeitsmarkt- sowie friedenspolitisch notwendigen echten PV-Booms mit Wachstumsraten über 100 Prozent, liegt noch weit entfernt. So wird die Photovoltaik noch lange im Bereich von unter 0,2 Prozent der Stromversorgung bleiben.